Der Zwist um die Zwangskehrwoche eint scheinbar Unvereinbare: Die Abfallwirtschaft lässt die Straßen im Leonhards-, Gerber-, Bohnen- und Hospitalviertel verstärkt reinigen. Der Vermieter- wie der Mieterverein rügen die dafür neu anfallende Gebühr.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Gewiss ist: Die Rechnung folgt. Bisher hat die SWSG, die stadteigene Wohnungsgesellschaft, noch keinen Bescheid bekommen, wie viel Geld sie künftig für die Reinigung der Straßen zu zahlen hat, an denen ihre Häuser im Zentrum stehen. Das wird sich ändern. „Es gibt keine Ausnahmen“, teilt Annette Hasselwander mit, die Pressesprecherin der städtischen Abfallwirtschaft. Mithin wird die Stadt auch Mietern ihrer eigenen Wohnungsgesellschaft einen Aufschlag auf die Nebenkostenrechnung zumuten.

 

Wie berichtet, lässt die Abfallwirtschaft die Straßen im Leonhards-, Gerber-, Bohnen- und Hospitalviertel seit 1. Mai verstärkt reinigen. Dafür verlangt sie von den Hauseigentümern eine Gebühr von knapp 70 Euro pro Jahr und Meter Hausfront. Die Rechnungen summieren sich beispielsweise für ein Wohn- und Geschäftshaus an der Tübinger Straße auf 4600 Euro jährlich, für ein Wohnhaus an der Katharinenstraße auf 1600 Euro. Die Gebühr wird auf die Mieter umgelegt und kann happig werden. „Bei mir macht das 35 Euro pro Mieter im Monat aus“, sagt Klaus Jäger, der Eigentümer jenes Hauses an der Katharinenstraße.

Auch gemeinnützige Einrichtungen sind betroffen

Betroffen sind auch gemeinnützige Einrichtungen. Das beginnt bei der Wärmestube für Obdachlose im Hospitalviertel, geht über das Kinderschutzzentrum und endet beim kunstsinnigen Verein Interart, beide im Bohnenviertel beheimatet.

Vereinzelte Hausbesitzer wollen juristisch gegen die Bescheide vorgehen. Ein Versuch, die Gebühr vor Gericht zu kippen, ist nach Einschätzung von Ulrich Wecker, dem Geschäftsführer des Vermietervereins Haus und Grund, verschwindend gering. Gegen Reinigungsgebühren sei „im Grundsatz nichts einzuwenden“. Wohl aber gegen ihre Höhe in Stuttgart. „Eine Gebühr setzt einen leistungsgerechten Gegenwert voraus“, sagt Wecker, „den stelle ich in Frage“.

Er bezweifelt, dass die Straßen in kleinräumigen Altstadtquartieren zu reinigen, denselben Aufwand erfordert wie in Einkaufspassagen. Das Argument ist schwerlich zu leugnen. Die Königstraße misst mehr als zwanzig Meter in der Breite, die Sophienstraße knapp die Hälfte. Teile der Weberstraße sind derart schmal, dass Großgewachsene mit ausgebreiteten Armen die Häuserfronten auf beiden Seiten gleichzeitig mit den Fingern streifen könnten. Für die Reinigung wird überall derselbe Preis fällig. „Die Stadt wäre besser beraten, feiner abzustufen“, sagt Wecker. So hält es Freiburg. Dort sind die Sätze nach Aufwand berechnet. Zwischen 2,75 und 19,25 Euro pro Meter Hausfront werden fällig. Außerdem verlangen in Baden-Württemberg noch Mannheim und Heidelberg von Anwohnern Geld für die Reinigung ihrer Zentren. In Mannheim sind es pauschal 20 Euro pro Meter und Jahr.

Die meisten Mieter wissen noch nichts von der Last

In Stuttgart hat die Stadtkämmerei bisher lediglich an Vermieter erste Rechnungen verschickt. Die meisten Mieter wissen noch nichts von der zusätzlichen Last. Verursacher der Kosten „ist das Nachtleben, das ist das Ungerechte“, sagt Angelika Brautmeier, die Geschäftsführerin des Mietervereins, „in Birkach oder im Asemwald laufen diese Leute nicht herum“. Im Zentrum der Stadt treffe die Gebühr „auch viele Menschen, die wenig Geld haben“. Brautmeier fordert eine Finanzierung aus der Stadtkasse, etwa aus dem Topf, in den die Vergnügungssteuer fließt.

„Der Meinung, dass das eine öffentliche Aufgabe ist, kann ich mich anschließen“, sagt Frank Geyer. Er leitet die Mietwohnungsabteilung der Südewo, deren Zentrale im Bohnenviertel steht. Die Gesellschaft vermietet im betroffenen Gebiet 60 Wohnungen, die teilweise öffentlich gefördert sind. Auch sie wird die Gebühr für den Reinigungsdienst mit der Nebenkostenabrechnung weiterreichen. „Das wird für die Mieter nicht angenehm“, sagt Geyer, „da kommt schon Geld zusammen“. Statt der gebührenpflichtigen Zwangskehrwoche fordert er Kontrollen. „Eine Zigarettenkippe wegzuwerfen, kostet 20 Euro“, sagt Geyer, „aber das kontrolliert kein Mensch“. Die Stadt Esslingen wollte vor vier Jahren ebenfalls die Bewohner ihres Zentrums für verstärkte Reinigung zur Kasse bitten. Nach Protesten entschied der Gemeinderat sich gegen den Plan, noch bevor überhaupt die Höhe der Gebühr diskutiert war. Begründung: Nur die Bewohner der Stadtmitte zu belasten, sei ungerecht.