Zwar feiern die Christen in Zeiten von Corona nicht in den Kirchen. „Dafür aber in den Häusern, Wohnungen und in unseren Herzen“, sagt der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig

Stuttgart - Vor den höchsten christlichen Feiertagen Karfreitag und Ostern nimmt die Frage nach „Wie soll man Ostern feiern?“ an Bedeutung zu. „Macht Karfreitag und Ostern die Kirchen auf“, fordert etwa der Bestsellerautor und evangelische Theologe Peter Hahne. „Getränkemärkte haben auf, das Gotteshaus nicht. Wem wollen Sie das erklären?“, sagte der frühere Nachrichten-Moderator und schlägt vor: Abstand in der Kirche sei besser als Leerstand.

 

Vieles fällt aus – aber nicht die Osterbotschaft

Wie also in diesem Jahr Ostern feiern? Das fragen auch den evangelischen Stadtdekan, Søren Schwesig, und seinen katholischen Amtskollegen Christian Hermes viele Menschen in diesen Tagen. „Manche haben vorgeschlagen, Ostern wegen der Corona-Pandemie zu verschieben. Aber wenn wir in der Karwoche und an Ostern des Todes und der Auferstehung Jesu gedenken, steht doch gerade das im Mittelpunkt, was uns umtreibt: Es geht um Leben und Tod“, sagt Hermes. Und Schwesig ergänzt: „Ostern fällt dieses Jahr aus, titelte ein Online-Portal. Vieles fällt in diesen Tagen tatsächlich aus. Nicht aber die Osterbotschaft. Überall auf der Welt werden sich Gläubige wieder den alten Ostergruß zurufen: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Osterstimmung ins Wohnzimmer holen

Zwar feiern die Christen dieses Jahr nicht in den Kirchen. „Dafür aber in den Häusern, Wohnungen und in unseren Herzen“, sagt Schwesig. Was bei den Pietisten gute Tradition hat, etwa den Glauben in Hauskreisen zu stärken, wird nun von den Katholiken übernommen. Hermes lädt die Gläubigen ein, Ostern neu zu entdecken und persönlich zu gestalten.

Hinter der Einladung steckt eine ausgeklügelte Anleitung, um sich die Osterstimmung ins Wohnzimmer zu holen. Weil in der Regel über den genauen Ablauf der Liturgien in den Kar- und Ostertagen wenig bekannt, bekommen die katholischen Brüder und Schwestern auf acht DIN-A-4-Seiten Ritualvorschläge, Impulse für die heilige Woche, exakte Bibelstellen und eine Handreichung für eine Agapefeier am Gründonnerstag. Auch an Kinder ist gedacht. An Karfreitag könne man mit ihnen zunächst ein Kreuz aus Ästen basteln, ehe man gemeinsam mit ihnen betet: „Sei bei uns, wenn wir traurig sind, weil wir unsere Freunde nicht sehen. Sei bei uns, wenn uns langweilig ist. Sei bei unseren Großeltern und schenke ihnen Gesundheit. Amen.“

Chance für ein neues Bewusstsein

Søren Schwesig findet die Aktion der Katholiken toll. Es passt in sein Bild von Glauben und Ritualen. „Diese Praxis, die auch bei uns stattfindet, erinnert uns daran, dass der Gottesdienst nicht das zentrale Element in unserem Leben ist. Der Gottesdienst ist nur das Ergebnis dessen.“ Was nun mehr oder weniger aus der Not während der Pandemie geschehe, ist für den evangelischen Stadtdekan gar eine Chance für ein neues Bewusstsein, das an die Quelle der Protestanten erinnere. Ostern und die Pandemie seien ein Aufruf zu den Grundsätzen des Glaubens zurückzukehren. So wie bei allen in der Gesellschaft während der Coronakrise „ein Nachdenken unserer Rolle in der Welt“ stattfinden solle, so könne auch seine Kirche aus dieser schweren Zeit lernen: „Kirche muss sichtbarer werden.“

Ökumenischer Video-Ostergottesdienst

Zu Ostern bekommt diese Sichtbarkeit neben allen Videostreams auf Facebook oder Youtube sogar eine ökumenische Note: Die beiden großen Kirchen in Bad Cannstatt, evangelisch und katholisch, feiern ihren Video-Ostergottesdienst gemeinsam. Dazu hat Stadtkirchenpfarrer Florian Link seinen katholischen Kollegen Andres Krause für die Aufzeichnung des Gottesdienstes in die Stadtkirche Bad Cannstatt eingeladen. „Wir wollen in dieser schwierigen Zeit gemeinsam für die Bevölkerung da sein und feiern ökumenisch“, erklärt der Bad Cannstatter Dekan Eckart Schultz-Berg.