Die Karlshöhe im Stuttgarter Süden soll der Naherholung dienen. Trotzdem ist sie kein reiner Deko-Weinberg. Geerntet wird schon auch!

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Frühlingshafte Temperaturen locken dieser Tage viele Spaziergänger auf die Karlshöhe, die derzeit den Mitarbeitern der Firma Bücheler dabei zusehen können, wie sie in dem kleinen städtischen Weinberg Trockenmauern aufbauen. Die kniehohen Mäuerchen gehörten seit je zu dem Weinberg, waren inzwischen ziemlich zerfallen, einzelne Steinbrocken den Hang hinabgerollt. „Aber die Steine sind fast alle noch da, wir müssen nur wenige ergänzen“, sagt Gärtnermeister Martin Bücheler, dessen Betrieb die Arbeiten im Auftrag der Stadt ausführt. Denn Trockenmauern sind eine sehr spezielle Aufgabe. „So eine Trockenmauer ist ja ein eigenes Ökosystem“, sagt Bücheler. Mit seinen Mikroorganismen, Moosen, Flechten, Farnen und Insekten, die darin leben, böten sie Eidechsen, Vögeln und allerlei seltenen Tieren Nahrung. „Ich habe neulich hier oben zum Beispiel einen Schwarzspecht entdeckt.“

 

Aber die Karlshöhe sei kein Naturreservoir, sondern in erster Linie ein Ort der Erholung. „Wenn da schon kaputte Trockenmauern sind, dann lädt das zum Vandalismus ein. Wenn wir die Mauer gerichtet haben und alles wieder funktionstüchtig und schön ist, dann haben die Leute auch mehr Respekt davor und achten darauf“, sagt der Gärtnermeister, „da entwickelt sich eine Art Identifizierung mit dem Ort“.

Ein Teil der Mönchhalde

So sieht das auch der Verantwortliche für das Weingut der Landeshauptstadt Stuttgart, Diplom-Ingenieur für Weinbau und Önologie. Timo Saier hatte nach Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege den Weinberg 2019 neu anlegen lassen. Die Denkmalschützer legen ihre schützenden Hände über die kommunalen Weinlagen wie die Stuttgarter Mönchhalde, zu der die Karlshöhe zählt, Cannstatter Zuckerle oder Degerlocher Scharrenberg. Denn sie prägen den Charakter von Stadt und Umgebung.

Die alten Lemberger-Reben auf der Karlshöhe wurden entfernt. Krankheiten und Pilze hatten die Rebstöcke geschwächt. Sie wurden und werden derzeit noch durch robustere Weinreben ersetzt: die Sorte Sauvitage, WE 88-101-13, eine Züchtung aus Weinsberg. „Die Karlshöhe ist keine geschlossene landwirtschaftliche Fläche, sondern eine Parkanlage“, sagt Saier. Die Karlshöhe diene der Naherholung und zeige den Stadtkindern Weinanbau zum Anfassen. Bei der Pflanzung der Reben habe man die Zeilen breiter gelassen als üblich. „So können die Stuttgarter in Zukunft nicht nur in der Wiese neben dem Weinberg ihre Picknickdecke auslegen, sondern auch in jeder zweiten Gasse zwischen den Reben. Die übrigen Gassen sind mit Insekten ansprechenden Saatmischungen angelegt, um auch den wohl kleinsten Stuttgartern eine Freude zu bereiten.“ Deshalb sei es wichtig gewesen, eine robuste Rebsorte zu wählen, die von Natur aus weniger anfällig ist für Pilzbefall, sagt Weingutsleiter Saier. Wenn man wolle, dass sich die Leute in den Weinberg hineinsetzen, empfehle es sich, auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten.

Wein für den Biergarten

Dennoch sei die Karlshöhe kein reiner Deko-Weinberg, und die Trauben sind auch nicht dazu gedacht, von Spaziergängern wegschnabuliert zu werden. Die 800 Reben auf der 23 Ar großen Fläche werden geerntet und gekeltert. „Der Wein aus den Trauben dieser Fläche soll dann auch im darüber liegenden Biergarten ausgeschenkt werden“, sagt Timo Saier. Mit der ersten Ernte sei aber erst 2022 zu rechnen. Im April werden erst noch die fehlende Reben nachgepflanzt, „damit für diesen Sommer alles angerichtet ist“, wie Timo Saier so schön sagt.