Andere mögen altersmilde werden – Peter Grohmann niemals. Die Grünen, poltert er, seien dabei, „Prinzipien für Posten“ zu opfern. Seinen 80. Geburtstag feiert der Kabarettist und Polit-Aktivist am Freitag im Theaterhaus unter dem Motto „Zeit zum Aufstehn!“.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Ein Handy hat er bis heute nicht. Der Kämpfer gegen Obrigkeitsglauben und Unterwürfigkeitsdenken ist noch immer zum Weltverbessern auf vielen Feldern des Protestes und des Mutmachens so eifrig unterwegs, dass keiner dazwischenklingeln und stören darf.

 

Der endlose Widerstand, man sieht’s an ihm, hält einen jung. Hilfreich gegen das vorzeitige Vergreisen dürfte obendrein sein, dass es Peter Grohmann mit dem knapp älteren Wolf Biermann hält, sich auch in bittren Zeiten nicht verbittern zu lassen. Der unbeugsame Wunsch des Wahl-Stuttgarters und Theaterhaus-Mitgründers ist es, stets aufs Neue das Lachen bei sich und bei anderen zu erwecken.

Biermanns Lied „Du lass dich nicht verhärten“, sagt Grohmann, ein Kopf der „undogmatischen Linken“, treffe seine Einstellung gut. „Du, lass dich nicht verbrauchen“, heißt es darin, „gebrauche deine Zeit, du kannst nicht untertauchen, du brauchst uns, und wir brauchen grad deine Heiterkeit.“

Grohmann ist kein Freund der Jamaika-Koalition

Die Zeit soll nicht mit Untertauchen und ohne Heiterkeit verstreichen. Anecken, nicht glatt streichen ist seine Devise. Die Satire ist sein Instrument, der Spaß, Menschen zu verblüffen. Mindestens hundert Jahre alt muss Grohmann werden, um noch einiges von dem zu erreichen, was er sich vorgenommen hat.

Ein Typ zum Beinehochlegen auf dem Sofa ist er nicht. Besonders wichtig ist dem Träger der Staufermedaille von Baden-Württemberg jetzt, wie er sagt, sich mit vielen anderen gegen rechts zu positionieren und für Europa zu streiten. Dass die Grünen in einer Jamaika-Koalition etwas in seinem Sinne erreichen, glaubt er nicht. In der Politik gehe es zwar nicht ohne Kompromiss. „Man darf biegsam sein“, findet er, „aber man sollte nicht seine Standpunkte aufgeben, nur damit man an einen Ministerposten kommt.“

Als Kind ist er aus seiner Geburtsstadt Breslau „mit der halben Familie vor den Russen geflohen“ – in das nächste Elend hinein. 1945 wurde Grohmann in Dresden in den Bombennächten verschüttet. Aus der DDR schaffte er es in den Westen. Er wurde 1961 einer der ersten Zivis im Land (zuvor war er zweimal durch die Gewissensprüfung gefallen), gehörte der SPD bis zum Ausschluss an, war bei Ostermärschen und Demos gegen Notstandsgesetze zu Hause, machte Plakate mit politischer Wirkung.

Ein „Jünger der schwarzen Kunst“

Was führte ihn nach Stuttgart, wo er den Club Voltaire im Leonhardsviertel mitbegründet hat? „Gegen Ende der 1950er“, antwortet Grohmann, „hatte man nicht die Wahl wie heute, da man sich fragen kann: Geh’ ich nach Neu-Dehli, nach Neukölln, nach Weingarten oder Wannweil?“ Die Firma, bei der er in Ravensburg arbeitete, ging pleite - und für einen „Jünger der schwarzen Kunst“ (Grohmann ist Schriftsetzer, Buchdrucker und Linotype-Setzer) habe es keine Wahl gegeben: „Man ging dorthin, wo es Arbeit und Brot gab – das war Stuttgart.“

Nach dem Mauerfall hat es ihn mit seiner Lebensgefährtin, einer Architektin, in den Osten gezogen. „Geh’ doch nach drüben“, sagte man im Westen einst zu den Querdenkern. „Nachdem die Stalinisten in der DDR das Weite gesucht hatten, war Dresden eine gute Alternative zu Stuttgart“, sagt er, „wir blieben dort zehn Jahre – 2000 waren wir wieder daheim.“ Denn „daheim“ gibt’s viel zu tun. Mit dem Verein Die Anstifter verleiht er etwa jedes Jahr den Friedenspreis.

Stuttgart passt zu ihm, findet der Vater von zwei Söhnen: „Die Stadt ist ebenso lebendig wie behäbig – das entspricht meinem Alter und zunehmend auch meinem Charakter.“ Die Stadt sei weltoffen, multikulti, gestaltbar, machbar und greifbar, „groß genug, um sie zu umfassen und zu mögen“, sagt der Mann, der sich selbst als „Worcoholic“ einzustuft. Dass er so unermüdlich sei, habe was mit der Angst zu tun, „sich nicht rechzeitig gewehrt zu haben in diesen Zeiten – wie unsere Väter und Mütter in ihren“. Er fühle sich als „Prediger und oft als Moralist“, werde mal ernstgenommen, mal missverstanden.

Es gibt noch Karten fürs Theaterhaus

Für Stuttgart hofft er, „dass die Menschen endlich den Wert der Stadt erkennen und unsere Heimat nicht unzumutbar wird“. Zu seinem Achtzigsten ruft er zum „Durchstarten“ auf. Doch Ruhe sollte er sich ebenso gönnen. Wer sich nicht hinsetzt, kann nicht aufstehen. Respekt hat er sich auch bei politischen Gegnern erworben. Nicht nur von links dürften daher die Glückwunsche zum runden Fest kommen: Möge Grohmann noch lange gesund bleiben und eifrig mitmischen!

80. Zeit zum Aufstehn – ein Abend für Peter Grohmann“. 27. Oktober, 19.30 Uhr, im Theaterhaus. Mit dabei: Florian und Wolfgang Dauner, The Leonard-Cohen-Projekt, StN-Kolumnist Joe Bauer und andere. Karten unter 0711/ 4 02 07 20 23 und an der Abendkasse. Der Erlös geht an das Betty-Rosenfeld-Projekt (die Krankenschwester kam in Auschwitz ums Leben).