Die angekündigte Sanierung inklusive Schließung des Kongresszentrums Liederhalle im Jahr 2019 ist nur eine von sieben Kostenstellen, die die Etats enorm belasten werden. Die StZ verrät, wie teuer die einzelnen Vorhaben werden könnten.

Stuttgart - Allein der städtische Anteil an der Sanierung verschiedener Spielstätten für Kulturveranstaltungen beträgt mehr als 200 Millionen Euro. Dies geht aus einer Liste hervor, die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) den Fraktionsspitzen im Gemeinderat vorgelegt hat. Das Papier aus dem Rathaus, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, umfasst sieben Punkte. Bei zwei davon, der Sanierung des Opernhauses und eines eventuellen Neubaus des Linden-Museums, müsste das Land aber den Finanzierungsbeitrag der Stadt verdoppeln. Insgesamt schätzt die Kulturbürgermeisterin die Kosten für die notwendigen Sanierungen auf mehr als 400 Millionen Euro.

 

Nummer eins auf der Investitionsliste ist die Sanierung und Erweiterung der Oper. „Bisher werden rund 300 Millionen Euro als Gesamtkostenrahmen benannt“, heißt es in dem Schreiben. Eine Entscheidung solle „baldmöglichst“ getroffen werden. Das Land und die Stadt würden sich die Kosten fifty-fifty teilen müssen.

Kommt der Neubau des Linden-Museums?

An zweiter Stelle steht der Neubau des Linden-Museums. Der Sanierungsbedarf des Hauses sei sehr umfangreich, heißt es. Am derzeitigen Standort würden sich die Umbaukosten auf etwa 50 Millionen Euro belaufen. Dringende inhaltliche Verbesserung seien darin jedoch nicht inbegriffen. „Deshalb hat das Land vorgeschlagen, an einem anderen Standort einen Neubau anzustreben“, heißt es auf der Liste der Stadt. Als mögliche Option wird das S-21-Gelände im Rosenstein genannt. Auch hier solle eine Grundsatzentscheidung „in absehbarer Zeit getroffen werden“. Die Kosten für einen solchen Neubau werden auf 60 bis 70 Millionen Euro geschätzt. Auch hier fällt die Hälfte der Kosten der Stadt zu.

Die Wagenhallen sind als Drittes aufgeführt. Wie berichtet, liegt das Kostenvolumen bei rund 30 Millionen Euro. „Die Umsetzung der Maßnahmen muss im Haushalt 2016/2017 erfolgen“, erklärt die Stadt.

Auf Platz vier der größten Kostenpunkte im Kultursanierungsplan findet sich das Theaterhaus wieder. Der Erweiterungsbau des Theaters auf der Prag, inklusive Parkhaus, soll zwischen 20 und 25 Millionen Euro kosten. Die Stadt hofft hier noch auf Zuschüsse von Landesseite.

Die Wunschliste der Kultur ist lang

Das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle liegt auf Platz fünf. Wie die Stuttgarter Zeitung exklusiv berichtete, muss das KKL aus Gründen des Brandschutzes umfangreich saniert werden. Auf ihrer Liste gibt die Stadt die Kosten mit 15 bis 20 Millionen Euro an und erklärt unmissverständlich: „Mit der Sanierung muss spätestens 2019 begonnen werden.“

Auf Platz sechs findet sich der Wunsch nach einem Film- und Medienhaus. Dabei fehle es noch immer an einem konkreten Ort, heißt es. Sollte dieser jedoch gefunden werden, erwartet die Stadt, „eine hohe Summe für eine dauerhafte Spielstätte investieren“ zu müssen.

Die Freie Tanz- und Theaterszene belegt Platz sieben der Kostenliste. Zwar gebe es eine Interimslösung im Depot in Stuttgart-Ost. „Diese ist jedoch zeitlich befristet“, heißt es. Wie beim Thema Filmhaus rechnet die Stadt auch hier damit, „eine höhere Summe investieren“ zu müssen.

Kaum Ausweichmöglichkeiten

Die kulturpolitischen Sprecher der Gemeinderatsfraktionen weisen mit Blick auf die Liste darauf hin, dass es nun um eine Priorisierung der anstehenden Maßnahmen gehe. Am deutlichsten wird Dejan Perc von der SPD: „Wir können nicht alle Punkte der Liste finanzieren“, sagt er und fügt an: „Wir müssen auch darüber sprechen, einige der Punkte auf stumm zu stellen.“ Die Fraktionen verweisen angesichts des nun öffentlich gewordenen Investitionsstaus in der Kultur auf die in anderen Bereichen zu erfüllenden Aufgaben hin – dabei werden mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen etwa die Schulsanierung, die Infrastruktur oder das Thema Sportstätten genannt.

Fest steht: die Kulturstätten in Stuttgart sind schon heute extrem gut ausgelastet. Der Konzertbereich der Liederhalle – also Beethoven-, Mozart- und Silchersaal – wird an 340 Tagen im Jahr genutzt, der Kongressbereich, das sind Hegel- und Schillersaal sowie die Tagungsräume, an bis zu 280 Tagen im Jahr. „Wir werden also während der Sanierungszeit Veranstaltungen ausfallen lassen müssen. Wir haben kaum die Möglichkeit auszuweichen“, sagt Norbert Hartmann, der Chef der Liederhalle. Angesprochen auf die Brandschutzprobleme des KKL erklärt Hartmann: „Kein Besucher begibt sich in Gefahr. Doch die Probleme müssen gelöst werden.“ Zusätzlich zur Sanierung hofft er in technischer Sicht auf eine Anpassung seines Hauses an die heutige Zeit. „Als das Kongresszentrum gebaut wurde, hatten nicht einmal Geschäftsleute ein Handy“, sagt er. Heute ginge es bei Kongresshallen hingegen um Themen wie Datensicherheit und dauerhaften mobilen Netzzugang.

Die Konzertveranstalter sind besorgt

Auch die Konzertveranstalter trifft die Nachricht von der vorübergehenden KKL-Schließung wegen des Umbaus hart. „Wir müssen mit Konzerten schon heute in andere Städte ausweichen, da es keine freien Spielstätten mehr in Stuttgart gibt“, sagt beispielsweise Paul Woog, der Geschäftsführer der Michael Russ GmbH. Er fügt hinzu: „Es fehlt Veranstaltungsfläche in der Stadt.“ Eine Ansicht, die Stuttgarts Tourismuschef Armin Dellnitz bestätigt: „Wir haben aktuell einen enormen Engpass bei den Veranstaltungsflächen. Und das Problem wird sich durch die Sanierungen erst einmal verschärfen.“ Dellnitz hofft wie Hartmann jedoch darauf, dass die Sanierung als Chance genutzt wird, die Liederhalle und das Kongresszentrum auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen.

Angesichts der anstehenden Arbeiten an Oper, Wagenhallen oder KKL plädieren sowohl Kommunalpolitiker als auch Kulturschaffende für eine zeitliche Taktung der Maßnahmen. Nur so sei zumindest ein kultureller Grundbetrieb noch möglich.

Im Zentrum Liederhalle finden pro Jahr rund 1100 Veranstaltungen statt