Stuttgarter Frühlingsfest Familiensache Wasenwirt

Festwirte: Andrea, Fritz und Armin Weeber (von links) Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Weebers sind eine weitverzweigte schwäbische Schaustellerdynastie. Vor 130 Jahren war schon der Ururopa auf dem Wasen. Nun führen die Geschwister Armin, Fritz und Andrea Weeber ihren Festzeltbetrieb, den Wasenwirt, beim Stuttgarter Frühlingsfest ins 40. Jahr.

Stuttgart - Die Geschichte hat ihren Ursprung in grauer Vorzeit. Und man kann die Leidenschaft und Passion von Andrea (50), Fritz (48) und Armin (45) Weeber für ihren Beruf nur verstehen, wenn man ihre Wurzeln kennt. Sie stammen aus einer schwäbischen Schaustellerdynastie, die Jahrhunderte zurückreicht. Es gibt eine Uhr mit einem Sprungdeckel, in die eingraviert ist: „Carl Weeber, Bäckermeister und Carousellbesitzer 1827“. Verbürgt ist, dass der Ururgroßvater mit einem Pferdekarussell 1888 erstmals auf dem Wasen war. Oma Olga stammt aus dem Berliner Circus Renz, das war der erste reisende Zirkus Deutschlands.

 

Macht Karussells aus Bomben

Als Olgas Mann Max 1946 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkam, stand die Familie vor dem Nichts. Alles bis auf ein Kettenkarussell war zerbombt und verbrannt. Doch Schausteller sind zäh und findig. Aus alten Bomben baute Max Weeber Raketen mit Sesseln und hatte so ein neues Karussell. Eine selbst gebaute Eisenbahn kam hinzu. Weil der Vater die Lok lenkte, die Mutter an der Kasse saß, machte Sohnemann Max-Rudi seinen Mittagsschlaf im Tender der Lok, während sie Runde um Runde fuhr. Bald passte er nicht mehr in den Tender und musste mitschaffen. Man wird schnell erwachsen in der Welt des Rummels.

Noch nicht mal volljährig, gründete Max-Rudi 1961 mit seiner zukünftigen Frau Gisela ein eigenes Geschäft und kam mit der Mandelbrennerei zum Volksfest. Spielautomaten kamen hinzu, Losbuden, der Imbiss Fischers Fritz. 1978 begann er mit seinem Onkel Alfred und dem Festwirt Paul-Heinz Langlotz Volksfeste zu veranstalten, etwa in Böblingen. Langlotz war der original Wasenwirt, betrieb eines der Zelte auf dem Wasen. Bis er nicht mehr wollte. Doch die Verträge waren unterschrieben, man brauchte dringend ein Zelt und einen Wirt. Max-Rudi Weeber sprang ein. „Ich habe meine Frau gefragt, und sie hat gesagt: Gut, aber nur einmal! Sie dachte: ein Fest. Geworden ist daraus: ein Leben lang“, erzählte er mal. Max-Rudi Weeber wurde der neue Wasenwirt.

Die Kinder waren im Internat

40 Jahre später leiten nun seine Kinder den Betrieb. Lange schon vor dem Tod der Eltern – Max-Rudi starb 2015, nicht lange nach seiner Frau – haben sie mitgeschafft, eigentlich von Kindesbeinen an, in den Ferien wartete nicht der Urlaub, sondern die Arbeit. Sie waren auf dem Internat in Schwäbisch Gmünd – ein christliches, geleitet von Nonnen, mit mitunter wenig christlichen Methoden. „Wir haben in Schlafsälen geschlafen, um 20 Uhr musste Ruhe sein“, erinnert sich Fritz Weeber, „wer keine Ruhe gab, musste eine Stunde in der Ecke stehen.“ Vier Wochen am Stück waren sie dort, einmal im Monat durfte man am Wochenende nach Hause. Doch was heißt schon „zu Hause“ für Schaustellerkinder? Die Eltern waren unterwegs auf 14 Festplätzen in Deutschland, bis nach Hamburg zum Dom ging es. Fritz Weeber: „Als Kind war das spannend, wir haben immer mitgearbeitet.“ Das war ein Muss, natürlich, aber als Pflicht empfanden sie das nie. Von der Pike auf haben sie den Beruf gelernt, vom Staplerfahren über das Reparieren der Elektrik bis zum Bierzapfen können sie alles, was in einem Zelt mit 4200 Sitzplätzen so anfällt. Niemals könnten sie sich vorstellen, was anderes zu machen, sagen sie unisono.

Der Betrieb stand vor dem Aus

Obwohl es bittere Zeiten gab. „Wir haben jede Mark ins Geschäft gesteckt und von der Hand in den Mund gelebt“, hat Vater Max-Rudi mal erzählt. „Mit 60 haben wir das erste Mal Urlaub gemacht.“ Zwischenzeitlich sei man fast pleite gewesen, „wir hatten 7,7 Millionen Mark Schulden, konnten mit Müh und Not die Zinsen zahlen“. Fritz Weeber erinnert sich gut daran. „Das Volksfest war zu Ende, und wir hatten 2000 Mark in der Kasse.“ Das musste reichen bis zum Weihnachtsmarkt in Ludwigsburg, bei dem sie bis heute einen Stand haben. Als Fritz und Armin Ende der 90er Jahre endgültig in den Betrieb einstiegen, verordneten sie eine Schrumpfkur. Sie beendeten die langen Touren, die mit immensen Kosten einhergingen für Transport, Abbau und Aufbau. „Da haben wir draufgelegt.“ Heute reisen sie noch nach Ravensburg, Oberkirch und bauen beim Frühlingsfest und Volksfest ihr Zelt auf – das keine Ähnlichkeit mehr hat mit seinen Vorgängern. Die waren gezimmerte Trinkhallen. Es gab keinen Boden, die Tische und Bänke hat man in den Boden gepflockt. Heute stecken sie jedes Jahr allein 200 000 Euro in Reparaturen und Verschönerungen.

Ein Imbiss ergänzt das Angebot

Andrea ist für die Küche verantwortlich, Fritz fürs Zelt, und Armin kümmert sich dieses Jahr vor allem um den neu gestalteten Imbiss, der gegenüber des Zeltes steht. Ein guter Platz. Alkohol macht Hunger. Wer beim Zapfenstreich nach Hause geht, nimmt noch eine Wurst oder Pommes mit auf den Weg. So groß ist der Andrang, sagt Armin Weeber, dass jede Nacht die Platzordner die Wartenden verscheuchen müssen, weil sie den Wasen endlich leer haben wollen.

Und wie ist das so, mit den Geschwistern zu arbeiten? „Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir sitzen zusammen und wir raufen uns zusammen“, sagt Andrea Weeber. Offenbar funktioniert das gut. So gut, dass die Kinder auch mitmischen. Marcelo und Laurin, beide Mitte 25, verdienen sich die ersten Sporen. Die nächste Generation steht bereit. Die Familiengeschichte geht weiter.

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