Das unterirdische Kongresszentrum soll von Mitte 2019 an für ein Jahr für Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten geschlossen werden. Die Kosten belaufen sich auf etwa 17 Millionen Euro. Bis heute weiß die Stadt nicht, was sie für das Gebäude bezahlt hat.

Stuttgart - Der städtische Wirtschaftsausschuss ist am Freitag über den Umfang der Sanierung und Modernisierung für das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle (KKL) und die Tiefgarage informiert worden. Allein zur Vorbereitung der Maßnahmen und um belastbare Kostenangaben zu erhalten, muss der Gemeinderat in den Haushaltsberatungen 1,2 Millionen Euro genehmigen. Erst auf Nachfrage von Guntrun Müller-Enßlin nannte Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) eine „Hausnummer“ für die Maßnahmen. Er geht derzeit von 16,7 Millionen Euro aus. Das sind 1,7 Millionen Euro mehr als im März, als er gegenüber der StZ das Problem benannt hatte.

 

Die altehrwürdige Liederhalle aus den fünfziger Jahren liegt oberirdisch und ist deshalb hinsichtlich des vorbeugenden Brandschutzes weniger problematisch; zumal dort neben dem Konzert- und Probebetrieb nur wenige Sonderveranstaltungen stattfinden, die einer besonderen Genehmigung bedürfen. Im neueren Teil ist, so Geschäftsführer Martin Rau, jede zweite Veranstaltung eine besondere, weil die Mieter für ihre Kongresse eben nicht nur Hegel-, und den Schillersaal benötigen, sondern auch die offenen Foyers. Jede Veranstaltung separat als Ausnahmetatbestand zu deklarieren, das machen die Brandschützer aber nicht mit.

Das Kongresszentrum hat „Gebrauchsspuren“

Das unterirdische Kongresszentrum ist aber nicht nur sicherheitstechnisch überholt. Es weise längst auch „Mängel und deutliche Gebrauchsspuren auf“, was die Kunden immer öfter bemängelten, sagte Rau im Ausschuss. Die Bühnen- und Veranstaltungstechnik sei ebenso veraltet wie die Gebäudeleittechnik, für die es auch keine Ersatzteile mehr gebe. Eine weitere Baustelle ist die Tiefgarage der Liederhalle. Sie befinde sich in „desolatem Zustand“. Baukonstruktion und Fahrbahnbelag seien durch Regenwasser und Tausalze beschädigt.

Das Kongresszentrum soll von Mitte 2019 an für ein Jahr geschlossen werden. Das sei notwendig, weil etwa alle Decken demontiert, Brandschotts eingebaut und das Feuerlöschsystem vom Trinkwassernetz getrennt würden (3,6 Millionen Euro). Ein so langer Vorlauf sei für die Bauplanung nötig, so Rau, aber auch für die Akquise des KKL. Die Reparaturen in der Liederhalle könnten bei laufendem Betrieb im Sommer vorgenommen werden. Das neue Brandschutzkonzept wird mit drei Millionen Euro veranschlagt, Ertüchtigungsmaßnahmen wie neue Bodenbeläge und Malerarbeiten kosten zwei Millionen Euro, neue Gebäudeleit- und Veranstaltungstechnik 3,3 Millionen Euro. Die Tiefgarage verschlingt 4,2 Millionen Euro. Das Kongressgebäude wurde von 198 bis 1991 zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) von privater Seite für etwa 75 Millionen Euro gebaut und für 400 000 Euro Monatsmiete an die Stadt vermietet. Sie zog Anfang 2014 nach 22,5 Jahren die Kaufoption.

Ein Riesenskandal der Stuttgarter Baugeschichte

Das KKL gilt als einer der größten Skandale in der Stuttgarter Baugeschichte, nicht nur architektonisch. Verglichen mit der Liederhalle von Abel und Gutbrod sei das 120 000 Kubikmeter große KKL ein zum Großteil in die Erde versenkter „Abklatsch“, klagten Kritiker. Die Stadt hatte aus Rechtegründen den Gutbrod-Schüler Wolfgang Henning den Auftrag erteilen müssen. Bis heute gibt es keine verlässliche Schlussrechnung für das Kongresszentrum. 2003, zwölf Jahre nach der Eröffnung und sechs Jahre nachdem das Rechnungsprüfungsamt den Skandal öffentlich gemacht hatte, konnte die Stadt die wahren Baukosten nur schätzen. Der damalige Oberkontrolleur Hans Müller-Prothmann sprach von einem „heillosen Durcheinander der Akten“. Es sei „Detektivarbeit“ nötig, um die Abrechnungen nachzuvollziehen. Im Rathaus behauptet man heute noch, der Amtsleiter sei von höherer Stelle ausgebremst worden.