Martin Sperlich hat eine Feier für Hunderttausend organisiert: Er war im vergangenen Mai der Veranstaltungsleiter der Aufstiegsfeier des VfB Stuttgart. Die Vorbereitungen liefen im Geheimen.

Stuttgart - Um Mitternacht atmeten sie auf. Vom Morgengrauen an hatten Versammlungsleiter Michael Sperlich (40) und seine Kollegen organisiert, telefoniert, geredet, diskutiert, in Monitore gestarrt, über Besucherzahlen gegrübelt; nun sahen sie auf den Bildschirmen nur noch eine leere Bühne, Tausende von zertretenen Plastikbechern und einige Nachtschwärmer, die müde über den Wasen stapften. Jetzt war ihnen in ihrem Zimmer im Verwaltungsgebäude klar: Die Sache ist gut gelaufen. Nun konnten sie sich ein Bier gönnen und endlich darauf anstoßen, weswegen an diesem Sonntag, 21. Mai, die Hunderttausend da gewesen waren: den Aufstieg des VfB in die Bundesliga.

 

Jahre scheint das schon her zu sein. Springen wir mit Martin Sperlich von der Arena Betriebs GmbH des VfB ein Jahr zurück. Januar 2017. Der VfB lag nach der Hinrunde auf Platz drei. Der Aufstieg in Reichweite. Den müsste man angemessen feiern. Aber wie? Vorsichtig habe man beim Land vorgefühlt, ob der Schlossplatz am 21. Mai zu haben sei, so Sperlich. War er nicht. Die Fahrrad-Aktionstage waren da schon längst geplant.

Eine Aufstiegsfeier, keine Meisterfeier

Eine zweite Auflage der Meisterfeier von 2007 im Herzen der Stadt sollte es also nicht geben. Aber das sei ohnehin nicht möglich gewesen, sagt Sperlich. „Die Bilder haben wir natürlich alle im Kopf, vom Corso und den Fantas auf dem Schlossplatz“, sagt er, „aber das bleibt einmalig.“

Menschen ohne Zäune und Kontrollen sich zu Hunderttausenden selbst zu überlassen, das ist nach dem Desaster der Loveparade von Duisburg und unter dem Eindruck der Terrorgefahr nicht mehr möglich. Sperlich: „Eines sollte man auch nicht vergessen: Das war eine Meisterfeier, und wir planten für eine Aufstiegsfeier.“

Man fragte auch beim Nachbarn. Und siehe da, die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart hatte den Wasen noch nicht vergeben. Also blockte man den Termin. Und setzte sich mit der Stadt, der Polizei, den SSB, der Bahn, dem Roten Kreuz, dem Sicherheitsdienst und dem SWR zusammen. Heimlich. „Offiziell durften wir nicht planen“, sagt Sperlich, „dass hätten uns alle um die Ohren geschlagen: Wie kannst du so arrogant sein und schon die Aufstiegsparty planen?“ Genau das taten sie doch. Von März an intensiv. Drei große Leinwände mussten geordert, die Bühne gebucht, mit den Fantas geredet, Tausende Klos bestellt, ein Caterer organisiert werden. Und die Leute mussten Gewehr bei Fuß stehen: Busfahrer, Straßenbahnfahrer, Zugfahrer, Putztrupps sollten eine Zusatzschicht einlegen, Ordner für den Wasen mussten bestellt werden, das Personal von Gastronom Michael Wilhelmer musste vorgewarnt sein.

Den Marschbefehl gab es vier Wochen vorher. Sperlich: „Wir wussten lange nicht, für was bauen wir auf: Nur Public Viewing oder Meisterfeier?“ Es hätte ja sein können, dass am Ende Platz drei steht, die Relegation wartet und kein Fest. Dann hätte es geheißen: Eine Woche später zum zweiten Aufstiegsspiel auf ein Neues.

Planen, ohne dass es jemand erfährt

Doch dann war paradoxerweise nach der Niederlage in Hannover im vorletzten Saisonspiel klar, es klappt ziemlich sicher mit einem der ersten beiden Plätze. Gewinnt man, ist man zudem Meister. Also konnte man sieben Tage vorher auf Hochtouren planen.

Allerdings gab es noch immer Unbekannte. Sperlich: „Wir wussten nicht, wie viele kommen. Ohne Eintrittsgeld hatten wir keinen Anhaltspunkt.“ Als der 21. Mai dämmerte, merkten sie schnell: Da kommen viele. Ganz altmodisch wurde an den Zugängen getickert, also die Menschen wurden einzeln gezählt. Den Abgleich erhielt der Koordinationskreis um Sperlich und die Polizei quasi minütlich. Man hatte Muffe vor einem Szenario: 50 000 sind auf dem Wasen, und 50 000 drücken nach und dürfen nicht rein. Sperlich: „Doch das Wetter spielte uns in die Karten.“ Ausgelaugt von der Sonne gingen nach Stunden des Stehens Tausende am Abend: Genug gejubelt. Am Montag ging es wieder zur Arbeit. Es war genug Platz für die Nachrücker aus dem Stadion.

Um 19.55 Uhr kamen die Fantas auf die Bühne. Um 20.34 Uhr rollte der Mannschaftsbus auf den Wasen. Um 22 Uhr gingen die Lichter aus. Und um Mitternacht konnten auch Sperlich und seine Kollegen aufatmen, auf den VfB – und auch ein bisschen auf sich selbst anstoßen.