Stephan Grupp leitet eine Messebaufirma in Stuttgart-Plieningen – und gehört damit zu jenen, die stark und wohl am längsten von der Corona-Krise betroffen sind. Es gibt keinen einzigen Auftrag mehr, die Kollegen sind zu Hause. Wie geht es weiter?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Plieningen - Kein Kreischen einer Kreissäge. Keine Geräusche vom Beladen eines Lastwagens. Und in der Produktion war das Licht schon seit Tagen nicht mehr an. Nur noch drei Menschen halten sich zurzeit in der Räumen des Plieninger Messebauers Grupp auf, wo normalerweise rund 25 Menschen arbeiten. Nun sind noch die Kollegin vom Empfang, der Prokurist und Stephan Grupp da. Letzterer sitzt am Donnerstagmorgen in seinem Büro und macht kein Geheimnis daraus, wie dramatisch die Corona-Situation für ihn persönlich, seine Mitarbeiter und die Zukunft der Firma ist. „Die Messebauer waren die Ersten überhaupt, die von der Krise betroffen waren – und es werden auch diejenigen sein, die am längsten darunter leiden werden.“

 

Mit dieser Einschätzung liegt der 54-Jährige vermutlich genau richtig. Weil bei Messen viel internationales Publikum zu Gast ist und weil sich sehr viele Menschen auf sehr engem Raum aufhalten, wird es voraussichtlich noch lange dauern, bis solche Veranstaltungen wieder möglich sein werden. Stand jetzt wurden bis Ende August sämtliche Messen abgesagt, möglicherweise wird es sogar noch länger dauern. Mehr als eine Million einzelner Aufträge sind bei dem Plieninger Unternehmen deshalb weggefallen. „Das ist jetzt ein Überlebenskampf“, meint Stephan Grupp.

„Das kam zur schlimmsten Zeit überhaupt“

Als Ende Februar die erste Messe – die Light and Building in Frankfurt – abgesagt wurde, hatte er das Coronavirus noch gar nicht richtig auf dem Schirm: „Ich dachte damals, vielleicht hat die Absage politische Gründe. Oder dass die Firmen ihre Mitarbeiter schützen wollen vor Veranstaltungen mit so vielen Menschen.“ Kurz darauf ging es im Zehn-Minuten-Takt: Eine Messe nach der anderen wurde abgesagt. „Zuerst dachte ich: Die Messen für die nächsten vier Wochen fallen weg. Dann: für die nächsten acht Wochen. Dann: für die nächsten zwölf Wochen.“ Nun ist es mindestens ein halbes Jahr.

Das Bittere für Grupp: Messebaufirmen haben zwei Phasen, in denen sie Geld verdienen: im Frühling und im Herbst, denn da finden die allermeisten Messen statt. „Wir brauchen den Frühling, um uns für das Sommerloch aufzupolstern“, erläutert Grupp. „Die Corona-Krise kam zur schlimmsten Zeit überhaupt.“ Daran, dass auch noch im Herbst Messen ausfallen könnten, will der Firmenchef gar nicht erst denken.

Auf dem Papier arbeiten die Mitarbeiter halbtags

Seit dem 4. März, also seit genau einem Monat, gibt es für die Mitarbeiter bei Grupp keine Arbeit mehr. Seitdem sind alle Schreiner, Elektriker, Schlosser, Maler, Zeichner, Innenarchitekten und Projektleiter zu Hause. Auf dem Papier arbeiten sie halbtags weiter, Stephan Grupp zahlt die Hälfte ihres Gehalts. „Sie zu 100 Prozent in Kurzarbeit zu schicken, wäre sozial nicht vertretbar.“ Er führt den Betrieb seit 29 Jahren, etliche seiner Mitarbeiter sind ähnlich lange da. Viele haben Kinder. Und mehrere leben von den Überstunden, die im Messebau an der Tagesordnung sind. Mit 100 Prozent Kurzarbeit und ohne Überstunden hätten manche nur noch 850 Euro bekommen – das gehe nicht, sagt Grupp.

Formal sind seine Leute zu 50 Prozent in Kurzarbeit. Die wegfallende Hälfte des Gehalts wird teilweise aus der Kurzarbeitergeld-Kasse der Bundesanstalt für Arbeit kompensiert. 60 000 Euro Lohnkosten pro Monat bleiben an der Firma hängen. Stephan Grupp weiß noch nicht, wie der Plieninger Familienbetrieb das verkraften soll, „keiner weiß, wie es gesamtwirtschaftlich weitergeht“.

Plötzlich fällt alles weg

Parallel hat Grupp einen Kredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Kfw) beantragt – doch die Bearbeitung zieht sich. Außerdem hat er vor anderthalb Wochen einen Soforthilfeantrag beim Land Baden-Württemberg gestellt. Wobei Stephan Grupp den Begriff „Soforthilfe“ kritisiert: „Das ist keine sofortige Hilfe. Bisher hat uns der Staat komplett im Stich gelassen.“ Immerhin: Sobald der Antrag bewilligt wird, könnte ein Unternehmen von der Größe der Grupp Messebau GmbH rund 30 000 Euro bekommen.

Vorerst wird Stephan Grupp weiterhin jeden Tag von seinem Zuhause in Möhringen in die verwaisten Räumlichkeiten nach Plieningen fahren. Gemeinsam mit seinem Prokuristen gilt es, die Abrechnungen für die Kurzarbeit zu erledigen, Finanz- und Liquiditätspläne zu erstellen, Anträge auszufüllen und die Mails zu beantworten, die noch reinkommen. „Für meine Mitarbeiter und mich ist das brutal“, sagt er. „Im Alltag laufen wir immer auf 150 Prozent, das ist so im Messebau.“ Plötzlich falle das alles weg: zu reisen und permanent in Bewegung zu sein. Einige seiner Mitarbeiter würden deshalb nun täglich bei ihm anrufen. Und Stephan Grupp selbst? „Ich fühle mich wie ein Tiger im Käfig“, meint er.