Der Zerfall der AfD-Fraktion im Stuttgarter Rathaus hätte dazu führen können, dass das öko-soziale Lager in den Ratsausschüssen seine Gestaltungsmöglichkeiten verliert. Dem ist jetzt ein Riegel vorgeschoben worden.

Stuttgart - Der Zerfall der zerstrittenen AfD-Fraktion hat den Gemeinderat verändert, aber die Mehrheitsverhältnisse zwischen den großen Lagern wirft er nun doch nicht über den Haufen. Am Donnerstag beschloss der Gemeinderat, wie die Gruppierungen künftig in Ausschüssen und Aufsichtsräten von städtischen Unternehmen vertreten sind. Der wichtigste Befund: Die jeweilige Gesamtzahl der Sitze in den Ausschüssen bleibt trotz diverser Neubesetzungen unverändert. Die bei der Gemeinderatswahl 2014 geschaffenen Mehrheitsverhältnisse mit einer rechnerischen Mehrheit für das öko-soziale Lager haben auch in den Ausschüssen Bestand.

 

Die Gruppierungen, die von der AfD-Fraktion übrig blieben, hätten diese öko-soziale Mehrheit unter zwei Voraussetzungen kippen können: wenn die bisherige Sitzzahl in den Ausschüssen nicht verändert wird und die Restposten der AfD-Fraktion bei der nötigen Neuverteilung der Sitze Zählgemeinschaften gebildet hätten, um gemeinsam stärker zu sein. Doch zu Letzterem kam es nicht. Grüne, SPD und SÖS/Linke-plus hätten nicht hingenommen, dass sie die Möglichkeit einer gemeinsamen Mehrheit verlieren. Ein Jahr vor der Gemeinderatswahl war dann offenbar niemand mehr an wechselnden Strategiespielchen interessiert, die am Ende die Machtverhältnisse bei umstrittenen Politikfeldern wie Umwelt und Verkehr nicht geändert, aber die Vergrößerung oder Verkleinerung der Ausschüsse erzwungen hätten.

Diesel-Freund Walter Schupeck schafft es in den Umweltausschuss

Unter der Moderation von CDU-Chef Alexander Kotz verständigte man sich auf eine kleine Lösung, die auf dem Konsens aller Beteiligten beruht. Ihr Kern ist es, dass von den Nachfolgern der früheren vierköpfigen AfD-Fraktion jeweils einer den Sitz in den Ausschüssen übernimmt, der bis Frühjahr der AfD zustand. Hier spricht man von Heinrich Fiechtner und Bernd Klingler als Duo mit dem Namen BZS23, um Eberhard Brett als letzten AfD-Stadtrat sowie um Walter Schupeck von den Liberal-Konservativen Reformern (LKR). Für den Neuling Schupeck, der 2014 bei der Gemeinderatswahl noch Kandidat der AfD war und trotz seines zwischenzeitlichen Parteiwechsels nun für den in den Bundestag abgewanderten AfD-Stadtrat Lothar Maier ins Rathaus einzog, geht sein wichtigster Wunsch in Erfüllung. Er wird Mitglied des Umwelt- und Technik-Ausschusses. Dort möchte der Daimler-Mitarbeiter gern gegen Diesel-Fahrverbote kämpfen. Der Rechtsanwalt Brett, der es schon persönlich mit der Justiz zu tun bekam und vom früheren Mitstreiter Klingler der Verschwendung von Fraktionsgeldern geziehen wurde, wird im Verwaltungs- und Finanzausschuss sitzen. Der Arzt Heinrich Fiechtner (BZS23) kommt in den Sozial- und Gesundheitsausschuss sowie in den Krankenhausausschuss. Der wegen Veruntreuung von städtischen Geldern vorbestrafte Werbeagenturbesitzer Klingler (BZS23) wird im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen bleiben.

Keiner der Stadträte scherte bei der Konsenssuche aus

Für die einvernehmliche Lösung nehmen die großen Gruppierungen es in Kauf, dass der Ältestenrat, in dem Tagesordnungen vorbesprochen und Grundsatzfragen der Stadt und der Gemeinderatsarbeit festgezurrt werden, wieder größer wird. Obwohl dort eigentlich nur Fraktionen vertreten sind, sollen sowohl die Resteverwalter der AfD-Fraktion dort nun einen Sitz haben wie auch die Liberalen, die vor Jahren durch den Übertritt von Klingler von der FDP zur AfD ihren Fraktionsstatus verloren. In den Ältestenrat rückt Eberhard Brett (AfD) ein. Für die FDP kehrt Matthias Oechsner dorthin zurück.

Um die neue Regelung musste bis zuletzt gebangt werden: Schon die Enthaltung eines einzigen Stadtrates hätte sie zu Fall gebracht und die Suche nach einer neuen Lösung erzwungen – aber im 60-köpfigen Gemeinderat scherte keiner aus.