Im Juni fegte ein Sturm mit Namen Kirchentag über Stuttgart hinweg. Mittendrin im Geschehen: Stefan Hoffmann, dessen Kirche Tukul das Event überdauert hat. In unserem Jahresrückblick erinnert er sich an eine besonders stürmische Nacht.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Fans mit rot-weißen Schals hatten Stuttgart in der ersten Juni-Woche fest in ihrer Hand. Fast 100 000 Dauergäste verwandelten den Kessel bei Temperaturen von bis zu 40 Grad in einen riesigen Gesprächskreis, der trotz der Hitze niemals hitzig wurde. Man kam in den Stadtbahnen, die sich im Juni wie rollende Saunen anfühlten, mit wildfremden Menschen ins Gespräch. Die Fans mit den rot-weißen Schals waren keine VfB-Anhänger, sondern die Besucher des Evangelischen Kirchentags, der zum vierten Mal in Stuttgart stattfand.

 

Mitten im Auge des Orkans namens Kirchentag, der die Stadt im Sturm nahm: Stefan Hoffmann. Der großgewachsene 44-Jährige ist beim Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (EJW) angestellt. Viel wurde vor dem Kirchentag darüber gesprochen, wie nachhaltig die Veranstaltung sein wird. Hoffmanns Team hat tatsächlich einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Kirchentags geliefert. Das EJW hat die Rundkirche Tukul gebaut, die nach dem Kirchentag für Gottesdienste verwendet werden kann. „Tukul ist ein äthiopisches Wort für Rundhütte“, erklärt Hoffmann bei einem Gespräch in seinem Wohnort Sindelfingen. Hoffmann hat einen starken Bezug zu Afrika. In Burundi hat der studierte Sozialpädagoge mit seiner Frau und seinen drei Kindern vier Jahre lang im Auftrag der Liebenzeller Mission gearbeitet.

Emotionale Übernachtung in der eigenen Kirche

Die Idee zu der Rundkirche hatten die ehrenamtlichen EJW-Mitglieder Lukas Pallmann, Martin Dipppon und Sven Kauer. Auf den rund 200 Quadratmetern fanden bis zu 100 Menschen Platz. Stefan Hoffmann hat hochemotionale Erinnerungen an seine Zeit im Tukul. „Einmal habe ich in der Kirche übernachtet, als wegen einer Sturmwarnung die Statik der Kirche angezweifelt wurde“, so Hoffmann. Die Hauptbühne des Kirchentags habe es bei dem Sturm verschoben, die Rundkirche habe aber gehalten, freut sich Stefan Hoffmann noch ein halbes Jahr später. Schläft man in der eigenen Kirche besser als im heimischen Bett? „Es war ein himmlischer Schlaf, und morgens bin ich direkt unter der Christus-Figur aufgewacht“, so Hoffmann.

„Damit wir klug werden“, lautete das Motto des Kirchentags. Wie hat der Kirchentag Stefan Hoffmann klug gemacht? „Die Begegnungen mit Christen aus der ganzen Welt, mit malaysischen Christen, die ihren Glauben in einem muslimischen Umfeld behaupten, waren bereichernd. Das internationale Bibellesen, das wir veranstaltet haben, bei dem man die Bibel mit den Augen der anderen lesen konnte, mit Christen aus Ghana oder Vietnam. Mit denen zu diskutieren, was bedeutet das im jeweiligen Kontext, war bereichernd“, schwärmt Hoffmann, um dann kurz etwas staatstragend zu werden: „Evangelische Jugendarbeit wurde als etwas Aktives, Relevantes, Gestaltendes wahrgenommen.“

Sollte der liebe Gott etwa größer sein als der Fußballgott?

Vom Kirchentag hat Hoffmann außer den eigenen Veranstaltungen nicht viel mitbekommen. „Mein Areal war das Tukul mit einem Radius bis zur S-Bahn und wieder zurück.“ Vielleicht hat Stefan Hoffmann den Kirchentag ja inhaltlich am wenigsten nötig gehabt, dessen Sinn auch ist, dass viele Strömungen der Kirche zusammenkommen und sich austauschen. Diesen Austausch lebt Hoffmann seit Jahren in seiner Arbeit für unterschiedlichste kirchliche Gruppen: „Ich fühle mich in der Kirche zuhause, egal ob in Wuppertal oder Burundi, und verstehe sie als etwas sehr Großes und Weites.“

Im Nachhinein kann man über den Sinn des Kirchentags in Stuttgart sicher streiten. Gemessen an den Besucherzahlen war er schwächer als die beiden Veranstaltungen zuvor, zu denen jeweils mehr als 120 000 Dauerbesucher kamen. Die streberhaften Pfadfinder konnten ganz schön nerven. Die Atmosphäre war aber eine besondere, eine offenere als zum Beispiel bei der WM 2006. „Das stimmt. Damals habe ich in einem christlichen Fancamp hier gearbeitet“, sagt Hoffmann. Sollte der liebe Gott etwa größer sein als der Fußballgott? Das wäre nun wirklich kaum auszuhalten.