Medienrummel im Stuttgarter Rathaus: Der neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich zum Gespräch mit Wolfgang Schuster getroffen.

Stuttgart - Einen solchen Aufmarsch an Prominenz und Medien hat es seit dem Schlichtungsmarathon zu Stuttgart 21 im Rathaus nicht mehr gegeben. Winfried Kretschmann (Grüne), der neue Ministerpräsident, hat Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) seinen offiziellen Antrittsbesuch abgestattet. Und weil dem städtischen Protokoll nun einmal Genüge getan werden muss, unterwarf sich der Gast mit einem freundlichen Lächeln dem unvermeidlichen Prozedere: Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, einem kiloschweren Folianten, in dem sich nur Berühmtheiten aus Politik und Sport, Kunst und Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft mit ihrem Namenszug verewigen dürfen.

 

Kretschmanns Auftritt darf durchaus historisch genannt werden, schließlich ist er der erste Ministerpräsident in Deutschland, der den Grünen angehört. Und noch eine Besonderheit ist zu vermerken: Der Festraum im ersten Stock des Rathauses ist lange nicht mehr für eine Zeremonie dieser Art genutzt worden. Der Grund: Im Rathausjargon heißt der Raum mit den hohen Glasfenstern der Künstlerin Ida Kerkovius etwas respektlos "Grablege" - obwohl dort seit der Eröffnung des Hauses im Jahr 1956 noch nie ein Mensch aufgebahrt worden ist. Gleichwohl meidet das offizielle Rathaus diesen Ort normalerweise, denn die Würde, die er ausstrahlt, gilt vielen als ältlich und nicht mehr zeitgemäß.

Zeitgemäß indessen, daran besteht kein Zweifel, waren die Themen, die der Ministerpräsident und der Oberbürgermeister zuvor in der nur wenige Schritte entfernten Amtsstube von Wolfgang Schuster miteinander besprochen haben. Und wie ausgemacht, war auch Klaus-Peter Murawski beim Antrittsbesuch seines neuen obersten Dienstherren bei seinem bisherigen obersten Dienstherren dabei: Bis vor wenigen Tagen war Murawski noch Bürgermeister - am Montag wurde er von seinem Duzfreund Wolfgang Schuster verabschiedet, am Dienstag war Murawski in seiner neuen politischen Mission als Chef der Staatskanzlei ein Gesprächspartner des OB.

Gespräche hinter verschlossenen Türen

Fast zwei Stunden lang hatten die Herren hinter verschlossenen Türen getagt - in der "Grablege" sagte der Ministerpräsident danach: "Es war mir besonders wichtig, mich kurz nach meiner Wahl mit dem Oberbürgermeister zu treffen, denn es geht mir um eine gute und enge Zusammenarbeit." Im Übrigen, so Kretschmann, "kenne ich Stuttgart sehr gut, habe hier studiert, bin seit 1980 in der Landespolitik - doch in die Dienstvilla auf der Solitude werden meine Familie und ich höchstwahrscheinlich nicht ziehen".

Das Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Oberbürgermeister ist nach dem Bekunden beider "in sehr guter Atmosphäre verlaufen", weil man das Streitthema Stuttgart21 völlig ausgeklammert hat. Stattdessen, so der OB, sind sich beide einig geworden: "Wir gründen eine neue Plattform, auf der es um alle Facetten des Verkehrs in der Großstadt gehen wird." Dazu wolle man die Wissenschaft einbeziehen, aber auch die Bahn und die Straßenbahnen AG; im September soll die erste öffentliche Veranstaltung stattfinden.

Auch beim Thema Städtebau und Neuordnung der Ministerien gibt es einen neuen Ansatz: Klaus-Peter Murawski, nun Chef der Staatskanzlei, soll alle Projekte koordinieren, Winfried Kretschmann möchte "in den kommenden fünf Jahren einen Knopf daran machen". Der Akademiegarten bleibe tabu, versprach Kretschmann. Und beide versprachen sich gegenseitig, ihren Kontakt weiter zu vertiefen.