Für seine Lieblingsstadt Stuttgart wünscht er, dass in ihr die bunte Vielfalt erblühen kann – ohne Gefahr von rechts. Im Rathaus findet der frühere Intendant Sebastian Weingarten, dem die Prominentenkicker ihren Goldenen Volltreffer verleihen, klare Worte.
Mit immer neuen Ideen für sein geliebtes Stuttgart hat „Häuptling kesse Lippe“, wie man den unvergessenen Erich Brodbeck nannte, seine Mitmenschen verblüfft und in der Stadt mit seinem Tatendrang was bewegt. Der frühere Sportjournalist und ADAC-Presssprecher, der vor elf Jahren gestorben ist, gilt als Erfinder des Weindorfs – und hat obendrein 1975 die Stuttgarter Prominentenkicker erfunden. Ein legendärer Satz ist von ihm überliefert: „Wer prominent ist, bestimme ich.“
Rommel sprach vom „Oscar von Stuttgart“
Recht lustig ging’s also zu beim Präsidenten Erich und den Seinen, aber es ging dabei niemals nur um Spaß. Mit dem Goldenen Volltreffer ehren die „Prokis“, die sich von einem im Fußball verbundenen Freundeskreis zum vielseitigen Verein mit heute 600 Mitgliedern entwickelt haben, seit 1983 Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die sich über die Maßen dafür engagieren, dass ihre Stadt noch attraktiver und lebenswerter wird. OB Manfred Rommel soll gar auf gewohnt heitere Weise gesagt haben, dieser Preis sei der „Oscar von Stuttgart“. Wow! Na klar! Sein Wort gilt bis heute!
Kein Wunder also, dass der Schauspieler Sebastian Weingarten, der im vergangenen Sommer die Intendanz des Renitenztheaters nach 20 Jahren abgegeben hat, sofort bereit war, diesen Preis anzunehmen, auch wenn er davor gar nicht wusste, dass es ihn gibt, und er erst mal googeln musste. „Einen Oscar will jeder Schauspieler mal“, sagt der 67-Jährige am Dienstagabend bei der Verleihung im Großen Sitzungssaal des Rathauses vor einer illustren Gästeschar (dabei: von Impresario Michael Russ bis zum in.Stuttgart-Chef Andreas Kroll, vom Zauberpaar Topas & Roxanne bis zu Babs Steinbock & Anette Heiter von den DooWopMädla, von der früheren Dekra-Protokollchefin Maxi von Bleyle bis zur Künstlerin Christa Winter).
Kulturbürgermeister Fabian Mayer lobt in seiner Laudatio, dass Sebastian Weingarten mit dem Renitenztheater einen „umtriebigen, frischen Ort“ geschaffen und stets den Nachwuchs gefördert habe. Obendrein zitiert der OB-Stellvertreter den Kabarettisten Christoph Sieber, der bei der Abschiedsfeier diesen großen Satz gesprochen hat: „Ohne Sebastian wäre Stuttgart Reutlingen.“
Von Walter Schultheiß bis Gotthilf Fischer, von Gaby Frenzel bis Werner Schretzmeier, von Topas bis Eric Gauthier – die Liste der mit dem Volltreffer geehrten Persönlichkeiten ist lang. Sebastian Weingarten ist die Nummer 39. Hans-Ulrich Jelitto, der Präsident der Prominentenkicker, kann etliche frühere Preisträger im Großen Sitzungssaal begrüßen und verweist darauf, dass es bei seinem Verein längst nicht nur um Fußball geht – auch gesellschaftlich werden Zeichen gesetzt. Im nächsten Jahr feiern die „Prokis“ ihren 50. Geburtstag.
Wie bei einem großen Familientreffen
Ein bisschen ist’s wie bei einem großen Familientreffen. Es sind viele Verwandte dabei, die in Ehren ergraut sind, weswegen man Sätze hinter vorgehaltener Hand hört wie „Ach, ist der alt geworden!“ Aber es sind auch Jüngere da, über die man sich freut, weil auch sie Stuttgart-verrückt sind. Und es berührt, wie vertraut die Festgemeinde miteinander ist und Spaß hat.
Die besten Späße des Abends liefert Bernd Kohlhepp ganz in Grün, als Kabarettist ein Vollprofi, der den Volltreffer interviewen darf. Sebastian Weingarten erzählt davon, wie er Gerhard Woyda, den Gründer des Renitenztheaters, der sein Leben prägte, in St. Tropez kennen gelernt hat, ihn 1976 zum ersten Mal in Stuttgart besuchte, als er noch mit dem Auto auf der Königstraße fahren konnte. Und der frühere Intendant, der als Schauspieler im „letzten Drittel meines Lebens“ noch mal was wagen will und deshalb rechtzeitig als Intendant abgetreten ist, erinnert daran, wie er Zarah Leander betreut hat, die im zweiten Renitenztheater im damaligen Hotel SI auf den Fildern auftrat.
Kohlhepp fragt Weingarten, was er sagen wolle, wenn er eines Tages an der Himmelspforte klopfen werde, warum man ihn dort oben aufnehmen sollte. Stets geleitet habe ihn, antwortet der Geehrte, „die Liebe zu Menschen und zum Leben“.
Und dann will der Kabarettist provokant wissen, was Weingarten auf einen Zettel schreiben würde, wenn er einen in den Rathaus-Briefkasten der AfD werfen solle. „Fuck AfD“, sagt der Theatermann unverblümt. Denn die Angriffe auf die Demokratie dürfe man nicht hinnehmen. Stuttgart, so lautet sein Wunsch, müsse die Stadt der bunten Vielfalt sein. Es gibt großen Beifall dafür.