Kulturschaffende zeigen Gesicht Ohne diese Menschen ist’s still in Stuttgart

Busfahrer, Tontechniker, Köche, Veranstalter, Booker, Roadies, Security, Merchandise-Verkäufer:Sie schauen ernst, sie tragen Schwarz: Eine Kunstaktion zeigt, wie viele Menschen gerade vor dem Nichts stehen.
Stuttgart - Knapp 200 Frauen und Männer hat Dominic Pencz in den vergangenen Wochen fotografiert. Alle schauen mit sehr ernstem Blick in die Kamera, alle tragen Schwarz. Nach Lachen ist in der Kulturbranche gerade niemandem zumute. Für die Aktion „Ohne uns ist’s still“ porträtiert der 27-jährige Fotograf Stuttgarter Kulturschaffende. Der vorerst letzte Fototermin fand diese Woche im Wizemann statt. Es sind gekommen: Busfahrer, Tontechniker, Köche, Veranstalter, Booker, Roadies, Security, Merchandise-Verkäufer. „Einer hat einen Strich bei der Berufsbezeichnung gemacht, weil er arbeitslos ist“, erzählt Pencz.
Im Wizemann wurden knapp 300 Veranstaltungen abgesagt oder verschoben
Seit Freitag, dem 13. März, steht die Veranstaltungsbranche still. Hier im Wizemann, wo an einem trüben Nachmittag fotografiert wird, fand das letzte normale Konzert am 10. März statt. Matthias Mettmann vom Wizemann und Chimperator Live sitzt draußen auf einer Bierbank, Laptop auf dem Tisch. Bis jetzt sind knapp 300 Veranstaltungen abgesagt und verschoben worden. Das ist viel Organisation, der Ausgang ungewiss. Der Kulturwasen mit den Konzerten vor Autos und Menschen in Liegestühlen hat ein bisschen über den Sommer gerettet, das erste Überbrückungsgeld hat geholfen, jetzt warten sie auf das zweite. Die mehr als vierzig Mitarbeiter sind im siebten Monat der Kurzarbeit.
Das Wizemann steht stellvertretend für viele Konzertlokalitäten in der Stadt, für die großen Hallen wie für die kleinen Clubs. Veranstaltungen können sehr luftig bestuhlt unter Hygienebedingungen stattfinden. Im Wizemann trat bereits Der Nino aus Wien auf, veranstaltet vom Kulturzentrum Merlin. In der Halle waren knapp 200 Besucher. Eigentlich hat der Raum eine Kapazität für rund 1300 Personen. Man muss kein Dreisatzprofi sein, um zu wissen, dass sich das nicht rechnet.
Stuttgarter Kulturschaffende zeigen Gesicht
Bei der Initiative „Kulturgesichter0711“ schließen sich viele der Stuttgarter Kulturschaffenden der gemeinsamen Aktion „Ohne uns ist‘s still“ an, die ihren Ursprung beim Verband der Münchner Kulturveranstalter e.V. nahm und seither in Hannover, Bremen, und Osnabrück adaptiert wurde. Hier in Stuttgart leitet Christoph Ahlers von C2 Concerts das Projekt mit dem Fotografen Dominic Pencz – alle arbeiten ehrenamtlich.
Pencz ist leidenschaftlicher Konzertfotograf, war mit den Scorpions in Asien, mit der Rockband Kiss auf Tour – in den vergangenen zehn Jahren in mehr als 90 Ländern. Ihm fehlt das Reisen. Und er weiß, dass die Fans auf der anderen Seite des Bühnengrabens viel vermissen: „Für Fans sind Konzerte eine Ablenkung vom Alltag. Da fehlt sehr viel.“ Projektleiter Ahlers und Fotograf Pencz sehen die Porträts als Kunstaktion, die nicht politisch motiviert ist. Sie wollen zeigen, wie viele Existenzen auf dem Spiel stehen. Die Fotografien sind auf das Wesentliche reduziert, die Fotografierten haben die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, die Bilder sind schwarz-weiß. Es sind Charakterporträts von Menschen, denen viel mehr fehlt als bloß ein Job.
Unsere Empfehlung für Sie

Plácido Domingo wird 80 Bejubelter Künstler, beschuldigter Mann
An diesem Donnerstag (21. Januar) feiert Plácido Domingo seinen 80. Geburtstag. Metoo-Vorwürfe haben den Star schwer beschädigt.

Musik für Biden und Harris Lady Gaga schmettert die Düsternis weg
Lady Gaga, Jennifer Lopez und Garth Brooks haben gesungen bei der von Vielfalt geprägten Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris.

Auf Arte: Brian Jones und Ronnie Wood Rolling Stones: ein Opfer und ein Überlebender
Brian Jones hat die Rolling Stones gegründet und starb mit 27, sein zweiter Nachfolger Ron Wood hat die Rock-’n’-Roll-Exzesse überlebt. Arte zeigt Dokumentationen über die beiden Gitarristen.

Corona-Pandemie Festspielhaus Baden-Baden hofft auf Osterfestspiele
Unter der Überschrift «From Russia with Love: Die Osterfestspiele mit den Berliner Philharmonikern blicken nach Osten» will das Festspielhaus wieder loslegen. Anvisiert ist der Zeitraum vom 27. März bis 5. April.

250. Geburtstag Hölderlin-Events werden im Jahr 2021 nachgeholt
Als Sprachkünstler von Weltrang sollte Friedrich Hölderlin zu seinem 250. Geburtstag gefeiert werden - doch dann machte das Coronavirus die meisten Feierlichkeiten zunichte. Die Veranstalter geben sich flexibel. Die Arbeit soll nicht ganz umsonst gewesen sein.

„Die Sage von Anatahan“ bei Arte Ein Trupp Verwilderter und eine Vision
Josef von Sternberg war mal einer der auffälligsten Regisseure Hollywoods. Er hatte Marlene Dietrich entdeckt und in die Traumfabrik geholt. 1953 war er aber längst in Ungnade gefallen und drehte in Japan seinen letzten, seltsamen Film, den Arte jetzt zeigt: „Die Sage von Anatahan“