Kaum ist irgendwo der Krieg beendet, nimmt das Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen Kontakte auf. Mit seinen Tourneeausstellungen will es mit den Menschen und Kulturen ins Gespräch kommen. So sind derzeit dreißig Ausstellungen zu Kunst, Design, Fotografie und Architektur aus der Ifa-Sammlung in der Welt unterwegs.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Manchmal sind es die kleinen Dinge, die besondere Freude bereiten. Vor neun Jahren zeigte das Institut für Auslandsbeziehungen eine Fotoausstellung in Kabul, begleitend dazu bot ein Berliner Fotograf einen Workshop für junge afghanische Journalisten an. Inzwischen arbeiten gleich mehrere dieser jungen Leute für internationale Fotoagenturen, ein Jugendlicher ernährt mit seiner Arbeit sogar seine ganze Familie. Das bestätigt, dass Kultur und Kulturaustausch etwas bewegen können, manchmal sogar ganz konkret.

 

Seit den sechziger Jahren reisen Ausstellungen des Instituts für Auslandbeziehungen (Ifa) durch die Welt. Zunächst wollte man damit beweisen, dass Deutschland auch ein zivisiliertes, Kultur liebendes Land ist. Hauptziel war damals Osteuropa – und die Kunst sollte zur Aussöhnung mit dem einstigen Kriegsgegner beitragen. Inzwischen hat sich der Radius erweitert; allein in den letzten zwei Jahren war das Ifa in 44 Ländern dieser Erde unterwegs. Nina Bingel organisiert mit fünf Kolleginnen und Kollegen von Stuttgart aus die Tourneeausstellungen, die längst nicht mehr der Aussöhnung dienen. „Es ist eine gute Möglichkeit, ins Gespräch und in Kontakt zu kommen“, sagt Bingel, „man kann die Denkweise des Gegenübers kennenlernen.“

Das ist nicht selbstverständlich. In den vergangenen Jahren war das Kredo der auswärtigen Kulturpolitik, Deutschland zu repräsentieren und den Weg zu ebnen für Wirtschaftsbeziehungen. Erst seitdem Frank-Walter Steinmeier Außenminister ist, geht es vor allem darum, in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen, miteinander zu sprechen. Deshalb reisen immer auch Kunsthistoriker oder Vermittler mit, die Seminare und Workshops für Kunststudenten oder Lehrer anbieten.

Die Ausstellungen sind oft mehr als zehn Jahre unterwegs

Dreißig Ausstellungen zu Bildender Kunst, Design, Fotografie und Architektur sind derzeit in der Welt unterwegs, bestückt aus der Ifa-Sammlung, die 23 000 Werke umfasst. Ob es Touren zu Sigmar Polke oder Otto Dix sind, Rebecca Horn oder Wolfgang Laub, die Ifa-Ausstellungen sind meist zehn oder gar 15 Jahre unterwegs und kommen auf sechzig, siebzig Stationen. Kein Leihgeber würde seine Bestände so lange weggeben, deshalb müssen die Werke angekauft werden. Oft kommen die Künstler dem Ifa dabei aber entgegen, schließlich ist es für sie eine tolle Chance, ihre Arbeit in der Welt bekannt zu machen. Günther Uecker etwa ließ es sich nicht nehmen, den Aufbau seiner Tourneeschau kreuz und quer auf der Welt zu begleiten. Die Museen vor Ort waren glücklich, ihn persönlich kennenlernen zu können.

Wohin reisen die Ausstellungen, wohin nicht? „Wenn der Kulturaustausch auch ohne uns funktioniert, müssen wir da nicht hin“, sagt Nina Bingel. Deshalb geht das Ifa in der Regel nur dorthin, wo die deutschen Museen nicht vertreten sind, etwa, weil die Kurierbegleiter zu teuer wären oder die Versicherungssummen hoch. Restauratoren legen auch ihr Veto ein, wenn eine Museumsausstellung zum Beispiel nach Indien reisen soll und die klimatischen Bedingungen dort nicht den Anforderungen entsprechen. „Oft wird die Klimaanlage nachts ausgeschaltet, sie ist ja für die Aufsicht“, erzählt Bingel. Das Ifa fährt trotzdem – aber zu einer Jahreszeit, die den Werken weniger zusetzen kann.

Zu Syrien ist der Kontakt abgebrochen

Anders als die deutschen Museen reist das Ifa-Team auch in Länder, in denen die politische Lage schwierig ist – wie etwa Pakistan. Im vergangenen Jahr wurde eine Auswahl an Arbeiten von Georg Baselitz in Nigeria gezeigt – die Ifa-Beauftragten wurden mit gepanzerten Fahrzeugen der Deutschen Botschaft abgeholt. In akute Krisengebiete geht man dagegen nicht. 2006 war das Ifa zuletzt in Syrien tätig, im Jemen war man 2008 zum letzten Mal. Sobald sich die Lage in Krisengebieten beruhigt hat, nehmen Bingel und ihre Kolleginnen den Kontakt wieder auf. Im vergangenen Jahr war die Ausstellung zu Sigmar Polke in Alexandria. Mit einer Istanbuler Galerie ist für Ende des Jahres geplant, die Ausstellung von Arno Fischer zu zeigen. Im Moment geht Bingel davon aus, dass sie stattfinden wird.

Off-Spaces in Afrika

Das Ifa zahlt den Transport – je nach Ausstellung sind das fünf oder auch mal 99 Kisten. Das ist für viele Einrichtungen attraktiv, zumal sie nicht ohne weiteres an eine große Polke- oder Gerhard-Richter-Ausstellung kämen. Meistens arbeitet das Ifa mit Museen zusammen, in Indien oder Australien sind es häufig auch Universitätsgalerien. In Mumbai hat das Goethe-Institut eine neue Galerie. „Afrika ist immer noch schwierig“, sagt Nina Bingel, „aber es gibt inzwischen Off-Spaces, die von der Kunstszene initiiert sind und die froh sind, internationale Kunst zu sehen.“

Bei der Konzeption einer neuen Ausstellung versucht das Ifa zunehmend, auch lokale Positionen einzubeziehen, damit ein echter kultureller Austausch stattfinden kann. In Afrika brauche man einen lokalen Aufhänger, um das Interesse zu wecken. So waren die Holzdrucke von Baselitz in Nigeria vor allem deshalb erfolgreich, weil die Technik des Holzschnitts ein der eigenen Kunst eine große Rolle spielt.

Einmal im Jahr reist Nina Bingel selbst in Ausland. Zuletzt hat sie die Ausstellung „Weltreise“ nach Israel begleitet, die im ersten Museum in einem Kibbuz gezeigt wurde sowie in einem arabischen Ort, der bis dahin von der israelischen Bevölkerung gemieden wurde. Nachdem das Ifa kam, das die Ausstellungsorte gemeinsam mit dem Goethe-Institut Tel Aviv vorbereitet hatte, wagten sich auch einige israelische Studenten in den arabischen Bezirk – „und sie werden wieder hingehen“, sagt Bingel und freut sich, dass man diese Begegnung ermöglicht hat. „Wenn das funktioniert“, sagt sie, „ist es toll.“