Zwei Stuttgarter hatten einen Berliner auf Hiddensee als Ersthelfer bei einem Herzinfarkt beigestanden – und wurden danach von der Familie des Patienten gesucht. Nun sind sie gefunden.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart/Berlin/Hiddensee - Als die Landschaftsgärtnerin Katja Schaal und der Fahrlehreranwärter Tobias Hopp an jenem Augusttag die Entscheidung trafen, einen Tagesausflug nach Hiddensee zu unternehmen, ahnten sie nicht, dass sie damit ein Menschenleben retten sollten. Das Paar aus Stuttgart verbrachte seinen Urlaub auf der Ostseeinsel Rügen – am 28. August dann erkundeten sie die Nachbarinsel Hiddensee. Und schenkten damit einem 49-jährigen Berliner ein zweites Leben.

 

Denn Schaal und Hopp sind ehrenamtlich im Vorstand der Wasserrettung DLRG Bezirk Stuttgart – beide haben eine Ausbildung zum Sanitäter absolviert. So konnten sie an jenem Augusttag, als sie gerade in einem Eiscafé nahe des Leuchtturms Dornbusch auf Hiddensee saßen, sofort reagieren, als eine Passantin angerannt kam und die Gäste um Hilfe bat: „Wer kann helfen – da liegt einer!“ Schaal und Hopp sprangen auf. Sie fanden einen Mann am Boden liegend vor, er war ohne Bewusstsein. „Wir haben einen Bodycheck gemacht, nach dem Puls am Hals und am Handgelenk getastet – da war nichts“, sagt Katja Schaal. „Wir haben dann sofort angefangen, den Mann zu reanimieren.“

Familie des Patienten startet Aufruf

Die Rettungskräfte waren bereits alarmiert worden – und trafen kurz darauf ein. „Wir haben mit dem Notarzt und den Kollegen gesprochen und die Übergabe gemacht, danach haben wir mit ihnen zusammen gearbeitet – durch Frühdefibrillation wurde das Herz wieder zum Schlagen gebracht, der Patient musste dann stabilisiert und transportfähig gemacht werden“, sagt Tobias Hopp. Insgesamt habe es rund eine Stunde gedauert, bis der Helikopter den Patienten direkt vom Deich aus in das Helios-Hanseklinikum nach Stralsund fliegen konnte. „Wir haben uns danach noch mit dem Notarzt unterhalten und ihm dabei auch gesagt, dass wir Sanitäter sind und aus Stuttgart kommen“, sagt Schaal, „das war aber nur ein sehr kurzes Gespräch, da er zurück in seine Praxis musste – wir dachten nicht, dass er sich daran erinnern würde“.

Um so erstaunter waren die beiden Stuttgarter, als Katja Schaal im November eine Nachricht von einem Freund bekam, dem sie von dem Vorfall auf Hiddensee erzählt hatte. Er schickte ihr einen Link zu einem Artikel unserer Zeitung: „Stuttgarter Lebensretter gesucht“. Darin rief die Familie Helisch aus Berlin die Stuttgarter Lebensretter von Matthias Helisch auf, sich zu melden.

Die ersten fünf Minuten sind in solch einer Situation am wichtigsten

Ihm und vor allem seinen Eltern war es ein großes Anliegen, sich bei den Rettern zu bedanken – gerade auch bei den Ersthelfern. Denn „die beiden Stuttgarter haben in den entscheidenden ersten Minuten sofort mit der Reanimation begonnen und unserem Sohn sicherlich so ein zweites Leben geschenkt“, sagte Hans-Joachim Helisch.

Katja Schaal windet sich ein bisschen ob dieser Worte. „Ja, es ist richtig, die ersten fünf Minuten sind in solch einer Situation am wichtigsten“, sagt sie – um gleich anzufügen: „Wir tun einfach das, was nötig ist im Rahmen unserer Ausbildung und unserer Möglichkeiten. Es ist für uns nichts Ungewöhnliches, wir helfen gerne.“

„Es sollte Pflicht sein, regelmäßig einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen“

Alle Bescheidenheit – der es auch geschuldet ist, dass die beiden kein Foto von sich veröffentlicht haben möchten – in Ehren, aber für Matthias Helisch war es gewiss ein großes Glück, dass die beiden da waren. Denn, wie Schaal und Hopp erzählen, hatte sich sonst niemand im Eiscafé berufen gefühlt zu helfen. „Wir finden es beide sehr schade, dass es in Deutschland keine Pflicht ist, regelmäßig einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen“, sagt Tobias Hopp. „Das würde den Menschen auch die Angst nehmen, im Notfall zu helfen“, ergänzt Schaal.

Trotz aller professioneller Distanz habe es beide beschäftigt, ob der 49-Jährige überlebt hat und wie es ihm geht. „Wir haben aber gedacht, wir bekommen aufgrund des neuen Datenschutzgesetzes sowieso keine Auskunft und haben nichts unternommen.“ Das sei ein Fehler gewesen. Umso schöner sei es deshalb gewesen, den Aufruf zu lesen. „Die Familie Helisch war überglücklich, als wir uns gemeldet haben, alle haben sich bei uns bedankt“, sagt Hopp. Das Schönste allerdings sei, dass der Herzinfarktpatient inzwischen wieder vollständig genesen ist und sogar wieder angefangen hat zu arbeiten – als Rettungssanitäter.