Überbordend, temperamentvoll, aber auch mal leise: „Schauspielerin zu sein“, sagt Natascha Kuch, „ist ein Knochenjob.“

Stuttgart - mutlich sitzt sie gerade irgendwo am Strand und nimmt ein Sonnenbad. Den Urlaub verbringt Natascha Kuch am liebsten am Meer. Jetzt sind Theaterferien, auch an der Tri-Bühne, an der sie seit dreieinhalb Jahren als festes Ensemblemitglied spielt. „Die Pause brauche ich. Es erhält die Liebe, wenn man auch einmal weg kann“, sagt die Schauspielerin beim Gespräch an ihrem letzten Arbeitstag vor den Ferien.

 

Nach der Ausbildung ein festes Engagement zu bekommen, sich nicht von einer freien Produktion zur nächsten hangeln zu müssen– was für ein Glück. Das sieht Natascha Kuch, Jahrgang 1986, auch so. „Hier kann ich die großen Rollen spielen.“ Angefangen hat sie bei der Tri-Bühne als Marie in Büchners „Woyzeck“. Sie war schon Shakespeares Julia und hat als Titelheldin in „Ay Carmela“ geglänzt – ihrer Lieblingsrolle. Aber die zierliche Frau mit den langen dunklen Haaren weiß mittlerweile auch: „Schauspielerin zu sein ist ein Knochenjob. Der Beruf ist gnadenloser, als ich je gedacht habe.“

Freie Tage und Urlaub gibt es nur im Sommer und am Stück

Sechs Tage hat ihre Arbeitswoche in der Regel. Das Wochenende beginnt am Sonntag um 22.30 Uhr. Egal ob die Hochzeit einer Freundin oder der runde Geburtstag des Lieblingsonkels ansteht: Schauspieler, die zum Ensemble in kleinen Häusern gehören, feiern nicht mit, sondern spielen. Freie Tage, Urlaub? Den gibt es im Sommer und am Stück. Und das für kleines Geld: Das Einstiegsgehalt bei öffentlich getragenen Theatern liegt nach Tarif unter zweitausend Euro.

Natascha Kuch ist ein disziplinierter Mensch. Zu spät kommt sie nie, die Abfahrtszeiten der Straßenbahn hat sie im Kopf und die täglichen vier Stunden Pause zwischen Probe und Vorstellung laufen fast immer gleich ab: heimgehen, sich etwas kochen, sich mental auf den Abend vorbereiten. Ein bisschen Sport, Taek-Won-Do und Yoga, um Energie zu tanken. In dreieinhalb Jahren hat sie krankheitshalber nur einen Tag gefehlt. „Wenn einer bei der Probe fehlt, das merken alle“, sagt die Schauspielerin. Der Beruf hat viel mit Demut zu tun, findet sie. Vor dem Stück genauso wie vor dem Team. „Theater ist ein Mannschaftssport“, sagt Natascha Kuch.

Gespielt hat Natascha Kuch schon als Jugendliche

Sie ist dabei mal Stürmerin wie in „Ay Carmela“, mal hält sie überdreht und mit Witz die Komödie am Laufen wie in „Hase Hase“. Sie gibt die Femme Fatale („Ein Winter unterm Tisch“) genauso überzeugend wie die traurige Irakerin, die in Deutschland nie wirklich ankam („Ich träume jede Nacht von meiner Heimat“). Allüren? Nein. Selbstkritik? Schon eher. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Kuch über ihre Schauspielkunst. Das Ensemble als Familie? Ja, das ist was dran, findet Natascha Kuch.„Man wählt sich nicht aus, ist aber viel zusammen.“ Wenn sie von ihrer „Chefin“ spricht, der Intendantin Edith Koerber, schwingt jedenfalls großer Respekt mit.

Gespielt hat sie schon als Jugendliche - nicht am Theater, sondern in kleinen Fernsehrollen. Ihr jüngerer Bruder hat bei einer Fernsehserie mitgespielt, sie ist über ein Casting da auch reingerutscht. Der Gedanke, tatsächlich Schauspielerin zu werden, kam ihr aber erst nach dem Studium von Kunst und Medienwissenschaft in Karlsruhe. „Da habe ich realisiert: Wenn das hier vorbei ist, dann bin ich ja gar keine Schauspielerin!“ Danach begann die schlimmste Zeit ihres Lebens, wie sie sagt. Vorsprechen. Sich als verletzlicher, transparenter Mensch dem eigenen Vermögen oder Unvermögen aussetzen und eine Abfuhr nach der anderen zu verdauen. Nach fünf Absagen wurde sie in Ludwigsburg an der Akademie für Darstellende Kunst akzeptiert. Dort werden die Studenten nicht nur für das Theater, sondern auch für den Film ausgebildet. Sie hat in Ludwigsburg gelernt, dass man tatsächlich mit dem Rücken sprechen kann und dass man die Ambivalenz zwischen dem Gesehen-werden-wollen und dem Fluchtinstinkt auf der Bühne aushalten muss. „Mein Spieltrieb ist stärker als die Angst“, sagt sie über sich. „Ich habe ja nur ein Leben. Aber ich kann tausend Leben spielen.“

„Stuttgart scheint an mir zu kleben“

Die gebürtige Stuttgarterin, die hier aufgewachsen ist, am Gottlieb-Daimler-Gymnasium Abitur gemacht hat, jetzt hier spielt – wollte sie nie weg? „Natürlich. Aber Stuttgart scheint an mir zu kleben“, sagt sie und lacht. Nach dem Abschluss in Ludwigsburg ist Natascha Kuch nach Berlin gezogen. Drei Monate später kam die Gelegenheit zum Vorsprechen an der Tri-Bühne. Das war kurz vor Weihnachten. Am 3. Januar 2013 begann ihr Engagement. „Erst hat es sich wie ein Rückschritt angefühlt, jetzt denke ich, es war der Beginn meines Berufslebens“, sagt sie über ihre Rückkehr. Sie hat ja noch fast vierzig Jahre vor sich.

Und im Moment gerade Pause. Das Gespräch mit der Chefin ist geführt, die Garderobe aufgeräumt, der Schlüssel über die Ferien abgegeben. Was versicherungstechnische Gründe hat, aber auch ein Symbol dafür ist, die Spielzeit hinter sich zu lassen, abzuschließen mit der Arbeit. Es dauert trotzdem eine Weile, bis Natascha Kuch vom Stand-By-Modus in den Ruhemodus herunterkommt: „Die ersten Ferientage werde ich abends um sieben immer unruhig , als ob die Vorstellung bald los ginge“, erzählt sie. Der Herbst wird anstrengend im Theater, das weiß Natascha Kuch jetzt schon. Und freut sich drauf.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.tri-buehne-spielt-shakespeares-komoedie-der-irrungen-verwechslungen-am-laufenden-band.4431abaa-b482-49a2-a1d5-91b96621dbe2.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.premiere-in-der-tri-buehne-rosa-balistreri-die-starke-frau-aus-sizilien.b946fa8f-005c-4106-abd4-4241e1535155.html

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.premier-hase-hase-in-der-tri-buehne-ein-alien-im-prekariat.2a731ecb-090b-4565-abd6-b95e65142838.html