Nach 15 Jahren hört die Stuttgarter Drum'n'Bass-Reihe U-Turn auf. Wir haben bei der Veranstalterin gefragt, warum das D'n'B-Revival hier nicht ankommt - und verraten, wo diese Musik sonst läuft.

Stuttgart - Das Stuttgarter Nachtleben sah im Jahr 2000 im direkten Vergleich zu heute eher schmächtig aus. Es gab noch keine „Theo“, noch weniger ein lebendiges Hans-im-Glück-Viertel, aber auch keine Clubs wie die Schräglage, das Schocken, Kowalski oder Romantica und Co. Aber es gab die Drum'n'Bass-Reihe U-Turn. Sie ist in Sachen Clubmusik das letzte Relikt aus der Zeit um den Jahrtausendwechsel. Sie hat sogar den Locationwechsel von der Röhre ins Universum überstanden.

 

Bis jetzt.

Nach 15 Jahren geht diesen Freitag, 13. Februar eine Ära zu Ende. Der U-Turn als letzte Konstante des Stuttgarter Nachtlebens verschwindet – definitiv und für immer. „Auch wir müssen einsehen, dass wir inzwischen andere Interessen in den Vordergrund stellen und haben daher schweren Herzens entschieden, die Veranstaltung einzustellen“, erklärt Heidi Zehrer vom U-Turn-Veranstaltungsteam. „Nach 15 Jahren kann man sich mit guten Gewissens verabschieden und die Party in bester Erinnerung behalten.“

Man nennt sie längst Klassiker

Die U-Turn ist eine jener Partys, die man längst Klassiker nennt. Jeden zweiten Freitag im Monat, klar, geritzt. Da ging auch gerne der Mitt-/Enddreißiger hin, „um mal wieder richtig einen draufzumachen, wegen der alten Zeiten, weisch, so wie früher.“ Diese (guten) alten Zeiten, die in der Röhre unrühmlich und überhastet zu Ende gingen, obwohl vielleicht noch ein paar Monate mehr drin gewesen wären.

Die Art und Weise der Röhre-Schließung macht Heidi Zehrer und ihre Mitstreiter noch heute wütend. War der erzwungene Locationswechsel das Anfang vom Ende? „Der Umzug war mit Sicherheit nicht förderlich für unsere Veranstaltung. Das Gesamtkonzept mit den drei Floors war durch die fehlenden Räumlichkeiten im Universum leider auch nicht optimal umzusetzen.“ Das Uni-Team gab sich aber jeden Monat größte Mühe, dass auch wirklich drei Floors geboten sind, betont Heidi.

D'n'B-Revival? Vielleicht, aber nicht hier

Das mit dem "Drum´n´Bass-Partyreihe" stimmt nämlich nur zum Teil. Floor zwei mit Dancehall und vor allem der dritte Wildstyle-Floor machten die U-Turn zu dem, was sie ist. Deswegen wurde erst gar nicht darüber nachgedacht, die Reihe in einem kleineren Rahmen und an einem anderen Ort fortzuführen. „Die U-Turn gibt es nur mit drei Floors, das wollen wir auf gar keinen Fall ändern oder anders weiterführen“, sagt Heidi Zehrer.

Dabei steht gerade Drum´n´Bass momentan international wie national besser da als noch vor einigen Jahren, bestätigt  Heidi. Stellenweise wird sogar von einem Revival gesprochen. So oder so: D'n'B bleibt eine Nische - gerade in Deutschland, wo sich britische Clubtrends allgemein seit jeher eher schwer tun.

Woran liegt das eigentlich? Im Gegensatz zu den gängigen und weit verbreiteten, massentauglichen Bodymusic-Stilen Techno/House und HipHop haben bei Drum´n´Bass viele ein Körperkoordinationsproblem. „Viele können auf diese Musik nicht tanzen, ich übrigens auch nicht“, lacht Heidi.

Aus ihrer Sicht liegt die geringe Aufmerksamkeit von D'n'B aber an der beschränkten Reichweite. Radiostationen und Musiksender hätten den Stil, der einst als „ein Jazz-Schlagzeug, das die Treppe hinunterfällt“ bezeichnet wurde, nicht im Programm (gehabt). „Zudem ist diese Musik vielen zu hart. Das hört man vor allem von den weiblichen Gästen sehr oft.“ Der U-Turn-Crew mit Punkrock-Background konnte es dagegen nie hart genug sein.

Lag es nun am mehr oder weniger Drum´n´Bass-Inseldasein in Stuttgart oder einfach am Happening, siehe der Mittdreißiger oben, dass sich die U-Turn 15 Jahre lang gehalten hat? Warum kamen die Leute bis zum Schluss? „Wir konnten das selbst nie wirklich einschätzen“, meint Heidi dazu. "Hatten wir ein fettes Booking aus London waren teilweise weniger Gäste da als wenn wir Leute aus der lokalen Szene gebucht haben.“ 

Mit der Dekopalme über den Dancefloor

Gerade der dritte Floor spielte ihrer Meinung nach eine große Rolle. In der Röhre musste man, um dorthin zu gelangen, über die große Bühne stolpern und landete dann in einer Art Höhle, eine Partygrotte, in der man von HipHop über Breaks bis hin zu Electro oder 80er-Kamellen und gefährlichen Special-Cocktails empfangen wurde. „Da wurde morgens regelmäßig auf dem DJ-Pult getanzt oder mit der Deko-Palme über den Dancefloor geschwoft.“

Das ist nur eine von vielen Erinnerungen, die sich während anderthalb Dekaden reichlich ansammeln. Eine andere Geschichte erzählt von der unbeholfenen Gogo-Tänzerin, die sich, Thema oben, nicht auf die Musik bewegen konnte. Wieder eine andere vom russischen Manager eines Gastacts, der Backstage eine Schlägerei angefangen hat. Und dann waren da noch die vielen emotionalen Momente bei der letzten U-Turn in der Röhre.

„Letztendlich waren ausnahmslos alle Partys für uns erlebnisreich, da in diesen Nächten immer Ungewöhnliches passierte“, so Heidi. Zwei der meistgespielten Tracks in den vergangenen 15 Jahren seien übriges die Drum´n´Bass Klassiker „Pulp Fiction“ (1995, siehe oben) von Alex Reece und Shy FX´ „Shake your Body“ (2001), das es damals in manchen Ländern  in die Charts schaffte:

Und wo geht der Stuttgarter Drum'n'Bass-Fan nach dem Ende der U-Turn hin? Zum Beispiel finden im Zollamt findet regelmäßig Events statt, die auf die rasenden Breaks setzen, bei Veranstaltungen wie der Rendezvous (jeden vierten Freitag im Monat im Romantica) oder der Breaking Bad wird D'n'B zwischen anderen Breakbeat-Styles eingebaut.

Von der U-Turn-Crew selbst gibt es abschließend noch gute Nachrichten: Die große Summerturn will man weiterhin veranstalten, außerdem ist Heidi Mitorganisatorin einer unregelmäßig stattfindenden Veranstaltung im Lehmann mit internationalen Bookings. Und wie es in Stuttgart schon oft der Fall war, öffnet sich vielleicht noch woanders ein Türchen.

U-Turn, 13. Februar, Universum
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