Wie war das nochmal, als an den Wagenhallen die Sanierung begonnen hat? Robin Bischoff vom Kunstverein Wagenhalle erinnert sich – die Stimmung war anfangs ähnlich frostig wie die Temperaturen.
Stuttgart - Mittlerweile ist alles gut. Mittlerweile nimmt alles Gestalt an. Mittlerweile kann Robin Bischoff wieder lächeln. Zum Jahresende blickt der Geschäftsführer des Kunstvereins Wagenhalle auf ein rekordverdächtig anstrengendes Jahr zurück.
Am 13. Januar hat OB Fritz Kuhn den ersten Bagger feierlich in Gang gesetzt, um das gewaltige Sanierungsprojekt der 1890 erbauten Wagenhallen anzustoßen. Entkernung, neues Dach, Anbauten, das ganze Programm. Die Künstler verließen ihre Ateliers, zogen in behelfsmäßige Container direkt neben der Baustelle. Das klingt in etwa so unbequem wie es anfangs auch war. „Im Winter war die Stimmung wirklich im Keller, weil hier alles voller Matsch war“, blickt Bischoff beim Rundgang durch die Containerstadt zurück. „Und ich meine: wirklich alles. Die Matschklumpen türmten sich überall, da waren einige schon frustriert.“ Ab dem Frühjahr, versichert er, ging es mit der neu erwachenden Natur und den steigenden Temperaturen dann aber wieder stark aufwärts.
Längst hat sich auch in dieser temporären Siedlung ein ganz eigener Geist breitgemacht. Überall auf dem Gelände stehen Schilder mit der Aufschrift „Kulturschutzgebiet“. Beim Projektraum Taut tüfteln sie an ihrem nächsten Kunstprojekt, dort gackern Hühner in ihrem Gehege, jemand liegt schweißend unter einem alten VW-Bus. Künstler eben, die machen selbst aus einem öden Container-Haufen etwas Besonderes. Auch aus diesem Grund war die ganze Sache mit der Sanierung der Wagenhallen so heikel. Nicht wenige befürchteten nach der Sanierung hohe Mieten und somit das abrupte Ende einer der letzten Künstlerenklaven der Stadt.
Der Verein trägt einen Teil der Kosten mit
Auch so ein Grund, warum das Jahr 2017 für Bischoff und den Kunstverein so anstrengend war. „Die Verhandlungen mit der Stadt bezüglich der Mietkonditionen und Verträge zogen sich von Februar bis April hin“, legt er dar. „Wichtig war uns von Anfang an, dass dieser Ort für die Künstler bezahlbar bleibt.“ Deswegen trägt der Verein auch einen Teil der Kosten mit – möglich gemacht durch einen Kredit, der auf der Bürgschaft der Stadt beruht.
Ein Erfolg für die Subkultur? Durchaus, wenn auch nicht grundlos. „Ich glaube, wir haben davon profitiert, dass vieles bei Stuttgart 21 nicht so gut lief. Die Röhre ist weg, der Landespavillon ist weg, das H7 mit dem Rocker ist weg, da bleibt langsam nicht mehr viel, was man erhalten kann.“ Umso erfreulicher, dass der Wert dieses Nährbodens erkannt wurde. „Das ist nicht nur ein Mehrwert für uns – sondern für die gesamte Stadt. Umso größer ist mein Bedürfnis, mich dafür einzusetzen“, sagt Bischoff und fügt an: „So etwas wird im politischen Alltag eben schnell mal übersehen.“
Mitte 2019 soll nun alles fertig sein
Wenn die Sanierung abgeschlossen ist, wird der auch künftig separat von der Wagenhallen GmbH & CO KG betriebene Veranstaltungsbereich 2100 Besucher fassen; der Kunstverein ist dann mit seinen insgesamt 70 Ateliers und einem großen Mehrzweckraum für Veranstaltungen auf etwa 6400 Quadratmetern zuhause, das Tango Ocho auf 450 Quadratmetern. Das im Januar verkündete Ziel, in einem Jahr mit allem fertig zu sein, musste allerdings schnell begraben werden. Im Januar 2018 soll die Halle aber wieder ein Dach bekommen, ansonsten wird es laut Bischoff wie folgt weitergehen: „Ab März geht es mit dem Innenausbau los, bis Mitte 2019 sind dann auch die neuen Ateliers in der Wagenhalle fertig.“ Druck, betont er, habe man nicht. „In der Containerstadt läuft ja alles.“ Der Konzertbetrieb in den Wagenhallen soll schon im Oktober 2018 aufgenommen werden.
