Uhlbach ist Idylle, der Talkessel ist Verkehrschaos, Shopping und jede Menge Trubel: Die Stuttgarter Stadtbezirke könnten verschiedener kaum sein. Das stellt die Politik – und damit den neuen OB – vor große Herausforderungen.

Stuttgart - Uhlbach ist Idylle. Das einstige Wengerterdorf liegt sanft eingebettet zwischen Weinbergen, Gasthäuser wie der urige Ochsen locken Touristen. Im nahen Remstal ist es auch nicht schöner. Uhlbach ist allerdings ein Stadtteil der Landeshauptstadt und leidet unter Problemen, mit denen auch andere Großstadtquartiere zu kämpfen haben. So gibt es in Uhlbach seit geraumer Zeit kein Lebensmittelgeschäft mehr, die Einwohner müssen zum Einkaufen zumindest bis Obertürkheim, wenn nicht noch weiter fahren. Alle Versuche, dort ein neues Geschäft zu etablieren, sind bisher gescheitert.

 

Wenige Kilometer weiter ist rund um die Königstraße kaum ein Hauch von Idylle zu entdecken. Pausenlose Verkehrsströme quälen sich durch den Talkessel, mehrspurige Stadtautobahnen trennen die Wohnquartiere voneinander, sorgen für grenzwertige Lärm- und Feinstaubangriffe auf die Bewohner. Hier gibt es Geschäfte im Überfluss – dafür ist Wohnraum knapp und teuer, die Lebensqualität wird durch den allwöchentlichen Ansturm von Shoppingwütigen aus der Region, eine Flut von Veranstaltungen und den damit verbundenen Besucherströmen und einer Großbaustelle nach der anderen beeinträchtigt.

Der Unterschied zwischen zentralen und Randlagen ist groß

Zwischen City und Weinbergen liegen also Welten. Das macht die Aufgabe, für eine positive Weiterentwicklung der Stadtbezirke zu sorgen, schwierig, egal ob für die Stadtverwaltung in Person der Bezirksvorsteher, der Fachbürgermeister oder des OB, für die Parteien oder die Verbände. Der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf Einkaufsverhalten und Ansprüche an Wohnungen, die fehlenden Kinderbetreuungsplätze, der Wandel der Schullandschaft, die vermeintlich überall zu vielen Autos, egal ob fahrend auf den Straßen oder parkend am Rand – all das sind die gesellschaftlichen Entwicklungen, Tendenzen, Phänomene, die sich zuerst im direkten Lebensumfeld der Stuttgarterinnen und Stuttgarter in den Bezirken auswirken. Darüber wird früh in den Bezirksbeiräten diskutiert, was aber nicht immer entsprechend im Gemeinderat und der Verwaltung wahrgenommen wird. Wenn Betreuungsstadträte wie schon geschehen Bezirksbeiratssitzungen als unter ihrem Niveau abtun, dann nützt ihnen nicht einmal ein Teleskop bei der Suche nach Bürgernähe.

Trotzdem ist in der jüngeren Vergangenheit einiges für die Stadtbezirke passiert. So wurden achteinhalb zusätzliche Stellen für die Bürgerbüros in den Bezirken geschaffen, damit das viel gelobte Serviceangebot mitten in den Stadtbezirken zumindest aufrechterhalten werden kann.

Die Zentren der Stadtbezirke müssen kämpfen

Auch ein anderes Instrument zur Entwicklung der Stadtbezirke wurde gestärkt: Von der Stadtentwicklungspauschale (Step) profitieren bisher zwar nur die fünf Innenstadtbezirke und Bad Cannstatt, die dortigen Bezirksbeiräte nutzen das Förderinstrument aber gerne, um das Wohnumfeld in ihren jeweiligen Bezirken zu verbessern. Die deutliche Aufstockung des Step-Etats ermöglichte ihnen gerade erst vor der Sommerpause, neue Projekte zur Umgestaltung von Kreuzungen, Straßen und Plätzen in ihre Prioritätenlisten aufzunehmen. Die ersten Bauarbeiten sollen noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden.

Ein Fortschritt beim Versuch, die kleinen Einkaufsstraßen am Leben zu erhalten, ist die neue Vergnügungsstättenverordnung. Mit ihrer Hilfe kann ab sofort die Neuansiedlung von Spielhallen in den kleineren Einkaufszentren der Stadt verhindert werden. In den vergangenen Jahren hatten die zahlungskräftigen Vergnügungseinrichtungen zunehmend das Bild in den besseren Geschäftslagen in Stadtteilen wie Gablenberg oder Ostheim bestimmt, was zu weiteren Ladenschließungen führte. Das soll mit der Verordnung ein Ende haben. Allerdings gilt Bestandsschutz für bestehende Spielhallen.

Hoffnungen ruhen auf dem Stadtteilmanager

Auch der dank eines EU-Projektes bei der städtischen Wirtschaftsförderung angestellte Stadtteilmanager hat zumindest in einigen Stadtbezirken für positive Impulse gesorgt. Ziel war und ist, Instrumente zum Erhalt und zur Verbesserung eines funktionierenden Lebensumfeldes direkt in den Stadtbezirken zu schaffen. Dazu gehörten Marketingmaßnahmen ebenso wie der Versuch, ein Leerstandsmanagement zu organisieren, mit dessen Hilfe leer stehende Geschäfte in den Stadtteilen möglichst rasch wieder vermietet werden sollten. Auch wenn der Erfolg der einen oder anderen Maßnahme nur mäßig war – in einigen Stadtbezirken sind durch den Stadtteilmanager neue Entwicklungen angestoßen worden.

Andere politische Themen sind noch lange nicht ausdiskutiert. Da geht es zum Beispiel um die Bezirksbeiräte als rein beratende Gremien und die Art und Weise, wie sie zusammengesetzt werden. Bisher besetzen die Parteien die Gremien entsprechend dem jeweiligen Wahlergebnis, es gibt aber auch Stimmen, die eine Direktwahl fordern. Allerdings tun sich die Parteien jetzt schon schwer, überhaupt genügend und geeignete Kandidaten zu finden.

Und dann sind da noch die Bezirksvorsteher selbst. In den fünf Innenstadtbezirken sind sie nur ehrenamtlich tätig, in den übrigen Bezirken haben sie Abteilungsleiterfunktion. Sie sollen unter anderem die Beteiligung der Bürger frühzeitig direkt vor Ort organisieren, so wie es beispielsweise in Stuttgart-Ost bei den Planungen für das Mineralbäder-Areal geschehen ist. Allerdings stoßen dabei nicht nur die ehrenamtlichen Bezirksvorsteher sehr schnell an finanzielle und personelle Grenzen.

Dass sich die Stuttgarterinnen und Stuttgartern allerdings eine frühzeitige Beteiligung an politischen Planungsprozessen wünschen, hat gerade das Berger Modell gezeigt: Zu den beiden öffentlichen Diskussionsveranstaltungen kamen jeweils mehrere hundert Menschen.