Bevor Peter Pätzold (Grüne) zum neuen Bau- und Umweltbürgermeister von Stuttgart gewählt worden ist, hat es in der Stadt und im Rathaus eine monatelange Diskussion um Posten, Parteiproporz und Prioritäten gegeben.

Stuttgart - Regelmäßigen Besuchern des Umwelt- und Technikausschusses im Rathaus kommt es manchmal vor, als führe er schon seit Ewigkeiten den Vorsitz. Dabei hat Peter Pätzold (47) das Amt des Baubürgermeisters erst im September übernommen. Seither leitet der Grüne die Sitzungen unaufgeregt und überparteilich, und gelegentlich rügt er – jetzt ganz Verwaltungsmann – auch mal die eigene Fraktion. Dabei war der Weg vom Stuhl des Fraktionschefs auf die Bürgermeisterbank alles andere als ein Durchmarsch für den gelernten Architekten.

 

Als im Februar nicht ganz überraschend der langjährige Amtsinhaber Matthias Hahn (SPD) seinen Rückzug vom Amt nach den Sommerferien ankündigte, galt Pätzold umgehend als Favorit auf die Nachfolge, ohne dass er eigene Ambitionen angemeldet hatte. Da aber den Grünen als mal stärkster, mal zweitstärkster Kraft im Gemeinderat das Vorschlagsrecht für einen zweiten Bürgermeister neben Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle zustand, schien alles auf Pätzold zuzulaufen.

Widerstand in der Fraktion gegen die Nominierung

Doch die Frauen in der Grünen-Ratsfraktion meldeten eigene Ansprüche an: Sie hätten – ganz im Sinne der Grünen-Quote – lieber die 57-jährige Stadtplanerin und Weilimdorfer Stadträtin Gabriele Munk ins Rennen geschickt. Munk soll von Pätzolds Co-Sprecherin Anna Deparnay-Grunenberg, der Landesvorsitzenden und Ex-Stadträtin Thekla Walker sowie dem Grünen-Bundeschef Cem Özdemir protegiert worden sein. Als dann auch noch der Fraktionschef der SÖS-Linke-Plus, Hannes Rockenbauch, dafür plädierte, den Parteienproporz beiseite zu lassen und einen externen Fachmann zu suchen, war klar: Ein „gmähts Wiesle“ wird die Wahl zum neuen Bau- und Umweltbürgermeister nicht werden.

Auch aus der Architektenschaft, die schon den Amtsvorgänger Hahn als „Juristen“ geschmäht hatte, schlugen Pätzold Vorurteile entgegen. Unter anderem stellte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsident der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi einen Forderungskatalog an den „Neuen“ auf der Rathausbank auf. Die hiesige Architektenkammer verlangte eine Podiumsdiskussion mit allen Bewerbern, die sich zur Wahl stellten. Doch soweit kam es nicht.

Rückenwind von anderen Fraktionen

Zunächst zog Gabriele Munk – weil chancenlos – ihre parteiinterne Bewerbung zurück, die Grünen nominierten Pätzold als ihren Kandidaten. Anschließend erhielt er sogar Unterstützung aus den Reihen der CDU und der SPD: Man brauche keinen „Superarchitekten“, sondern einen, der sich in der Verwaltung auskenne und etwa die Abläufe bei Baugenehmigungen optimiere, so CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Er räumte zugleich ein, es gebe auch in seiner Fraktion Mitglieder, die etwa Pätzolds Kampf gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 in seiner Zeit als Stadtrat nicht vergessen hätten. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Körner erklärte, man akzeptiere das Vorschlagsrecht der Grünen für einen zweiten Bürgermeisterposten „ohne Wenn und Aber“.

Bei der Wahl im Juni war Peter Pätzold dann der einzige Kandidat. Weitere Bewerber waren vom Gemeinderat im Vorfeld ausgesiebt worden – ein Spitzenarchitekt oder Stadtplaner mit Auszeichnung soll nicht darunter gewesen sein. Und dennoch: Gerade einmal 35 Ja-Stimmen im 60-köpfigen Gremium entfielen auf Pätzold. Der machte das Beste daraus, lud Freund und Feind danach zum Sekt ein und versprach, er werde sich anstrengen, als Bürgermeister das Vertrauen des gesamten Gemeinderats zu gewinnen.

Mehrere Jahre Zeit, um eigene Akzente zu setzen

Sieben Jahre und acht Monate hat er nun Zeit dazu. Erste Akzente hat er bereits gesetzt: Ein sogenannter Gestaltungsbeirat wird installiert, der die Verwaltung in stadtplanerischen Fragen berät. Das von Parteifreund und OB Fritz Kuhn lange angekündigte Konzept „Stadt am Fluss“ hat Pätzold auf den Weg gebracht – und dafür fraktionsübergreifend Lob eingeheimst. Und beim Thema Interimsoper im Schlossgarten hat er sich hinter der Kulissen als Kritiker des Landes profiliert, das dem Wunsch des Intendanten nach einer fußläufig erreichbaren Ersatzspielstätte während der Sanierung der Oper nur allzu gern entsprechen würde.

„Zufrieden“ sei er mit dem bisherigen Verlauf der Amtszeit, so Pätzolds schlichtes Resümee des vergangenen Quartals. 2016 heißen die Herausforderungen Wohnungsbau und Feinstaub- und Stickoxidbekämpfung: Man darf gespannt sein, gegen wen sich der „Neue“ dann behaupten muss.

Was sonst noch im Mai geschah

2. Mai
: Die Taxizentrale erringt am Landgericht einen Erfolg gegen den Fahrdienstanbieter Uber. Das Unternehmen wird den Service in Stuttgart, Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen nicht anbieten.

4. Mai:
Nach dem 2:3 gegen Schalke bleiben dem VfB Stuttgart nur noch drei Spieltage, um sich vor dem Absturz in die zweite Liga zu retten.

10. Mai:
In Wangen wird das erste Stuttgarter Minarett eröffnet. Der 15 Meter hohe Turm ist der erste seiner Art in der Landeshauptstadt.

17. Mai:
Bei der ersten Pegida-Demo in Stuttgart hält die Polizei mit einem massiven Aufgebot mehrere Tausend Gegner und 200 Pegida-Anhänger voneinander getrennt.

20. Mai
: Der Bau des Rosensteintunnels verteuert sich um rund 40 auf 270 Millionen Euro. Der Boden bereitet den Tunnelbauern mehr Probleme als ursprünglich gedacht.