Stuttgarter Künstler Daniel Wagenblast: Gucci-Hündchen und Pistolen

Wagenblast spielt gern mit Proportionen und Dimensionen – wie bei seinem „Weltenfahrer“, der auf einer Weltkugel sitzt. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Daniel Wagenblast ist einer der erfolgreichsten Stuttgarter Künstler. In vielen Städten kann man seine Skulpturen entdecken. Was ist sein Rezept, damit der Laden läuft?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

In der Regel ist es der Traum eines jeden Künstlers, seine Arbeiten irgendwann in einem Museum auszustellen, dem Olymp der Kunst. Daniel Wagenblast ist dagegen schon viel höher hinausgekommen: Eine seiner Skulpturen hat es sogar in himmlische Gefilde geschafft. Ein 17 Zentimeter großes Holzfigürchen flog 2010 ins All. Eine Transportkapsel brachte es zu der Internationalen Raumstation ISS, wo der „Weltenfahrer“ zum Raumfahrer wurde.

 

Es war eine wahrlich ungewöhnliche Kunstaktion, die die Stiftung KinderHerz da veranstaltete – und die perfekt zu Daniel Wagenblast passte. Denn bekannt wurde der Stuttgarter Künstler mit Figuren, die auf einer Erdkugel stehend in die Ferne blicken – und damit auf fröhliche Weise die Abenteuerlust und den Pioniergeist des Menschen verkörpern. Inzwischen kann man sie an vielen Orten entdecken, in Castrop-Rauxel und Hamburg, auf Mallorca, in Polen und England. In Stuttgart-Möhringen weisen gleich drei Figuren auf einer Erdkugel den Autofahrern den Weg - auf einem Kreisverkehr.

Wagenblast machte eine ehemalige Kneipe zu seinem Atelier

Man kann mit Fug und Recht sagen: Der Laden läuft! Deshalb widmet das Museum im Kleihues-Bau Kornwestheim Daniel Wagenblast eine große Ausstellung und herrscht seit Wochen Hochbetrieb im Atelier des Künstlers in Stuttgart-Heslach. Vor 20 Jahren hat Daniel Wagenblast die ehemalige Kneipe in dem Häuschen zum Atelier umgewandelt. Künstler sind oft wahre Chaoten, die behaupten, dass Durcheinander die Kreativität fördern. Hier dagegen scheint alles seine Ordnung zu haben. „Jede Spax braucht ihren Platz“, sagt Daniel Wagenblast. Was bringt das beste Werkzeug, wenn man es ständig suchen muss?

„Man muss sich von Sachen trennen“

Im kleinen Lager könnte man stundenlang in der Vielfalt seines Schaffens stöbern. Zahllose Figuren stehen hier, hölzerne Kerlchen mit lustigen bunten Oberteilen, aber auch ein Eiffelturm aus Holz. Für die Reihe „Guccihund“ hat Wagenblast aus Holz Handtaschen gesägt, aus denen jetzt lustige Hunde rausschauen. „Ich bin froh, wenn ich eine Ausstellung habe und das Zeug wegbleibt“, sagt Daniel Wagenblast, denn dann hat er endlich wieder Raum für Neues. „Man muss sich von Sachen trennen“, sagt er. Deshalb werden Dachlatten und altes Material auch zersägt und verheizt.

Grob behauene, markante Figuren Foto: Lichtgut

Sägen – mitten im Wohngebiet? Direkt an der „Flaniermeile von Heslach“, wie Wagenblast die gut besuchte Straße nennt? Das Wichtigste in diesem Hexenhäuschen sind dreifach verglaste Fenster. Sie erlauben dem Künstler, Tag und Nacht seine Maschinen anzuwerfen und zum Beispiel mit der Kettensäge den schweren Baumstamm zu bearbeiten, der derzeit noch ungenutzt herumsteht und darauf wartet, dass Wagenblast eine Figur aus ihm herausholt. Meistens beginnt er mit der Kettensäge, danach wird mit Stechbeitel und Hammer gearbeitet. „Am Schluss bekommt er noch T-Shirt und Hose“ – sie werden mit Acrylfarbe gemalt. Augenhöhlen, Nase und Mund bleiben dagegen nur angedeutet, auch andere Details arbeitet Wagenblast nicht aus, weshalb seine Figuren wie schnell behauen wirken. „Es soll grob sein“, sagt er, „ich bin ja kein Schnitzer aus Oberammergau.“

Die Baumstämme holt Daniel Wagenblast selbst mit dem Anhänger. Früher haben die Kinder gern mit angepackt, „jetzt haben sie keinen Bock mehr“. Die Familie Wagenblast/Dahl ist eine Künstlerfamilie durch und durch, seine Partnerin Isa Dahl ist Malerin. Künstlerehen können krisenreich sein, weil Konkurrenz und Neid im Betrieb eigentlich dazugehören. Im Haus Wagenblast/Dahl war das nie ein Problem, weil die beiden viel zu unterschiedlich sind. Er ist Bildhauer, sie Malerin. Er arbeitet gegenständlich, sie abstrakt. Er hat an der Stuttgarter Kunstakademie studiert, sie in Düsseldorf. „Isa hat deutlich mehr Preise und Stipendien bekommen als ich“, sagt Wagenblast, „aber das ist mir wurscht“. Er hat dagegen immer wieder große Aufträge im öffentlichen Raum.

