Stuttgarter Kickers gegen Freiberg „Woher haben Sie die Gabe zu führen, Marco Kehl-Gomez?“

Freibergs Kapitän Marco Kehl-Gomez jubelt mit dem Ball unter dem Trikot (seine Frau erwartet das dritte Kind) gemeinsam mit Matt-Brahan Zie. Foto: Pressefoto Baumann/Hansi Britsch

Marco Kehl-Gomez ist beim SGV Freiberg Schlüsselspieler, Kapitän und Häuptling auf und abseits des Feldes. Ein Gespräch über Führungsqualitäten vor dem Duell bei den Kickers.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Der SGV Freiberg peilt am Dienstag (19 Uhr) bei den Stuttgarter Kickers seinen zehnten Sieg im zehnten Regionalliga-Saisonspiel an. SGV-Kapitän Marco Kehl-Gomez (33) spricht über das Erfolgsgeheimnis und seine Rolle.

 

Herr Kehl-Gomez, Ihr Mitspieler Paul Polauke wollte vor dem Kickers-Spiel nicht reden und hat uns an Sie verwiesen.

Ehrlich, hat er das gemacht? Wie schön. Ich muss hier alles machen (lacht).

Als meinungsstarker Kapitän sind Sie ja eigentlich auch genau der Richtige. Wie erklären Sie sich diesen absoluten Traumstart mit optimalen 27 Punkten und 31:7 Toren?

Ich habe schon viele Vorbereitungen mitgemacht, deshalb kann ich auch sagen: Den Grundstein haben wir definitiv in der Vorbereitung gelegt. Was wir da abgerissen haben, war Wahnsinn. Die Intensität war unglaublich. Da haben wir einen Nachmittag eben nicht freibekommen, den wir gerne freigehabt hätten. Das sind die Unterschiede, von denen wir jetzt profitieren.

Und weshalb Sie nun mit Ihrem Team am Dienstag bei den Stuttgarter Kickers als klarer Favorit ins Spiel gehen.

Wenn man auf die Tabelle blickt, vielleicht schon (lacht). Wir kommen mit breiter Brust und wollen die Zehn vollmachen und im zehnten Spiel den zehnten Sieg, aber ich kenne doch die Liga und die Brisanz der Spiele gegen die Kickers. Das wird ein enges, hochemotionales Spiel.

Haben Sie denn solch einen Start schon einmal miterlebt?

Nein, das ist ja auch Rekord in der Regionalliga Südwest. Das hat noch keiner aus unserer Mannschaft erlebt.

Dass die Automatismen bei 21 Ab- und 20 Zugängen so schnell greifen – wie erklären Sie sich das?

Das ist nur möglich, weil es bei uns kein Training gibt, in dem wir Halbgas geben. Da muss ich sagen: Hut ab, an die Mannschaft! Ob jung oder alt – alle ziehen mit. Jeder muss um Spielminuten kämpfen. Schon oft haben unsere Joker die Spiele entschieden. Jeder tut alles für den Erfolg, auch wenn er mal nicht von Anfang an spielt. Das zeigt den Charakter der Mannschaft, das zeigt, dass die Kabine funktioniert.

Trainer Kushtrim Lushtaku (li.), Präsident Emir Cerkez: Es läuft beim SGV. Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Egal, bei wem man sich umhört, Sie werden als der unumstrittene Häuptling beschrieben mit der Gabe, auf und außerhalb des Platzes zu führen. Bekommt man diese Qualitäten in die Wiege gelegt?

Ich glaube nicht, dass man das in die Wiege gelegt bekommt. Ich habe aber schon in jungen Jahren gelernt voranzugehen. Jedoch gibt es den Unterschied zwischen tatsächlich voranzugehen und nur davon zu reden. Ich muss mir erst den Respekt von allen in der Mannschaft durch Leistung erarbeiten. Erst wenn die Leistung stimmt, kann ich alles andere, also auch die Kabine, in den Griff bekommen.

Das gelingt Ihnen offenbar sehr gut.

Es ist ja nicht der erste große Umbruch, den ich mitmache. Ich weiß ganz genau, an welchen Stellschrauben ich bei den verschiedenen Charakteren in einem Team drehen muss. Wenn das gelingt, dann bekommt man jeden Einzelnen dazu, 100 Prozent Leistung zu bringen.

Deshalb schätzt Sie auch Ihr Präsident so sehr?

Das müssen Sie Herrn Cerkez fragen. Aber wir haben ein gutes, ehrliches Verhältnis. Er weiß, was er an mir hat, ich weiß, was ich an ihm habe. Und deshalb ist der gegenseitige Respekt zu 100 Prozent da. Wir geben beide Vollgas, damit der Verein weiter wächst.

Wächst – und in der dritten Liga landet? Wie haben Sie es aufgenommen, dass der SGV erstmals die Lizenz beantragen will?

Sehr positiv. Die vergangenen zwei Jahre waren hart für uns Spieler, nachdem entschieden wurde, die Lizenz nicht zu beantragen . . .

. . . was Sie öffentlich scharf kritisiert haben.

Ja, weil ich ein Typ bin, der, wenn er einen Weg einschlägt, auch immer das Maximum rausholen will. Von daher finde ich es schön, dass es der Verein so früh kommuniziert. Das ist ja ein Signal für uns alle, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wohl wissend, dass wir uns darauf nicht ausruhen können.

Marco Kehl-Gomez mit Trainer Kushtrim Lushtaku. Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Welchen Anteil hat der Trainer Kushtrim Lushtaku?

Riesigen Anteil. Ich glaube, seit Kushi übernommen hat, sprechen ja die Zahlen schon für sich. Ich schätze Kushi ungemein. Wir verstehen uns super. Er und sein Team bekommen die Jungs halt hin. Die Spielphilosophie passt. Der Trainer verkünstelt sich nicht und den Fußball nicht. Wir spielen einfach, offensiv, attraktiv, unser top Torverhältnis kommt nicht von ungefähr. Er bringt viele Ideen ein, und er ist sehr fordernd. Ich glaube, das passt überragend.

Zur Person

Karriere
Marco Kehl-Gomez kam am 1. Mai 1992 in Zürich zur Welt. Der Sohn einer spanischen Mutter und eines Schweizer Vaters spielte in seiner Jugend für Juventus Zürich und für Grasshopper Zürich. In Deutschland hießen seine Stationen SC Pfullendorf, Chemnitzer FC, SV Elversberg, 1. FC Saarbrücken, Rot-Weiss Essen, Türkgücü München und seit 2022 SGV Freiberg.

Persönliches
Kehl-Gomez ist verheiratet. Seine Frau erwartet im Dezember das dritte Kind. Die Familie wohnt in Hardthausen am Kocher, in der Nachbarschaft lebt Kickers-Legende Ralf Vollmer. (jüf)

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