Klimaneutralität sei bis 2035 in Stuttgart möglich, führt ein Gutachten von McKinsey aus. Konkrete Schritte zur Umsetzung müssen erst noch erarbeitet werden.

Kurz vor der Sommerpause soll der Stuttgarter Gemeinderat entscheiden, ob die Stadt sich verbindlich auf das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2035 statt 2050 festlegt. Ein McKinsey-Gutachten („Net-Zero Stuttgart“) rechnet vor, dass das möglich wäre – bei Aufwendungen von rund elf Milliarden Euro. OB Frank Nopper (CDU) legte sich am Donnerstag auf das neue Ziel fest, es sei „in einem gemeinsamen Kraftakt“ erreichbar. Im Rat gibt es allerdings auch Zweifel.

 

2035 scheine möglich, „ja, aber wir als Stadträte können wenig dazu entscheiden“, beschrieb CDU-Fraktionschef Alexander Kotz die Rolle der Bürgervertreter als eher untergeordnet. Das Gutachten zeige eine Metaebene, aber keine konkreten Maßnahmen, bemängelte er, insofern sei es schwer zu sagen, dass das ganze Vorhaben sozialverträglich umsetzbar sei. Ganz erhebliche Zweifel hat der Chef der Kreishandwerkerschaft an der geplanten Verdreifachung der Sanierungsquote (Wärmedämmung, Heizung). „Das ist doch nicht realistisch“, so Kotz. Entscheidend sei letztlich, ob man die Bürger überzeugen könne.

Handwerker fehlen schon heute

Zweifel bei den im Gutachten dargestellten kurzen Amortisationszeiten für die Investitionen meldete Christian Köhler für die AfD an. Wenn das zuträfe, dann müssten sich Banken und Kommunen um das Geschäftsmodell reißen, „das sehe ich aber nicht“, so Köhler skeptisch. „Wir brauchen Handwerker, wir müssen die Bevölkerung aufklären, das Thema ist noch nicht überall angekommnen“, forderte Konrad Zaiß für die Freien Wähler. Angesichts einer Inflationsrate von acht Prozent und steigenden Mieten nach Sanierungen frage er sich, „ob das die Wirtschaft verkraftet“. „Was hier absolut fehlt, sind Maßnahmen“, schloss sich Matthias Oechsner (FDP) der Kritik an. Ob das Jahr 2030 oder 2035 erreicht werde, sei nicht entscheidend, sondern wie man die Gesellschaft mit dem Anliegen erreiche.

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Auf eine deutlich schnellere Umsetzung bis 2030 dringt Hannes Rockenbauch für das Linksbündnis. „Wir müssen diejenigen zur Kasse bitte, die diesen Planeten ausplündern“, sagt er, die Gerechtigkeitsfrage werde im Gutachten, das „wirtschaftsfreundlich und technologiedurchtränkt“ sei, aber nicht gestellt. Er forderte ein Klimareferat, also einen eigenen Bürgermeister für das Thema, und als eine konkrete Maßnahme den kostenlosen Nahverkehr.

Puls: Erdgas als Irrwege

Christoph Ozasek (Fraktion Puls) sieht in dem Papier ein „technologielastiges Planwerk“, das einen konsumgeprägten Lebensstil fortschreibe und durch dessen Aufstellung die Stadt erneut Zeit verloren habe. Dabei habe die zugesagte Beteiligung der Fraktionen nicht stattgefunden. Der „Klimakiller“ Erdgas, dessen Einsatz sich auch wegen des Krieges von Russland gegen die Ukraine als Sackgasse erweise, werde weiter als Brückentechnologie beschrieben. Es sei „untragbar“, den Einbau solcher Heizungen weiter zu fördern. Man müsse jetzt „gewaltig zulegen“ und brauche Verbindlichkeit,erkannte Andreas Winter für die Grünen, denn das Ziel müsse in der halben Zeit geschafft werden. „Das ist Chefsache, da müssen Sie jetzt ran“, sagte Winter zu OB Nopper.