1974 hatte er seinen ersten Auftritt in München. Nun verabschiedet sich Kabarett-Urgestein Werner Schneyder von der Bühne. Im Stuttgarter Renitenztheater spielte er eine seiner letzten, aber sehr aktuellen Vorstellungen.

Stuttgart - Oft ist’s ja so: Wenn ein betagter Künstler der Bühne den Rücken kehrt und auf Abschiedstournee geht, zählt selbige nicht mehr zu dessen ganz großen Leistungen. Der Rezensent druckst dann meist ein wenig herum, schwelgt lieber in Erinnerungen und gemahnt an vergangene Erfolge. Gut für beide Parteien also, dass dem 80-jährigen Werner Schneyder, der am Mittwoch im Renitenztheater mit seinem Programm „Das war’s von mir“ gastierte, ein einwandfreier Kabarettabend gelang.

 

Lesen und schreiben werde der Österreicher weiterhin, nur abendfüllende Programme wolle er nicht mehr spielen. „Das war’s von mir“ hat Schneyder in zwei Teile geteilt: Im ersten verbindet er Lieder mit kabarettistischen Einlagen. Den zweiten widmet er seinen Chansons. Mit von der Partie: sein langjähriger Begleiter und Pianist Christoph Pauli.

Pauli sitzt am Flügel, Schneyder auf einem Barhocker. Wenn er spricht, reißt es den 2-Meter-Mann aber in die Senkrechte. Seine klugen Analysen von Wirtschaft, Politik und Kulturszene sind keine Rückblicke. Mit scharfer Rhetorik stürzt sich Schneyder aufs Gegenwärtige. Zum Absturz der SPD bei der Bundestagswahl sagt er: „Die deutsche Sozialdemokratie hat sich den linken Flügel ausgerissen.“ Für die ebenfalls wahlgeschwächte Kanzlerin hat er auch nicht viel übrig: „Merkel - jetzt weiß ich, was Machiavelli auf Deutsch heißt.“ Den abgedrehten US-Präsidenten, der sich derzeit mit dem „nordkoreanischen Atomzwerg“ duelliert, bezeichnet er als den „einzigen Blonden der Addams Family“ und nennt ihn einen „Naki - ein Nationalkapitalist“.

Liedtexte aus den Siebzigern sind unverändert aktuell

Banken, Geldscheffler und unsinniges neoliberales Denken attackiert der Hüne musikalisch: „Hör ich was von ‚Recht auf Arbeit‘, komm ich sofort in Rage: Es gibt nur ein Recht auf Leben - mit angemessener Gage“, singt er. Angesichts der Automatisierung hätte jeder Mensch viel eher ein Recht auf Bruttosozialproduktsteilhabe. Da wäre es natürlich schön gewesen, wenn im ausverkauften Saal mehr Menschen gesessen hätten, die den Großteil ihres Arbeitslebens noch vor sich haben, glauben die meisten doch immer noch, es sei etwas Schlechtes, wenn Maschinen den Menschen die Arbeit wegnehmen. Schneyder: „Je weniger Arbeit es gibt, desto mehr sollen die arbeiten, die Arbeit haben - das ist die Logik von Irrenhauswitzen.“

Dass Werner Schneyder, der ja nicht nur auf der Bühne, sondern auch als Autor, Regisseur, Schauspieler und Sportjournalist reüssierte, auf seiner Ehrenrunde nochmal treffend austeilt und heutige Entwicklungen ins Visier nimmt, ist großartig. Furchtbar ist hingegen, dass kritische Liedtexte, die er teilweise in den Siebzigern schrieb, unverändert aktuell sind.