Oguzhan Deniz und Sarah Kürten haben gemeinsam das Label Wiederbelebt gegründet. In ihrem Ladenatelier im Leonhardsviertel entwerfen sie aus Stoffresten neue Kollektionen. In Zukunft wollen die beiden ihr Atelier auch für Veranstaltungen nutzen.

Stuttgart - Wenn er sich entscheiden müsste, dann wäre es wohl die Bundeswehrjacke, die ihm am besten gefällt. Oguzhan Deniz greift in die Kleiderstange und zieht einen dunklen Parka hervor. Statt in Khaki kommt dieser in Schwarz daher, auf dem Rücken haftet ein großer Aufnäher mit der Aufschrift: Wiederbelebt.

 

Wiederbelebt ist der Name des Modelabels, das der 30-Jährige gemeinsam mit Sarah Kürten gegründet hat. Die beiden Modedesigner und Textiltechnologen kennen sich aus dem Studium an der Hochschule in Albstadt-Sigmaringen.

Tattoo am Handgelenk

Das war vor zehn Jahren. Heute stehen sie im Leonhardsviertel in ihrem eigenen Laden, mit eigenem Atelier und eigenem Label. Ein Traum? "Natürlich!", sagt Sarah Kürten und nippt an ihrem Kaffee. Die vergangenen Tage, oder vielmehr Wochen und Monate seit dem Start waren anstrengend. Es ist viel zu tun, wenn man sich selbstständig macht. Doch: "Das ist unser Baby. Da stecken wir alles rein, von Energie bis Geld, damit es voran geht", sagt die 28-Jährige. Die Arbeit wächst keinem der beiden über den Kopf, sie sind mit Begeisterung bei der Sache und tüfteln im angeschlossenen Atelier an neuen Ideen. Wie ernst es ihnen ist, sieht man, wenn der Ärmel hochrutscht: beide haben sich das Logo von Wiederbelebt auf das Handgelenk tätowieren lassen. "Das motiviert uns", sagen sie.

Wiederbelebt ist kein gewöhnliches Modelabel. "Uns war von Anfang an klar, dass wir etwas Faires und Nachhaltiges schaffen möchten", sagt Kürten. Kinderarbeit und andere Greuel, die in der Textilindustrie leider allzu häufig vorkommmen, lehnen sie ab.

Stattdessen beleben sie, wie der Name ihres Labels schon sagt, alte, fast schon weggeworfene Stoffe wieder neu. Bei der Produktion neuer Kollektionen wird eine Menge Überschuss von Materialien und Stoffen erzeugt. Das meiste landet auf dem Müll oder wird verbrannt. Eine Verschwendung, wie Kürten und Deniz finden. Deshalb haben sie sich mit Textilunternehmen aus Baden-Württemberg in Verbindung gesetzt, und nach Restware gefragt. Mit Erfolg. Die Kleidung besteht nun aus aufgekauften Überschüssen, das gilt nicht nur für die Stoffe sondern auch für Material wie Knöpfe und Reißverschlüsse.

Faire und tragbare Mode

Wer jetzt an Patchwork denkt, liegt falsch. Im Laden nahe der Leonhardskirche reihen sich schlichte, minimalistische, skandinavisch anmutende Kleidungsstücke aneinander. Die Farben sind gedeckt: Schwarz, Grau, Dunkelgrün, höchstens ein Hellblau ist zu entdecken. "Unsere Mode soll zwar fair, aber auch tragbar sein. Wir designen das, was auch uns gefällt und was wir selbst tragen", sagt Kürten. Sie seien selbst überwältigt gewesen, wie viel sie abkaufen dürfen, wie groß das Überschuss-Stofflager war. Limitiert sind die Kleidungsstücke trotzdem. In jedem Teil, das verkauft wird, ist ein Etikett eingenäht. An der Kasse wird darauf die Nummer notiert, fünfzig Mal gibt es jedes Modell - in unterschiedlichen Stoffen.

Manchmal bekommen die beiden auch ganze Kleidungsstücke. Wie die Parkas von der Bundeswehr. An einem Kleiderständer hängen außerdem Unikate, Retourware, die von Kürten und Deniz aufgewertet wird. Etwa eine Jeans mit aufgenähten Blumen im osmanisch geprägten Stil, wie Deniz erklärt.

Die Jungdesigner sind Pioniere

Entworfen wird die Mode im Laden, im angeschlossenen Atelier. Der Laden ist so aufgebaut, dass ein Blick hinter die Kulissen geworfen werden kann. Produziert wird in Deutschland und in Polen. "Wir haben gute Produktionsstätten gefunden, die gute Standards haben, die auch immer wieder vor Ort kontrolliert werden", sagt Deniz.

Seit Mitte März sind die beiden jetzt in Stuttgart mit ihrem Geschäft. Anfangs waren sie von der Lage mitten im Rotlichtviertel nicht so richtig angetan. Inzwischen ist das Gegenteil der Fall. "Das Viertel ist mitten in der Stadt und macht sich", sagt Kürten. Nebenan entstehen immer mehr Bars, wie das Paul & George oder das Immer Beer Herzen. Erfahrungsgemäß folgen auf hippe Bars, hippe Läden. So gesehen, sind die beiden Jungdesigner Pioniere.

Um noch mehr Menschen zu erreichen und um die Räumlichkeiten besser zu nutzen, möchten die beiden in Zukunft auch Veranstaltungen organisieren. Die erste ist schon am kommenden Samstag: ein Wohnzimmerkonzert mit der Band Otto Normal.

Wohnzimmerkonzert: am Samstag, 29. Oktober, Einlass: 19.30 Uhr, im Atelier Wiederbelebt, Leonhardsplatz 18, www.wieder-belebt.de