15 Jahre werden dann vergangen sein, seit der Kunstverein die Halle vor dem Abriss rettete. „Damals kamen wir gerade von den Waggons“, sagt Bischoff. Er bleibt auf dem oberen Treppenabsatz stehen und blickt über das Container-Allerlei: Es war und ist ein besonderer Ort. Von Anfang an war klar: Irgendwann braucht die Stadt dieses Gebiet für S 21. Doch von dieser temporären Nutzung, vom Gefühl des Flüchtigen, lebte dieser Ort. Jetzt stehen neue Zeiten bevor. Und Bischoff ist zuversichtlich, dass der frühere Charme nicht verloren gehen wird. „Die neuen Ateliers sind lediglich ein wenig besser ausgestattet und vor allem wärmer im Winter“, berichtet er.
Für ihn, der sich die vergangenen drei Jahre nur diesem Projekt gewidmet hat, ist klar: „Es ist ein gelungenes Projekt zwischen der Stadt, dem Kunstverein und den Künstlern.“ Mehr noch, seit beschlossen wurde, dass der Kunstverein die nächsten beiden Jahre mit jeweils 60 000 Euro gefördert wird. Sorgenfalten gab es auch bei ihm: „Aber wir haben die Sache einfach selbst in die Hand genommen.“ Mit Erfolg: Fast alle Künstler sind auch nach dem Auszug geblieben. Eine Ära hat zu Beginn des Jahres durchaus ihr Ende gefunden. Die nächste steht jedoch längst vor der Tür.
Was im Januar sonst noch geschah:
4. Januar Hochresistenter Keim bei fünf Intensivpatienten im Krankenhaus Bad Cannstatt des städtischen Klinikums entdeckt: Am 4. Januar wird festgestellt, dass der Keim mit dem Namen Acinetobacter baumannii es geschafft hat, sich auf der Station zu verbreiten, obwohl verschärfte Hygienemaßnahmen gegolten hatten.
23. Januar Student als Lebensretter: Micky Mehmajit Singh findet am 23. Januar einen stark aus dem Beinstumpf blutenden Mann im Gleisbett. Der 20-jährige Student setzt einen Notruf ab und wärmt das Opfer mit seiner Winterjacke. Er bindet das Bein mit seinem T-Shirt ab und harrt mit nacktem Oberkörper aus – bei Temperaturen von minus zwölf Grad Celsius. Im November hat ihn die Stadt Stuttgart als „Helfer in Not“ geehrt.
23. Januar Strafanzeige wegen hoher Feinstaubwerte: Zwei Anwohner am Neckartor erstatten Strafanzeige wegen der hohen Feinstaubwerte. Sie werfen OB Fritz Kuhn und Regierungspräsident Wolfgang Reimer vor, nichts gegen die deutlich gestiegenen Werte zu unternehmen.
28. Januar Das Fanprojekt wird ins Leben gerufen: Am 28. Januar nimmt die sozialpädagogisch betreute Anlaufstelle für Fußballfans ihre Arbeit mit dem VfB Stuttgart und den Stuttgarter Kickers auf. Die vier Mitarbeiter beziehen Räumlichkeiten an der Hauptstätter Straße. (anj)