Es gibt noch keine Erklärung dafür, warum am Mittwoch ein Kabel bei Stuttgart-Vaihingen auf einen Zug fiel. Der Streckenabschnitt ist laut der Deutschen Bahn erst vor kurzem kontrolliert worden. Hunderte Fahrgäste saßen in S-Bahnen fest.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn kann noch keine Angaben zur Ursache des Oberleitungsschadens machen, der am Mittwochabend um 17.15 Uhr den S-Bahnverkehr zwischen der Innenstadt und Vaihingen lahmgelegt hat. Der Zwischenfall ließ mehrere Hundert Fahrgäste im Berufsverkehr stranden. Teilweise verbrachten sie mehr als eine Stunde in den vier liegengeblieben Zügen, ehe sie von Rettungskräften befreit werden konnten. Die Bahn spricht von einem technischen Defekt. „Zur genauen Ursache laufen noch die Ermittlungen“, erklärt Martin Schmolke, der Sprecher der Deutschen Bahn in Stuttgart.

 

Die Überprüfung konzentriert sich dabei auf den Abnehmer, der das S-Bahnfahrzeug mit Energie aus der Oberleitung versorgt. Letztere werde alle vier Jahr einer Vollinspektion unterzogen. Alle sechs Monate erfolge eine Inaugenscheinnahme bei einer Streckenbegehung, sagt der Bahnsprecher. Der jüngste Voll-Check in dem Abschnitt zwischen den Haltepunkten Österfeld und Vaihingen liege dabei gar nicht lange zurück. Zuletzt waren die Experten erst vorigen Januar dort unterwegs.

Die Drähte hängen dort seit dem S-Bahnausbau im Jahr 1985. Das Alter lasse aber keinen Rückschluss auf die Qualität zu. „Die Leitung ist in einem Topzustand“, sagt Schmolke. Eine Einschätzung, der sich der bahnpolitische Sprecher der Grünen- Bundesfraktion, der Filderstadter Abgeordnete Matthias Gastel, nicht anschließen mag. „Es rächt sich immer mehr, dass viele Jahre lang nicht ausreichend in die Infrastruktur der S-Bahn investiert worden ist. Oberleitungen, Weichen und Signaltechnik – alles ist hoffnungslos veraltet und störanfällig“, moniert der Politiker in einer Stellungnahme.

Tatsächlich wies der S-Bahn-Verkehr in der Region zuletzt sinkende Pünktlichkeitswerte auf. Und dies bei ständig steigenden Nutzerzahlen. Spitzentreffen zu dem Thema mit Vertretern der Politik und dem Verkehrsunternehmen brachten bislang wenig Fortschritte. Der Bahn machten dabei Probleme mit dem neuen S-Bahn-Typ ebenso zu schaffen, wie immer wieder auftretende Unzulänglichkeiten an der Infrastruktur. Mal streikt ein Signal, mal eine Weiche – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Fahrgäste.

Mit Podesten und Leitern Fahrgäste aus den Zügen geholt

Von denen fühlten sich am Mittwochabend nicht alle gut informiert über die Lage. Entsprechende Rückmeldungen gingen in der StZ-Redaktion ein. Schmolke betonte hingegen, dass er Durchsagen auf seinem Heimweg sowohl im Stuttgarter Hauptbahnhof wie auch unterwegs in Esslingen gehört habe – und sieht keinen Grund zur Beanstandung. Abgesehen von der langen Zeit, die die Passagiere in den Zügen ausharren mussten, drohte den Fahrgästen keine weitere Gefahr. Als die 15 000 Volt führende Leitung riss, schaltete sich die Stromzufuhr im Streckenabschnitt automatisch ab. Zudem wirke das Eisenbahnfahrzeug wie ein Faradayscher Käfig, erklärt Schmolke. Der Stromabnehmer, der im Verdacht steht, den Zwischenfall ausgelöst zu haben, wird nun ausgetauscht.

Die Feuerwehr rückte aus, als sie die Meldung erhielt, dass bei Vaihingen ein Stromkabel auf die Bahn gefallen sei. „Das bedeutet für uns, dass eine Gefährdung besteht“, erläutert Markus Heber, der Sprecher der Wehr. „Wir haben die Stelle ausgeleuchtet und die Bahn-Notfallmanager beim Erden der Oberleitungen unterstützt“, schildert er das Vorgehen. Erst dann durften sich Einsatzkräfte dem Zug nähern. Beim Aussteigen half die Feuerwehr mit ihrer Ausrüstung. „Der Zug war ja auf freier Strecke liegengeblieben. Wir brachten Podeste und Leitern, damit die Passagiere aussteigen konnten.“

Regelmäßig trainiere die Feuerwehr mit der Bahn. Dabei komme auch die Evakuierung von Zügen vor. Zum Einsatzort im Hasenbergtunnel kurz vor der Haltestelle Universität sei die Feuerwehr nicht hinzugerufen worden. Dort regelten die Notfallmanager der Bahn mit Beamten der Bundespolizei das Aussteigen im Tunnel und begleiteten die Passagiere zu Fuß durch die Röhre bis zur etwa 500 Meter entfernten Haltestelle. Nach dem Ende der Evakuierung seien Polizisten noch einmal in den Tunnel gegangen, um sicher zu gehen, dass alle Fahrgäste draußen waren.

Abschleppen ohne Strom unmöglich

„In so einer Situation ist es wichtig, dass man sich an die Anweisungen des Bahnpersonals hält“, sagte der Bahnsprecher. Der Faradaysche Käfig wirke nur, solange niemand das Fahrzeug verlasse. Der Weg durch den Tunnel sei wenige Hundert Meter lang gewesen. „Das muss bei einer Evakuierung immer das letzte Mittel sein“, sagte Feuerwehrsprecher Heber. Die Bahn sah keinen anderen Weg: „Wir hatten ja keinen Strom in dem Abschnitt, daher konnten wir die Bahn nicht abschleppen“, so Schmolke.

Neben der Bahn ermittelt auch noch die Bundespolizei. Sie untersucht, ob der Unfall durch sogenannte Fremdeinwirkung geschehen sein könnte – sprich jemand die Oberleitung beschädigt hat. Stand Donnerstag gebe es dafür keine Hinweise, so die Polizei. Die Untersuchungen seien aber wie die der Bahn noch nicht abgeschlossen.