In der Analyse des Statistischen Amts der Stadt Stuttgart kommt Sebastian Turner, der Bewerber der CDU, der auch von FDP und Freien Wählern unterstützt worden ist, schlecht weg.

Stuttgart - Zwei Monate nach dem Sieg des Grünen-Bundestagsabgeordneten Fritz Kuhn bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart hat der Leiter des Statistischen Amts der Stadt, Thomas Schwarz, in bewährter Manier die Ergebnisse der OB-Wahl analysiert. Er ermittelte Wählerwanderungen und verglich die Erkenntnisse mit früheren Wahlen. Als Grundlage dienten Wählerbefragungen am 7. und am 21. Oktober in 20 (von 349) zufällig ausgewählten Wahlbezirken. Dabei wurde nach dem Zufallsprinzip jeder fünfte Wähler nach der Stimmabgabe gebeten, einen Fragebogen auszufüllen.

 

Dabei stellte sich heraus, dass bei dieser OB-Wahl mit gleich zwei aussichtsreichen, aber auch weitgehend unbekannten parteilosen Bewerbern noch stärker als früher die Persönlichkeit der Kandidaten im Vordergrund stand. Nur 22 Prozent maßen der Parteizugehörigkeit eine entscheidende Rolle zu. Bei der Neuwahl stieg diese Zahl auf 30 Prozent. Zum Vergleich: bei OB Schusters Wiederwahl 2004 war für 33 Prozent die Parteizugehörigkeit von Bedeutung.

Das Ergebnis ist bekannt: Fritz Kuhn siegte bei der Neuwahl deutlich vor dem von der CDU nominierten und von FDP sowie Freien Wählern unterstützten Berliner Unternehmer Sebastian Turner. Die für die SPD angetretene Bettina Wilhelm landete im ersten Durchgang abgeschlagen auf dem dritten Platz und zog danach ihre Bewerbung ebenso zurück wie Hannes Rockenbauch von der SÖS.

Bettina Wilhelm landet auf der Beliebtheitsskala vor Turner

Die Befragung der Wähler am 7. Oktober verhalf Wilhelm zu einem so nicht erwarteten Achtungserfolg. Auf die Frage, was sie eigentlich von den jeweiligen Kandidaten hielten, äußerten sich viele, und auch solche, die sie gar nicht gewählt hatten, so positiv über die SPD-Bewerberin, dass sie in der Beliebtheitsskala einen Platz gutmachte und mit 53 von 100 Punkten auf Rang zwei landete. Das sind zwar zwölf Punkte weniger als beim Gewinner Fritz Kuhn, aber eben drei mehr bei als Sebastian Turner, der hinter Kuhn die zweitmeisten Stimmen eingestrichen hatte.

Ursächlich für das schlechte Ergebnis des CDU-Kandidaten war, dass er relativ niedrige Bewertungen von den Wählern der anderen Bewerber erhielt – und zudem von eigenen Anhängern (82 Punkte) niedriger bewertet worden war als Kuhn (84), Wilhelm (85) und der SÖS-Kandidat Hannes Rockenbauch (90) von ihren Unterstützern.

Fritz Kuhn wäre wegen seines Vorsprungs im ersten Wahlgang gegenüber Sebastian Turner laut Thomas Schwarz selbst dann OB geworden, wenn Bettina Wilhelm nicht zurückgezogen hätte. Sie war nämlich von den SPD-Wählern im Stich gelassen worden. Hilfreich war für Kuhn der Rückzug von Hannes Rockenbauch (SÖS), der auf 10,4 Prozent gekommen war. Hatte Kuhn im ersten Durchgang nur drei Viertel der Grünen-Anhänger hinter sich, viele Parteianhänger boykottierten ihn anfangs wegen der angeblich zu positiven Haltung der Grünen zum Projekt Stuttgart 21, so erhöhte sich die Quote bei der Neuwahl auf 94 Prozent.

Kuhn konnte Wähler verschiedener Schichten ansprechen

Eine weitere Zahl spricht dafür, dass sich S-21-Gegner von Kuhn mehr versprachen als von Turner: 87 Prozent der Rockenbauch-Anhänger, die zweimal ihre Stimme abgaben, präferierten bei der Neuwahl Kuhn. Letztlich machten sie 13 Prozent an dessen Ergebnis von 52,9 Prozent aus. Einige Stadtteile und Wahlbezirke sind dunkelgrün: 82,7 Prozent holte Kuhn im Bezirk Evangelisches Friedens-Gemeindehaus in Mitte (ohne Briefwahl). In 199 von 349 Wahlbezirken holte er die absolute Mehrheit, in weiteren 16 eine relative. Kuhns Parteifreund, der Bundesvorsitzende und Bundestagskandidat Cem Özdemir, sieht der Wahl 2013 auch deshalb zuversichtlich entgegen, weil bei der Neuwahl sogar CDU-Hochburgen wie Möhringen, Sillenbuch oder Botnang an die Grünen fielen und auch Teile der Halbhöhe im Süden.

Der neue OB ist breit verankert: Nur 52 Prozent der Kuhn-Wähler sind Grünen-Anhänger; 24 Prozent kamen von der SPD und sieben Prozent von der CDU. Er holte gute Ergebnisse bei Schülern, Studenten, Arbeitslosen, bei Frauen und Gewerkschaftern. Extrem hoch war die Zustimmung bei „nichtchristlichen Religionszugehörigkeiten“.

Migranten und Ausländer plädierten mehrheitlich für Kuhn, ihr Anteil an den Wahlberechtigten ist mit 18 Prozent allerdings gering. Kuhns Stärken waren gleichzeitig die Schwächen des Bewerbers der CDU, die sich nun verstärkt um diese Personen- und Gesellschaftskreise kümmern will, um künftig als Großstadtpartei wahrgenommen zu werden.

Amtsleiter Schwarz hat auch für Turner und die ihn unterstützenden Parteien Interessantes ermittelt: Elf Prozent der CDU-Anhänger plädierten für Kuhn.

Sebastian Turner legte bei der Neuwahl vor allem deshalb zu, weil sich CDU-Anhänger aus Parteiräson verpflichtet fühlten, ihn zu wählen. Am Wahltag betrug der Anteil der FDP-Anhänger unter den Befragten gerade einmal vier Prozent. Immerhin stieg aber die Zahl der Turner wählenden Liberalen von 64 im ersten Wahlgang auf 82 Prozent. Nur ein Viertel der frei gewordenen Anhänger von Bettina Wilhelm wanderten zu Turner. Bei den Parteiungebundenen war Turner die Nummer eins: 56 Prozent stimmten für ihn, nur 40 für Kuhn.