Noch ist nichts passiert, aber angeblich soll am Freitag noch die Apokalypse über uns hereinbrechen. Passend dazu zeigt das Stuttgarter Linden-Museum die Schau „Maya-Code“. Die Ausstellung beruhigt, denn sie erklärt, das doch nicht Schluss sein muss mit der Menschheit.

Stuttgart - Kaum jemand weiß, wie sein Leben aussähe, wenn er sich jeden Morgen zunächst die Frage stellen würde: „Was tun, wenn dieser Tag der letzte wäre?“ Aber die meisten Leute wissen genau: „Anders!“ Insofern ist dieser Freitag, der 21. Dezember 2012, durchaus von Belang: Man kann, wenn man will, die alten Maya so verstehen, dass am Ende dieses Tages die Welt untergeht.

 

Man muss aber nicht, überhaupt nicht. Denn der meist ironisch-amüsierte, zuweilen aber auch todernst betriebene Weltuntergangs-Kult der letzten Wochen und Monate basiert auf einem einzigen, halb zerstörten Stein, der im Depot eines mexikanischen Museums lagert. Die in diesen Stein gehauenen Hieroglyphen besagen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass am 21. Dezember 2012 laut dem Kalender der Maya der dreizehnte Vierhundertjahres-Zyklus seit Erschaffung der Welt endet. Was dann passiert? „Es wird geschehen . . .“, steht auf dem erodierten Stein, dem sogenannten „Monument Nummer sechs aus Tortuguero“. Aber der Rest ist nicht mehr lesbar. „Es wird herunterkommen . . .“, steht da auch. Aber was herunterkommen soll, hat der Zahn der Zeit längst aufgefressen. Vielleicht waren die Maya einfach nur der Ansicht, dass nach dem Ende des dreizehnten Zyklus der vierzehnte beginnt.

Der kostbare Stein des Anstoßes ist im Stuttgarter Linden-Museum natürlich nicht im Original zu sehen. Aber es gibt eine Fotografie auf einer Schautafel und dazu einleuchtende Erklärungen, die nicht nur Wissenschaftler und Esoteriker verstehen können. Der Stein und seine Geschichte bilden eine Art inhaltliche Eingangspforte für die völkerkundliche Ausstellung zum Abschiedsdatum.

Kleine und spielerische Ausstellung

„Maya-Code“ (so heißt die Schau) ist in Anbetracht der Kürze der möglicherweise nur noch zur Verfügung stehenden Zeit weder opulent noch schwergewichtig geraten, sondern klein und spielerisch. Kaum hat man den mysteriösen Stein kapiert, kann man nebenan schon auf einem Bildschirm Hieroglyphen mit dem Finger herumschieben. „Entziffere die Maya-Schrift“ fordert das interaktive Spiel vor allem Kinder auf, die beim fröhlichen Silbenjonglieren angeblich besser abschneiden, als ihre Eltern. Aber natürlich gibt es in jeder Maya-Ausstellung, mag sie auch noch so klein sein, alte Keramik aus der Blütezeit der mittelamerikanischen Hochkultur zu sehen.

Und dann fragt man sich vielleicht, ob er eigentlich fortwährend Kopfweh hatte, der Maisgott Ixiim, der im Linden-Museum gleich zwei Teller aus der Zeit 600 bis 900 nach Christus ziert. Er scheint zu lächeln, immerhin, aber seine Stirn folgt der geraden Linie, die von seiner Nasenspitze zur Nasenwurzel führ: Ixiim, einer der wichtigsten Götter im Pantheon der Maya, war dieser idealen Flucht wegen ein Schönheitsideal. Und unweit der beiden Teller kündet der Stuckkopf eines Adligen von der langwierigen Prozedur, die den privilegierten Vertreter seines Volkes in Form brachte: Damit Nase und Stirn in einer Linie verlaufen, wurden bereits Babys Bretter vor den Kopf gebunden. Schädeldeformation im Zeichen der Schönheit – nicht nur so gesehen, waren die Maya auf bemerkenswerte Weise modern.

Da gab es – beispielsweise – buchähnliche Aufzeichnungen auf Rindenbastpapier in Zeiten, als Paris noch ein Dorf war. Eines der schönsten Exemplare, der sogenannte Codex Dresden liegt im Linden-Museum hinter Glas, allerdings nur als Faksimile. Es gab die Pyramiden, die heute noch Busladungen voller Tagesausflügler in ihren Bann ziehen (und die im Linden-Museum fototapetenartig Wände zieren). Und es gab hochkomplexe Ballspiele, viele Jahrhunderte, bevor man in England auf die später sehr populäre Idee gekommen ist, einen Ball mit den Füßen in ein Tor zu kicken.

Besucher können Hüftball der Maya ausprobieren

Die Maya berührten ihre Bälle vorzugsweise mit der nach Art des Schienbeinschoners verpackten Hüfte. Ihr „Tor“ war ein Ring, der sieben Meter über dem Boden angebracht war. Und Treffen war schwierig.

Das demonstriert das Linden-Museum, dessen liebevoll präsentierte Maya-Ausstellung auf einer ähnlichen Schau des Völkerkundemuseums im holländischen Leiden basiert, auf sinnliche Art. Besucher können sich vor die aufwendige Computersimulation eines Maya-Ballspielplatzes stellen, einen mit Elektronik gespickten Gürtel anlegen und mittels komisch anmutender Hüpfbewegungen versuchen, einen ballähnlichen Lichtpunkt in einen Pixelkreis zu bugsieren. Als Gegner fungiert ein computeranimierter Unterweltgott. Und dann hüpft man und hüpft und hüpft – und gerät womöglich dennoch bald in Rückstand.

Wenn dieser 21. Dezember 2012 doch der letzte Tag wäre, dann erschiene es nicht abwegig, zumindest ein paar Minuten auf das Ballspiel im Linden-Museum zu verwenden. Es macht nicht einfach nur Spaß. Es zeigt, was der Geist mit dem Körper bewerkstelligen kann. Und was eben nicht.