Das Ende der Sondierungsgespräche über ein Jamaika-Koalition hat in Stuttgart unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Bei der Ursachenforschung gibt es unterschiedliche Interpretationen. Wir haben mit den Parteivorsitzenden von CDU, SPD und FDP gesprochen.

Stuttgart - Unterschiedliche Interpretationen des Endes der Jamaika-Sondierungen haben am Montag die Chefs der Stuttgarter Kreisparteien CDU und FDP abgegeben. Zugleich bedauerten sowohl der CDU-Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann als auch der Kreischef der Liberalen, Armin Serwani, das mitternächtliche Scheitern der Gespräche. „Ich bin natürlich enttäuscht, es war ein überraschendes Ende der Sondierungen“, so Kaufmann. Serwani bedauerte ebenfalls, dass es zu keiner Einigung gekommen sei. Zugleich rechtfertigte der Liberale wie auch die FDP-Parteispitze die Haltung von Parteichef Christian Lindner, der die Sondierungen für beendet erklärt hatte: „Wir konnten die für uns essenziell wichtige Programmpunkte nicht einfach über Bord werfen.“ Dazu zähle etwa die Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

 

FDP-Chef: Viel Zuspruch von Wählern in den sogenannten sozialen Netzwerken

Serwani: „Wir wollten nicht den selben Fehler machen wie 2013, als wir vom Wähler dafür abgestraft worden sind.“ Die FDP habe durchaus ihrerseits Zugeständnisse gemacht, etwa bei der ursprünglich geforderten großen Steuerreform. „Am Ende haben wir die Konsequenzen aus dem vierwöchigen Durcheinander gezogen“, bilanzierte der FDP-Vorsitzende. Bisher gebe es dafür durchaus Zuspruch von Wählern in den sogenannten sozialen Netzwerken. Daher sei ihm auch vor Neuwahlen nicht bang.

Anders CDU-Kreischef Kaufmann. Die FDP habe schon frühzeitig signalisiert, dass sie die nach den Parteifarben von CDU, Grünen und FDP benannte Jamaika-Koalition nicht um jeden Preis wolle: „Aber sie hätte dann auch schon früher die Reißleine ziehen können.“ Der Abgeordnete sieht nun die Sozialdemokraten in der Pflicht. „Ich sehe die SPD in der Verantwortung, nochmals die Zusammenarbeit in einer großen Koalition zu prüfen.“ Er gehe davon aus, dass niemand Interesse an Neuwahlen habe: „Davon würden nur Linke und AfD profitieren.“ Kaufmann sagte, die Große Koalition sei bei der Bundestagswahl im September nicht abgewählt worden, die Koalitionspartner CDU und SPD hätten lediglich Wählerstimmen verloren. „Rechnerisch gibt es noch immer eine Mehrheit“, so der CDU-Parteichef.

CDU-Kreischef: Angela Merkel steht als Kandidatin nicht zur Disposition

Falls die SPD gleichwohl nicht bereit sei, eine erneute Große Koalition zu bilden, müsse man „durchaus die Chancen für eine Minderheitsregierung ausloten“. Kritik an der Bundeskanzlerin, die die Sondierungsgespräche in Berlin geleitet hatte, weißt Kaufmann zurück. Er sieht Angela Merkel auch im Fall von Neuwahlen unangefochten als Spitzenkandidatin: „Ich sehe nicht, dass Frau Merkel als Kanzlerkandidatin zur Disposition stünde.“ Er warnte zugleich die Union vor einer Personaldebatte.

Der SPD-Kreisvorsitzende Dejan Perc erteilte Kaufmanns Vision von einer Neuauflage der Großen Koalition umgehend eine Absage. „Ich sehe das so wie Parteichef Martin Schulz und viele andere. Es gibt keine Notwendigkeit, von unserer Position abzurücken.“ Die Große Koalition habe zum Erstarken der AfD beigetragen. Neuwahlen, darüber ist sich Perc freilich im Klaren, könnten den Rechtspopulisten aber auch weiteren Zulauf verschaffen. Perc sprach von einer „misslichen Lage“, die durch das parteipolitische Kalkül der FDP entstanden sei: „Was war denn das für ein Schauspiel?“