Ausgerechnet am Weltfrauentag spielen die StuttgarterPhilharmoniker Werke zwischen Ekstase und Femizid.

Deplatzierter kann ein Konzertprogramm gar nicht sein: Am Weltfrauentag spielten die Stuttgarter Philharmoniker den „Tanz der sieben Schleier“ und das Finale aus Richard Strauss’ Oper „Salome“, außerdem Hector Berlioz’ Symphonie fantastique. Das eine Werk lässt männliche sexuelle Projektionen auf den weiblichen Körper im Grenzbereich zwischen Wahnsinn und Ekstase hören, das andere handelt von einem Mann, der im Fiebertraum einen Femizid begeht und dafür auf dem Schafott landet.

 

Hätten die dramaturgisch sonst so klugen Stuttgarter Philharmoniker nicht wenigstens an diesem denkwürdigen Tag ein kleines Schlaglicht werfen können in einen riesigen Schattenbereich der Musikgeschichte? Hätten sie nicht mal Werke jener großartigen Komponistinnen spielen können, die der patriarchal orientierten Musikgeschichtsschreibung zum Opfer gefallen sind? Eine Sinfonie von Louise Farrenc etwa, ein Klavierkonzert von Amy Beach oder ein Violinkonzert von Grażyna Bacewicz? Bei der Recherche wäre sicher auch einiges aufgetaucht, das thematisch zur Reihe „Mythos Orient“ gepasst hätte, in deren Rahmen das Konzert stattfand.

Von null auf totalen Wahnsinn schalten

Stattdessen wurden Ohren und Gehirn gleich zu Beginn mit auskomponierten sexuellen Männerfantasien betäubt, die ohne die ganze Oper und eine Inszenierung drumherum ohnehin schwer erträglich sind. Auch für Sopranistinnen dürfte es ein Kraftakt sein, im ausgekoppelten Schluss der „Salome“ von null auf totalen Wahnsinn zu schalten. Die Sopranistin Ricarda Merbeth, auch sonst in Strauss- und Wagner-Opern unterwegs, hat das aber professionell über die Bühne gebracht: mit Volumen, Kraft und großer Dramatik.

Abgesehen von der problematischen Programmierung gelang den Philharmonikern in der Leitung Dan Ettingers aber eine wirklich mitreißende Interpretation der Berlioz’schen Symphonie fantastique. Packend der weite dramatische Bogen dieses sinfonischen Albtraums, das Orchester mit Hingabe spielend. Viel Detailarbeit war da zu hören: fein gestaltete Übergänge, ein dynamisch flexibel agierender Streichapparat, satte und berührende Einsätze der Blasinstrumente.