Der Stuttgarter IT-Dienstleister GFT verdoppelt mit der Übernahme von Targens sein Deutschlandgeschäft. Firmenchefin Lulay geht es um den Markt – und die Fachkräfte.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Der Stuttgarter IT-Dienstleister GFT Technologies übernimmt die Targens GmbH, eine auf IT spezialisierte 100-prozentige Tochtergesellschaft der baden-württembergischen Landesbank LBBW. Das teilen GFT und LBBW mit. Die Übernahme soll zum 1. April erfolgen; sie steht noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch das Bundeskartellamt. GFT zahlt für das Unternehmen, das 2021 44 Millionen Euro umsetzte, einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag, sagte GFT-Vorstandschefin Marika Lulay unserer Zeitung.

 

„Einsparungen sind dabei nicht geplant. Wir setzen voll auf Wachstum“, erläuterte sie. GFT, das auf Software für die Finanzwirtschaft spezialisierte Stuttgarter Unternehmen, wächst gerade rasant. 2021 stieg der Umsatz des im Börsenindex S-Dax notierten Unternehmens um 28 Prozent, für 2022 hat der IT-Dienstleister ein Wachstum in ähnlicher Größenordnung auf dann etwa 730 Millionen Euro angekündigt. Das bereinigte Betriebsergebnis soll um ein Viertel auf über 80 Millionen Euro steigen.

„Mit der Übernahme von Targens verdoppeln wir unser Geschäft in Deutschland“, erläutert Lulay nun. Deutschland spielt derzeit bei der GFT keine große Rolle – mehr als 92 Prozent der Erlöse kommen aus dem Ausland. Das zeigt sich auch bei den Mitarbeitern: Mehr als 95 Prozent der weltweit über 10 000 Beschäftigten und freien Mitarbeiter arbeiten nicht in Deutschland. Dafür beschäftigt GFT in Spanien knapp 2000 oder in Brasilien an die 3000 Mitarbeiter.

300 Targens-Mitarbeiter kommen hinzu

Zu den etwa 400 Beschäftigten der GFT in Deutschland kommen nun etwa 300 Mitarbeiter von Targens hinzu. Gemeinsam sollen sie die neue GFT in Deutschland mit einem kumulierten Umsatz von an die 100 Millionen Euro bilden. Die Stuttgarter Büros von Targens, etwa an der Calwer Straße, sollen erhalten bleiben. Targens ist bis jetzt fast ausschließlich auf dem deutschen Markt aktiv. Für die bisherige LBBW-Tochter sei die Übernahme eine Chance, weil die Kompetenzen des Unternehmens auf dem Weltmarkt sehr gefragt seien – und GFT die globale Aufstellung habe, um dieses Potenzial zu nutzen. Mit Targens, die voll in die Strukturen der GFT integriert werden soll, wird GFT Deutschland im internen Umsatzranking nach vorne rücken. Mittel- bis langfristig werde die relative Bedeutung aber wieder sinken, da das organische Wachstum außerhalb Deutschlands wesentlich stärker sei.

„In Deutschland wird IT nicht richtig verstanden“

„In Deutschland wird IT nicht richtig verstanden. Es wird zu wenig investiert, und es wird nur halbherzig ausprobiert“, bemängelt die GFT-Chefin. Daraus entstünden bei vielen deutschen Unternehmen „technologische Schulden“, die im internationalen Vergleich über die Zeit eher größer als kleiner würden. „GFT ist vor allem deshalb so stark im Ausland, weil dort zweistellige Wachstumsraten an der Tagesordnung sind“, sagt Lulay. Dort gebe es eine größere Bereitschaft, Dinge kurzfristig auszuprobieren. In Deutschland hingegen herrsche „viel Klein-Klein“, und diverse Gremien müssten eingebunden werden; dadurch dauerten Projekte oft so lange, „dass sie zum Startzeitpunkt nicht mehr modern sind“. Die Sicherheitsorientierung der Kunden bei Projekten sei hierzulande viel höher als anderswo, was Geld und Zeit verschlinge.

Einer der Treiber für die Transaktion sei die durch die Übernahme stark intensivierte Geschäftsbeziehung zur LBBW gewesen. Nach Einschätzung Lulays werden künftig die Deutsche Bank und die LBBW die größten GFT-Kunden in Deutschland sein. Noch vor der Coronapandemie war GFT mit fast der Hälfte des Umsatzes von der Deutschen Bank abhängig. Dieser Anteil sinkt nun auf unter 15 Prozent.

Targens lockt mit begehrtem Personal – und einem Produkt

Interessant ist Targens für die GFT auch wegen eines Produkts („Smaragd Compliance Suite“) im Bereich gute Unternehmensführung und Geldwäsche. Das sei bereits an viele Banken in Deutschland verkauft worden und sei auch perspektivisch für die Industrie interessant, etwa bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Ein größeres Geschäft mit Industrieunternehmen neben Banken und Versicherungen ist seit Langem ein Ziel von Lulay. Die Lizenzeinnahmen, die mit Smaragd zu erzielen seien, sind für sie „die Kirsche auf der Torte“.

Die GFT-Chefin verhehlt nicht, dass in Zeiten des Fachkräftemangels auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Targens ein wesentlicher Grund für die Übernahme sind. Wie andere Technologieunternehmen verzeichnet auch GFT eine hohe Fluktuation, die weltweit bei an die 20 Prozent pro Jahr liege, je nach Land aber auch deutlich höher.

Von Halteprämien für die neuen Mitarbeiter hält Lulay gleichwohl nichts. „Die wirken nur kurzfristig, wie Doping.“ Entscheidend sei, dass sich die neuen Mitarbeitenden nach einigen Monaten aktiv für den Verbleib im neuen Unternehmen entschieden. „Tun sie das nicht, gibt es nichts, um sie von einer Kündigung abzuhalten.“