Stuttgarter Psychologe Leon Schäfer Wie kommunizieren wir richtig?

, aktualisiert am 14.01.2023 - 16:00 Uhr
Ob online oder offline – wir scheitern heute oft an der richtigen Kommunikation. Foto: Unspalsh/Priscilla du Preez

Ob online oder offline  – wir scheitern oft an der richtigen Kommunikation miteinander. Wie man Missverständnisse vermeidet, was Emotionen damit zu tun haben und wie man gute Kommunikation erlernen kann, erklärt der Stuttgarter Psychologe Leon Schäfer. [Plus-Archiv]

Wir sind oft den ganzen Tag online, haben unser Smartphone immer griffbereit und sind so mehr oder weniger rund um die Uhr mit anderen Menschen im Austausch. Und dennoch gelingt es uns oft nicht, richtig miteinander zu kommunizieren. Sowohl online als auch offline. Haben wir richtige Kommunikation etwa verlernt? Und warum entstehen so oft Missverständnisse? Im Interview gibt uns der Stuttgarter Psychologe Leon Schäfer Antworten.

 

Herr Schäfer, was macht gute Kommunikation aus?

Für mich ist vor allem die Haltung wichtig – diese sollte respektvoll und wertschätzend sein. Egal, um welches Thema es sich dabei handelt. Kommunikation sollte auch klar sein und es ist immer von Vorteil, wenn authentisch kommuniziert wird. Das macht die Sache wesentlich leichter und sorgt dafür, dass weniger Missverständnisse entstehen. Es hört sich vielleicht etwas seltsam an, aber es ist für den Ausgang eines Gespräches oft besser, wenn ohne Emotionen diskutiert oder argumentiert werden kann.

Das heißt?

Ganz konkret heißt das: Der andere hört lieber zu, wenn Sie einen Satz beginnen mit „das gefällt mir nicht, wie das im Moment läuft“ als mit „ist ja klar, dass Du das wieder nicht hinkriegst.“ Ich-Botschaften sind erfolgreicher als Vorwürfe. Besonders schlecht ist, wenn Menschen, die kommunizieren, das Gespräch nutzen, um mit allem, was so in den letzten Jahren vorgefallen ist, abzurechnen. Allerdings haben wir wenig Einfluss darauf, durch welchen Filter Menschen hören. Wir können es noch so gut meinen – und der andere hört dennoch Vorwürfe oder Kritik.

Wie hat sich unsere Art der Kommunikation in den letzten Jahren verändert?

Die Kommunikation ist auf jeden Fall einfacher geworden. Früher gab es das Telefon, Sie haben sich für abends verabredet und es gab oft keine Möglichkeit, bis dahin in Kontakt zu treten. Ich bin also besser zum Treffen gegangen, sonst hätte der andere ja umsonst gewartet.

Heute können wir sofort und überall Kontakt zu jedem aufnehmen, zum Beispiel via WhatsApp oder Video-Call. Egal, ob vom anderen Ende der Welt oder von ganz in der Nähe. Wir teilen viel mehr Informationen als es früher der Fall war. Und viel schneller. Früher haben Sie aus dem Urlaub eine Karte geschickt, die kam dann in aller Regel nach Ihnen zu Hause an. Heute landen Sie in der Urlaubsregion und das erste, was Sie machen, ist ein Bild auf Instagram hochzuladen oder den Freunden ein paar Eindrücke zu schicken. Und die Kommunikation ist auch günstiger geworden. Früher wurden Karten und Briefe verschickt. Die haben schon immer etwas gekostet. Heute kosten Mails oder Apps zumindest im freien Wlan nichts.

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Das ist ja per se nicht schlecht. Gibt es denn auch Nachteile dieses Wandels?

Natürlich! Wenn Sie einen Brief schreiben und ihn am nächsten Tag zum Briefkasten bringen, können Sie so lange noch überlegen, ob dieser tatsächlich so weg soll. Eine Nachricht im Messenger ist schnell getippt und noch schneller verschickt. Für impulsive Menschen oder impulsive Antworten eher problematisch.

Gute und schlechte Nachrichten gehen heute in Sekunden um die Welt. Früher konnte man zwischen Telefon oder einem Telegramm wählen, wenn es darum ging, schnell Nachrichten zu teilen. Aber wenn die angesprochene Person zum Beispiel bei der Arbeit oder im Urlaub war, hat es eben gedauert.

Haben wir trotz Smartphone und Social Media das miteinander Kommunizieren verlernt?

Das ist wohl so. Studien besagen, dass Paare im Durchschnitt sieben Minuten pro Tag miteinander sprechen. Wir kommunizieren unendlich viel über Messenger-Programme. Aber nur wenige sind geübt in der Face-to-Face Kommunikation, also im direkten Kontakt. Gestern bin ich an einer Baustelle vorbeigekommen, wo gerade offensichtlich Mittagspause war. Da liefen etwa zehn Arbeiter weg und wirklich jeder von ihnen hielt ein Handy in der Hand und hat getippt. Statt miteinander zu reden, nimmt jeder für sich mit anderen Kontakt auf.

Andere Studien gehen davon aus, dass die Kommunikation oberflächlicher, „zerfleddert“ und weniger lösungsorientiert von statten geht als noch vor wenigen Jahren. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel zum Valentinstag Abendessen und im gesamten Lokal die einzigen, die sich miteinander unterhalten haben. An allen anderen Tischen herrschte Totenstille, jedoch meistens zwei Menschen am Handy. Das gibt mir schwer zu denken.

Kann man gute Kommunikation erlernen?

Klar, kann man gute Kommunikation lernen. Das braucht eben – wie alles – Übung. Die wichtigsten Punkte sind: Ihre innere Haltung, zuhören und ausreden lassen, klare Kommunikation, vorwurfsfreie Kommunikation und das Interesse an einer Lösung, falls diese denn gewünscht ist.

Welche Tipps haben Sie für eine erfolgreiche Kommunikation? Wie vermeidet man Missverständnisse?

Wie gesagt, jeder Mensch hört anderes und anders zu. Eine Person, die gewohnt ist, dass sie viel kritisiert wird, ist eher geneigt, auch neutrale Aussagen als Kritik zu hören als Menschen, die es gewohnt sind, neutrale Informationen zu bekommen. Es ist daher sehr wichtig, dass ich mich darüber informiere, wie meine Aussagen beim anderen aufgenommen werden. „Oh, da liegen ja noch die Bücher vom letzten Urlaub herum“, könnte für Sie bedeuten: „Wie schön, die habe ich gesucht. Da sind sie ja.“ Aber Ihr Gegenüber könnte das aufnehmen als: „Bist Du eigentlich nicht in der Lage, das Zeug endlich wegzuräumen?“

Kommunizieren Sie deshalb möglichst direkt. Statt „es zieht“ wäre das dann beispielsweise die Frage, ob es jemanden stört, wenn Sie das Fenster schließen. Am meisten Missverständnisse entstehen jedoch beim Schreiben – vor allem von kurzen Nachrichten. Nehmen Sie sich zum Kommunizieren daher Zeit und reden Sie am besten direkt mit ihrem Gegenüber. Das vermindert das Auftreten von Missverständnissen, weil Sie so die non-verbalen Signale auch sehen. Und haben Sie Mut, die Dinge, die Sie stören oder Ihnen auffallen, sofort anzusprechen. Nicht erst, wenn Sie explodieren. Das nimmt sehr viel negative Energie aus den Gesprächen.

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