Je 3,5 Millionen Euro erhalten der Sozialwissenschaftler André Bächtiger und der Quantenforscher Oliver Röhrle – beide Uni Stuttgart – für ihre Forschungsprojekte. Es geht um die Gestaltung von Demokratie und die Muskelsteuerung im Gehirn.

Zwei Forscher der Uni Stuttgart haben bei der Ausschreibung des Europäischen Forschungsrats (ERC) kräftig abgeräumt: Der Sozialwissenschaftler André Bächtiger und der Quantenforscher Oliver Röhrle sind mit dem renommierten ERC-Advanced Grant ausgezeichnet worden. Jeder von ihnen erhält für seine Forschungsprojekte 3,5 Millionen Euro.

 

André Bächtiger erforscht die Zukunft der Demokratie

André Bächtiger beschäftigt sich mit der Zukunft der Demokratie im 21. Jahrhundert – auf der Erde und auf dem Mars. Dazu lässt er repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland den USA und Indien online mit Demokratieexperten über demokratische Werte wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit oder Effizienz diskutieren – und zwar in zwei Gruppen: einer Erde-Gruppe und einer Mars-Gruppe. Die Mars-Gruppe soll Demokratie auf dem roten Planeten designen, die Erde-Gruppe dasselbe im Kontext des eigenen Landes. Bächtiger, der den Lehrstuhl für Politische Theorie und Empirische Demokratieforschung am Institut für Sozialwissenschaften innehat, erwartet von den Mars-Gruppen in den drei Ländern radikalere Vorschläge für die Zukunft der Demokratie als von den Erde-Gruppen. Für politische Entscheidungsträger sei es wichtig, zu wissen, wie Bürger sich Demokratie wünschen, da diese künftig nur mit deren Beteiligung erfolgreich umgesetzt werden könne. Ziel sei, solche Prozesse zu systematisieren.

Oliver Röhrle will die neuronale Muskelansteuerung entschlüsseln

Oliver Röhrle erforscht, wie Muskeln neuronal angesteuert werden. Diese neuronale Aktivierung von Skelettmuskeln will er mit seinem Team mittels Quantensensoren und datengesteuerten Simulationsansätzen entschlüsseln – und zwar nichtinvasiv. Bisher untersuche man das menschliche neuromuskuläre System, indem man das elektrische Potenzial des Muskels messe und verarbeite. Doch der Nachteil sei, dass aufgrund der elektrischen Eigenschaften des Körpers das Signal verzerrt werde. Magnetische Felder hingegen könnten biologisches Gewebe ohne Formveränderungen durchdringen. Deren Messung erfordere hochempfindliche Geräte, die mit den neuen Quantensensor-Technologien erstmals zur Verfügung stünden. Röhrle verspricht sich davon etwa in der Medizin völlig neue Chancen für Diagnose und Behandlung, aber auch neue Trainings- und Reha-Methoden. Ziel sei der Aufbau eines Messsystems samt neuartiger Bildgebungsmethoden. Röhrle leitet das Institut für Modellierung und Simulation Biomechanischer Systeme und ist Forschungsleiter im Exzellenzcluster Daten-integrierte Simulationswissenschaft (Simtech).

Rektor Ressel sieht Profilbereiche der Uni Stuttgart gestärkt

Für Röhrle ist es bereits der zweite ERC-Grant, einen ERC-Proof-of-Concept Grant hat er schon. Bächtiger konnte als erster Sozialwissenschaftler der Uni Stuttgart einen ERC-Grant einwerben. Rektor Wolfram Ressel sieht darin nicht nur die Stärke der Uni in der Grundlagenforschung bestätigt, sondern auch die strukturbildenden Entwicklungen der letzten Jahre in den Profilbereichen Quantentechnologien, Simulationswissenschaft und Sozialwissenschaften. Insgesamt seien derzeit nun zwölf laufende ERC-Grants an der Uni Stuttgart angesiedelt.