Seit 2010 hat Kämmerer Föll die Rücklagen mit 1,8 Milliarden Euro bedient. Auch die Barkasse ist gefüllt.

Stuttgart - Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte bei der Präsentation des Jahresabschlusses 2016 seinem Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) ein „sehr zufriedenstellendes Ergebnis“ attestiert. Der Kassenwart winkte aber ab: Der Überschuss von 231 Millionen Euro sei der „Normalfall“ – im Vorjahr seien es 14 Millionen Euro mehr gewesen. Die Gewerbesteuerquote sei niedriger als je zuvor, und die Zeiten würden auch wieder schlechter.

 

Föll dachte wohl schon an die Sitzung des Verwaltungsausschusses am Mittwoch, in der die Fraktionen ihre Bewertungen vornehmen. Der Tenor wird eindeutig sein: Dieses Ergebnis, das die Landeshauptstadt einmal mehr in die Lage versetzt, Geld auf die hohe Kante zu legen, kann man einfach nicht mehr klein rechnen.

Stadt schiebt riesige Bugwelle vor sich her

Längst ist es so, dass gar nicht so viel Geld ausgegeben werden kann, wie es der Gemeinderat alle zwei Jahre bei den Etatberatungen beschließt. Die Bugwelle bei Investitionen beläuft sich auf mehr als eine halbe Milliarde Euro. Was die Investitionskraft angeht, ist der so genannte Zahlungsmittelüberschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit von Bedeutung: 2016 lagen die Einzahlungen aufs städtische „Girokonto“ um 460 Millionen Euro höher als die Auszahlungen. Damit sah sich die Stadt in der Lage, 367 Millionen Euro zu investieren. Dabei konnte sie auf die geplante Kreditaufnahme von rund 154 Millionen Euro fast komplett verzichten. Rund 35 Millionen Euro lieh sich Föll nur deshalb von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, weil er sie zum Nulltarif bekam. Berücksichtigt man die Tilgungsleistung von acht Millionen Euro, steht die Stadt nun mit 59 Millionen in der Kreide, davon ist der Großteil zinsfrei. Viel höher verschuldet sind die kommunalen Eigenbetriebe: mit 632 Millionen Euro. 208 Millionen Euro davon haben sie sich allerdings bei der Stadt geliehen.

Weniger Wein in Flaschen mindert Vermögen

Wie vermögend war die Stadt nun Ende 2016, und wo bunkert sie die Überschüsse? Die wesentlichen städtischen Werte sind im Sach-, sowie im Finanzvermögen auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen, deren Summe auf 9,63 Milliarden Euro gewachsen ist. Das Sachvermögen – dazu zählen Grundstücke, Straßen, Brücken, Kanäle, Brunnen Kunstgegenstände, Maschinen, technische Anlagen, Fahrzeuge, Vorräte und Anlagen im Bau – beläuft sich auf 4,65 Milliarden Euro, das sind 108 Millionen Euro mehr als 2015. Die Stadt hat Grundstücke gekauft, etwa Teile des Hansa-Areals in Möhringen. Außerdem hat sie Kunstgegenstände erworben (65 000 Euro) – und außerdem ein Kunstwerk im Wert von 7000 Euro wiedergefunden. Allerdings waren Kunstgegenstände für 8000 Euro wegen Unauffindbarkeit ausgebucht worden. 200 000 Euro weniger resultieren aus dem Umstand, dass das Weingut weniger Wein in Flaschen abgefüllt hat.

Das Finanzvermögen beträgt 4,46 Milliarden Euro (plus 261 Millionen). Darunter versteht man im Wesentlichen Unternehmensbeteiligungen (1,7 Milliarden Euro) und Wertpapiere (1,65 Milliarden). Die Spezialfonds seien über die Laufzeit mit zwei bis drei Prozent pro Jahr verzinst, erklärte der Kämmerer. Für Festgelder gab es nur 0,02 bis 0,15 Prozent. Negativzinsen seien nicht angedroht worden. Zum Vermögen zählt auch das Bare in der Kasse (283 Millionen). Vor zwei Jahren hat die Verwaltung beschlossen, die eiserne Reserve zur Sicherstellung laufender Auszahlungen von 70 auf 120 Millionen Euro zu erhöhen. Den Barbestand zu potenzieren, ist eine von Fölls kreativen Ideen dafür, Mittel in erheblichem Umfang dem direkten Zugriff der Stadträte zu entziehen.

145 Millionen für Steuerausfülle zurückgelegt

Die Passivseite der Bilanz beschreibt die Zusammensetzung des Kapitals. Auf rund sechs Milliarden Euro beläuft sich das Basiskapital, das Grundvermögen der Stadt. Von besonderem Interesse sind jetzt neben den vorgeschriebenen Rückstellungen (460 Millionen) für Unvorhergesehenes wie undichten Abfalldeponien oder Gewerbesteuererstattungen (145 Millionen Euro sind 25 Prozent des Gesamtaufkommens) vor allem die seit 2010 durch Überschüsse angesparten Rücklagen von 1,8 Milliarden Euro. 2016 flossen 219 Millionen Euro hinein, 2015 sogar 332 Millionen Euro.

Mittlerweile besteht die Möglichkeit, innerhalb dieser Rücklagen über so genannte „davon-Positionen“ Mittel für einen bestimmten Zweck zu reservieren. 588 Millionen Euro wurden so konkret gebunden. 172 Millionen Euro sind für S 21 reserviert. Weitere Projekte sind die Förderung des ÖPNV (72,5 Millionen) die Wohnungsbauförderung (16 Millionen) und das Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung (25 Millionen). Um das defizitäre Klinikum glattzustellen, werden 40 Millionen Euro aufgewendet; 16 Millionen davon hätten in Tranchen bezahlt werden können, doch nun wird die Schuld auf einmal getilgt.

Für die erst Ende des Jahrzehnts angepeilte Opernsanierung sind 40 Millionen Euro zurückgelegt. Dass das Projekt die Stadt 200 Millionen Euro kosten könnte, macht Kuhn und Föll nicht bange: Den Differenzbetrag spült es 2019 in die Kasse, wenn die „Bad Bank“ aufgelöst wird, die in der Finanzkrise zur Absicherung von Schrott-Wertpapieren im LBBW-Portfolio gegründet worden war.