Eine Woche lang war der Stuttgarter Serkan Eren vom Verein Stelp an der griechisch-türkischen Grenze, um dort Geflüchteten durch den Alltag zu helfen. Für das Engagement im Krisengebiet setzte er sogar seine Gesundheit aufs Spiel.

Stuttgart - Von einem Krisengebiet ins nächste: Noch vor einer Woche stand Serkan Eren an der griechisch-türkischen Grenze, versuchte dort in einer unübersichtlichen Lage seine Hilfe anzubieten und Tausenden geflüchteten Syrern einen Funken Hoffnung zu schenken. Nun ist er wieder zurück in seiner deutschen Heimat – mit Blick auf das Coronavirus wird die von vielen mittlerweile auch als Krisengebiet bezeichnet.

 

Was Serkan Eren bei seinem jüngsten Einsatz für den Stuttgarter Hilfsverein Stelp erlebt hat, ist wohl trotz allem schwer mit der europäischen Corona-Krise zu vergleichen. Wenn Eren erzählt, dann berichtet er von einem angezündeten Kleiderlager für Flüchtlinge, von unzumutbaren Zuständen in den Lagern und weinenden Inselbewohnern auf Chios. Die schönen Seiten seines Einsatzes vergisst er trotzdem nicht: Das Spielplatzprojekt, ein Auftritt als Magier mitten im Lager, der Einblick in eine improvisierte Schule für Geflüchtete – wenn er die Sonnenseiten seines Engagements aufzählt, dann leuchten seine Augen, und er plädiert lebhaft für bessere Zeiten an der Grenze.

Rechtsextreme Anschläge werden zunehmend zum Problem

„Ich bin sehr zufrieden mit dem Einsatz. obwohl er mir viel abverlangt hat“, fasst Serkan Eren seine Mission in Griechenland zusammen. Diese trat er einmal mehr für den Verein Stelp an, den er 2016 mitgründete und der seitdem in Krisenherden weltweit seine spendenfinanzierte Unterstützung anbietet.

Bereits vor seiner Abreise hatten sich die Medienberichte zu rechtsextremen Anschlägen auf Flüchtlingslager gehäuft, zuweilen war von einer Art Protesttourismus für gewaltbereite Nationalisten die Rede. Es sind diese Bilder und Angstzustände, die Eren auch Tage nach der Rückkehr noch beschäftigen. „Die Angst war spürbar. Die Leute sprechen dort inzwischen leiser, schauen sich immer wieder um. Zur Flüchtlingshilfe bekennt sich niemand mehr öffentlich“, sagt der Stuttgarter. Er selbst habe auch Vorkehrungen treffen müssen und seinen türkischen Pass nie am Körper getragen – zu groß wäre die Gefahr gewesen, damit den Hass der griechischen Rechten auf sich zu ziehen. Der Extremfall blieb Serkan Eren aber erspart: „Eine offene Konfrontation habe ich glücklicherweise nicht erlebt.“

Eine Schule und ein Spielplatz für Flüchtlingskinder sind geplant

Genug zu tun gab es: Das Kleiderlager auf Chios, das zuvor einem Brandanschlag zum Opfer gefallen war, konnte Eren durch einen angemieteten Schiffscontainer ersetzen. Ein Konto bei einem Großhändler soll den Helfern vor Ort mehrere Wochen Lebensmittelkäufe für Bedürftige ermöglichen. Und auch im sozialen Bereich habe er vieles erreichen können, berichtet Eren nicht ohne Stolz. In einem Folgeeinsatz mit weiteren Freiwilligen von Stelp will er den Bau eines Spielplatzes auf Lesbos vorantreiben und einer Schule im Lager von Moria eine Zukunft ermöglichen. „Es gibt dort eine Bildungseinrichtung, die Flüchtlinge für andere Flüchtlinge aufgebaut haben. Doch leider muss das Provisorium neuen Zelten weichen.“ Mit Unterstützern habe er ein Grundstück außerhalb des Lagers ausfindig gemacht. „Da möchten wir nun für rund 14 000 Euro eine neue Schule bauen, mit sieben Klassenräumen und besserer Ausstattung als zuvor.“

Ob aus den Visionen des Stelp-Gründers bald Realität wird, hängt von einer unberechenbaren Variablen ab. „Auch wir spüren das Coronavirus. Wir wissen nicht, wann wir Einsätze fortsetzen können und wie wir vor Ort helfen sollen“, gibt Eren unumwunden zu. In den griechischen Flüchtlingslagern sei die Situation kaum besser: „Die Leute dort haben unter einem kalten Winter gelitten, viele tragen noch eine Lungenentzündung aus dieser Zeit mit sich herum.“ Während in den Lagern alle auf einen glimpflichen Ausgang der Virus-Krise hoffen, hat Eren seinen gesundheitlichen Tiefpunkt bereits hinter sich: Kurz nach dem Rückflug aus Lesbos musste er für zwei Tage ins Krankenhaus – ein körperlicher Zusammenbruch zwang ihn zum Innehalten. „Die Ärzte haben mich durchgecheckt, es geht mir gut“, versichert Eren. Ein Grund zum Aufhören ist das für den 35-Jährigen noch lange nicht. Auch in Zeiten von Corona wird Serkan Eren nicht zu stoppen sein – das zumindest verraten sein knitzes Lächeln und die Entschlossenheit, die er im Gespräch in jedes seiner Worte packt. Vorerst findet sein Engagement am Computer eine Fortsetzung.