Isa Dahl und Daniel Wagenblast kennen sich schon seit dem Studium – und bekamen gleichzeitig ein Stipendium bei der Kunststiftung Baden-Württemberg. Das war ihr Türöffner in den Kunstbetrieb. „Da ging es los mit Galerien“, sagt Daniel Wagenblast. Heute vertreten ihn Galerien in Frankfurt und Mannheim, in München, Karlsruhe und Düsseldorf. Auch der Galerie von Karin Abt-Straubinger in Stuttgart-Möhringen ist er schon lange eng verbunden.

Das Stuttgarter Künstlerpaar scheint ein perfektes Team zu sein, das sich nicht nur die Betreuung der beiden Kinder von Beginn an teilte, wie er erzählt, sondern auch ein gemeinsames Netzwerk aufbaute. „Früher sind wir oft schon am Mittag ins Auto gestiegen und nach Frankfurt gefahren – einfach, damit man sich zeigt und präsent ist.“ Heute wählen sie zwar gezielter aus, aber trotzdem gehen sie nicht wie andere nur zu den eigenen Vernissagen, sondern sind viel im Kulturbetrieb unterwegs. „Ich setze einen Großteil des Geldes dafür ein, dass es weitergeht“, sagt Wagenblast. Das können Investitionen in Reisen sein, in neues Material, aber auch in Kataloge, die er regelmäßig produziert.

Am allerliebsten verbringt Daniel Wagenblast seine Zeit aber im Atelier. „Ich will hier in Ruhe Musik hören und mein Zeug machen“, sagt er. Aber es ist als Künstler eben auch notwendig, wie ein professioneller Unternehmer zu agieren. Nur so ist Daniel Wagenblast erspart geblieben, was er ohnehin nie ernsthaft wollte: Lehrer zu werden. Da er an der Kunstakademie mit dem Studium der Freien Grafik und Malerei keinen Abschluss erwerben konnte, entschied er sich fürs Lehramt und belegte an der Universität Stuttgart Germanistik. Sogar das Referendariat hat er noch abgeschlossen und hätte danach sofort in den Schuldienst eintreten können. „Aber ich bin nicht der Typ, der so furchtbar kommunikativ ist“, meint er. Schade zwar, dass er nie „die Pension eines Oberstudienrats“ bekommen wird, aber dafür jeden Tag in der Schule stehen zu müssen, war nicht sein Ding.

Fast zehn Jahre arbeitete der Künstler nebenher als Pförtner

So wagte Daniel Wagenblast das Risiko eines Künstlerlebens. Fast zehn Jahre hat er nebenher als Pförtner am Staatstheater Stuttgart gearbeitet, wie so viele Künstler der Stadt. „Wenn ich mal etwas verkauft habe, konnte ich tagelang nicht schlafen“, erinnert er sich. Heute kann er dagegen sagen: „Es läuft.“ So gut, dass er „unbeschwert arbeiten“ und sich hin und wieder auch ein neues Fahrrad leisten kann. Wie passioniert er radelt, verraten die diversen Rahmen und Reifen, die in einer zweiten Kammer hängen. „Hätte ich kein Atelier, hätte ich eine Fahrradwerkstatt aufgemacht.“

Hände, die aus Mauern greifen

So radelt er morgens ins Atelier, wo er oft erst einmal lange da sitzt und überlegt, was er machen will. Und so saß er auch lange vor seiner umfunktionierten Tischtennisplatte und überlegte, wie er das Museum im Kleihues-Bau bespielen könnte. „Der Raum hat die Dimension einer Sporthalle“, erzählt er und wird die langen Wände nun nutzen für seine Serie mit Händen. Hände, die aus der Mauer zu greifen scheinen, spielen eine wichtige Rolle in seinem Werk. Hier greifen sie zu Schwert, Messer oder Pistole, dort präsentieren sie Objekte, Autos und Panzer, nackte Figuren oder Plastikflaschen. Motive, mit denen er zu sagen scheint: Seht her, das ist die von euch gemachte Welt.

In einem so großen Ausstellungsraum wie in Kornwestheim brauche es „aber auch etwas Großes“, erkannte Wagenblast schnell – und hat eine riesige Hand aus Aluminiumplatten zusammengenietet. Stattliche zwei Meter groß ist sie, aber leicht genug, dass er sie nach Kornwestheim transportieren kann.

Auch das gehört dazu Dass man seine Werke begleitet. Deshalb fährt Daniel Wagenblast auch auf Kunstmessen und hilft den Galeristen beim Aufbau. Oft übernachtet er dann auf dem Campingplatz. Mit dem Karlsruher Galeristen Michael Oess war er sogar auf der Messe in Palm Beach und in Los Angeles. „Das war megaanstrengend, aber toll“, sagt er. Die beiden sind lange und gut befreundet – „wie ein altes Ehepaar“.

Manches Kunstwerk verschickt er per Post

Früher hat Daniel Wagenblast sogar einzelne Arbeiten selbst zu Gruppenausstellungen gebracht. Heute schickt er sie manchmal auch. „Wenn ich ein Päckle mache, kostet das zwölf Euro. Würde ich nach Münster fahren, wäre es eine Weltreise.“ Und irgendwo ist inzwischen immer etwas von ihm ausgestellt, in Galerien oder wie derzeit im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart. Es läuft immer etwas – „und es muss auch immer ein bisschen was laufen“, sagt er, „denn wenn ich nachts aufwache und denke, es läuft nix mehr, kann ich nicht mehr schlafen“.

Ausstellung: „Daniel Wagenblast – Unterirdisches Heimweh“, 27. September bis 18. Januar im Museum im Kleihues-Bau Kornwestheim.

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