In Stuttgart haben sich zum zweiten Mal rund 300 Medienschaffende aus der Region Stuttgart versammelt, um miteinander zu diskutieren.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Stuttgart - Die ersten 24 Stunden offline habe er Entzugserscheinungen, sagt Peter Bieber. Dann würde er sich an diesen Zustand gewöhnen und könne auch sieben Tage ohne Internet auskommen. Der 21-Jährige ist Vorzeige-Digital-Native „zum Anfassen“ auf dem zweiten Stuttgarter Medienkongress. Unter dem Motto „Was will die Generation Internet wirklich?“ haben sich zum zweiten Mal rund 300 Medienschaffende aus der Region Stuttgart versammelt, um miteinander zu diskutieren und bei Vorträgen neue Impulse für ihre Arbeit zu erhalten.

 

Wie auch schon im vergangenen Jahr wurde der Kongress von Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM) organisiert und inhaltlich wie optisch mitgestaltet. So durften sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, die von dem HdM-Professor für Journalistik Stephan Ferdinand moderiert wurde, nicht auf die üblichen Ledersessel setzen, sondern wurden auf bunte, unbequeme Papphocker dicht neben- und hintereinander platziert. So wollten es die Studenten. Die Sitzordnung der acht Herren war einer lebendigen Diskussion leider nicht unbedingt förderlich. So kamen die Redner eben der Reihe nach zum Thema „Brennen Medienunternehmen für Social Media?“ zu Wort.

Viele möchten neue Freunde finden

Interessant ist eine Erkenntnis, die immer wieder aus persönlicher Erfahrung geschildert wurde: Die Jugendlichen von heute haben ziemlich genau die gleichen Interessen wie die Jugendlichen vor 20 oder 30 Jahren. Früher nannte man es „mit Freunden herumhängen“, die Telefonleitung des Hauses war oft stundenlang belegt. Heute nutzt man eben soziale Netzwerke, um Freunde zu treffen oder neue kennenzulernen. Freunde finden und Freunde treffen, sind die wichtigsten Themen der Jugendlichen – früher wie heute.

Mathias Wierth-Heining, Leiter der Entwicklungsabteilung beim Fernsehsender MTV, stellte in seinem Eröffnungsvortrag eine Studie vor, in der 26.000 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren aus zehn Ländern befragt wurden. Dabei gaben 79 Prozent an, dass sie soziale Netzwerke nutzen, um mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben, 54 Prozent möchten dort auch neue Freunde finden.

Viel mehr als nur eine Modeerscheinung

In einem Punkt waren sich alle Podiumsteilnehmer einig: anders als vor einigen Jahren die virtuelle Welt von Second Life, ist das Thema soziale Medien viel mehr als nur eine Modeerscheinung. Ob Facebook aber das meist genutzte Netzwerk bleiben wird, sei einmal dahingestellt. Denn auch das belegen Studien: Die Nutzer gehen dorthin, wo die anderen sind. Manchmal wechsle man blitzschnell die Plattform, erklärt Thomas Langheinrich, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation. Es gebe keine besondere Bindung zum Anbieter.

Am Montagnachmittag konnten sich die Kongressteilnehmer dann in verschiedenen kleineren Veranstaltungen zu spezielleren Themen fortbilden. Ein wichtiger Aspekt war dabei der Datenschutz. Außerdem wurden Beispiele aus der Praxis von unterschiedlichen Medienanbietern präsentiert. In diesem Zusammenhang hat der StZ-Online-Redakteur Tobias Köhler „Brezel.me“, das erfolgreiche Blog der Stuttgarter Zeitung, als gelungenes Beispiel für die Nutzerbindung an eine Medienmarke vorgestellt. Dass genau darin die Zukunft von Medienhäusern liegen wird, davon ist Kristian Kropp, Geschäftsführer beim Radiosender Big FM, ohnehin überzeugt: „Es geht um Marken, nicht um den Kanal, auf dem sie verbreitet werden.“ Es gehe im Wettbewerb nur darum, wer letztlich die Aufmerksamkeit der Nutzer erlange. Kropp ergänzt, dass auch die „(alten) Journalisten“ umdenken müssten. Früher wollten diese nur senden. Er habe mittlerweile gelernt, auch zu empfangen und sich zu vernetzen.

Soziale Netzwerke gehören zum Alltag

Dass Facebook kein anderes Interesse hat, als mit den Daten der Nutzer Geld zu verdienen, ist jedem der Kongressteilnehmer – auch den jungen, sogenannten Digital Natives, die immer wieder mit auf dem Podium sitzen – klar. Dennoch: wer als Jugendlicher nicht bei Facebook ist, wird nicht mehr zu Partys eingeladen. Soziale Netzwerke gehören zum Alltag. Niemand möchte gerne ausgegrenzt werden. Der soziale Druck, sich dort anzumelden, ist immens.

Ob alternative Netzwerke, wie zum Beispiel das nichtkommerzielle Diaspora, eine Chance haben, entscheiden die Nutzer. Wünschenswert wäre es in jedem Fall, den großen Firmen aus den USA nicht das Feld zu überlassen. Auch deshalb ist es wichtig, dass es in einer Stadt wie Stuttgart einen jährlichen Medienkongress gibt.