3,8 Millionen Euro Drittmittel im Jahr wirbt die Stuttgarter Hochschule für Technik mit ihren Forschern ein, zwei Großprojekte zur klimaneutralen und zur intelligenten Stadt hat sie an Land gezogen. Doch hohe Lehrdeputate und das fehlende Promotionsrecht begrenzen die Forschungsaktivitäten.

Stuttgart - Wer weiß schon, dass sich auf dem Dachgarten der Hochschule für Technik (HFT) mitten in der Innenstadt ein Teststand befindet, mit dem die Komponenten einer Klimaanlage optimiert werden? Die vier Module bieten auf der Vorderseite Fotovoltaik, auf der Rückseite fließt Wasser durch aufgeklebte mäandernde Röhrchen. Sie können tags wie nachts betrieben werden und Wärme oder Kälte erzeugen – ganz ohne Strom. „Das ist ein Versuch für dicht besiedelte Städte mit wenig Platz auf dem Dach für Solarerzeugung“, erklärt Ursula Eicker. Also Städte wie Stuttgart.

 

Die habilitierte Professorin für Bauphysik leitet das Institut für Angewandte Forschung an der HFT. Dessen sieben Kompetenzzentren arbeiten an Drittmittel-geförderten Forschungsvorhaben. Zu den Schwerpunkten gehören das Reallabor klimaneutraler Campus und das Projekt Intelligente Stadt i_city. Und dabei geht es immer auch um Anwendung. „Wir werden so ein System auf dem Dach der Hofdiener-Garage einrichten“, erklärt Eicker zu der solarbetriebenen Klimaanlage – „damit wollen wir unser Rechenzentrum kühlen“. Transfer ist Trumpf an der HFT.

„80 Prozent unserer Forschungsthemen befassen sich mit dem Themenfeld Energieeffizienz“, sagt Eicker. Also: Wie gestaltet man ein Gebäude so effizient wie möglich? Wie versorgt man es mit erneuerbaren Energien? Wie bringt man die Nutzer dazu, sich so nachhaltig wie möglich zu verhalten? Und wie entwickelt man Methoden, um solche Systeme in Stadtquartieren zu verankern und sie intelligent zu vernetzen? Daran tüfteln 40 der 125 Professoren an der HFT – nämlich diejenigen, die als „forschungsaktiv“ gelten. Das ist an Hochschulen mit angewandter Forschung (HAW) noch keinesfalls die Regel, auch wenn Forschung seit 2014 auch für die ehemaligen Fachhochschulen als Dienstaufgabe im Landeshochschulgesetz verankert ist.

Technikhochschule forscht auch über E-Bike-Ausleihsysteme

Auf die 3,8 Millionen Euro an Drittmitteln, die die HFT im Jahr 2015 eingeworben habe, ist Rektor Rainer Franke stolz. „Wir zählen zu den zehn forschungsstärksten HAWs in Deutschland“, sagt er mit Blick auf den Erfolg beim bundesweiten Wettbewerb FH-Impuls, „eine Art Exzellenzwettbewerb im kleineren Maßstab“. 5,4 Millionen Euro auf fünf Jahre hat die Technikhochschule für ihr Konzept zur intelligenten Stadt abgesahnt. Davon stamme ein Fünftel von Industrieunternehmen aus der Region, darunter auch Bosch und der IT-Dienstleister TSS – eine Daimlertochter. Eines der Teilprojekte von i_city befasse sich auch mit dem Thema Mobilität, unter anderem mit E-Bike-Ausleihsystemen. „Es geht zum Einen um die Logistik und Einbindung in eine zentrale Software-Plattform“, erklärt Eicker. „Wir wollen aber auch schauen, wie man die Energiespeicher in den Rädern intelligent lädt – und wir wollen die Barrieren für mögliche Startups in diesem Bereich senken.“ Die Professorin betont: „Wir können im Bereich nachhaltige Stadtentwicklung das komplette Spektrum abdecken.“

Auch die Internationale Bauausstellung (Iba) sieht sie „als Chance, solche Projekte zu machen“. Unter anderem plane die Hochschule, mit Hilfe von 3D-Stadtmodellen klimaneutrale Stadtquartiere mit integriertem Verkehrskonzept für die Metropolregion Stuttgart zu entwickeln. Studierende seien vorrangig über Projekt- und Abschlussarbeiten eingebunden. Derzeit bereite man den nächsten Antrag vor – bei der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule, in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart und dem Iba-Projektbüro. Der Zuschlag könnte zehn Millionen Euro bringen.

Doch es gibt bei der Forschung auch Hürden. So hätten HAW-Professoren im Unterschied zu ihren Kollegen an den Universitäten ein mit 18 Wochenstunden hohes Lehrdeputat, zudem fehle ein akademischer Mittelbau – „das sind schwierige Voraussetzungen“, meint Franke. Hinzu komme: für die 90 Mitarbeiter, die an den insgesamt 65 Forschungsprojekten arbeiten, seien der Hochschule keine Fläche zugewiesen worden. „Die Flächen werden bisher rein über die Zahl der Studierenden zugewiesen“, sagt Eicker. „Also konnten wir weniger studentische Arbeitsplätze ausweisen, als wir wollten“, ergänzt Franke.

Fehlendes Promotionsrecht bremst Forschungsaktivitäten

Doch die Forschungsaktivitäten der HFT haben noch weitere Folgen: „Ich kriege ständig Anfragen von Leuten, die promovieren wollen“, berichtet Eicker. „Denen sage ich: Wir haben kein Promotionsrecht – das ist ein Nadelöhr.“ Das Promotionsrecht liegt nach wie vor bei den Unis. Und deren Begeisterung, HAW-Studierende als Doktoranden zu betreuen, hält sich naturgemäß in Grenzen.

Inzwischen hätten sich die mehr als 100 forschungsstärksten HAW-Professoren landesweit im Zentrum für angewandte Forschung zusammengeschlossen. „Wir stellen uns einer Qualitätssicherung“, sagt Franke. „Wir könnten auch Doktoranden betreuen“, so der Rektor. Er sieht die Voraussetzungen für eine Umsetzung der sogenannten Experimentierklausel für gegeben an und hofft auf einen Schritt von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). „Für unsere Spitzenleute brauchen wir Perspektiven“, sagt Franke.