Wer sich im autoritären Kontrollstaat konform verhält, erhält Likes im Face-Heft. George Orwells Roman erscheint im Stuttgarter Schauspielhaus erschreckend aktuell.
Stuttgart - Man muss sich George Orwell als Mann mit prophetischen Gaben vorstellen. 1948 schrieb er, für den Romantitel die Ziffern verdrehend, seine Schreckensvision ,,1984“ – und auch wenn das totale Grauen noch nicht Wirklichkeit geworden ist, ist die Saat doch gesät. Lückenlose Überwachung der Bürger, interessengeleitete Lenkung der öffentlichen Meinung, Verbreitung alternativer Wahrheiten: in seiner negativen Utopie hat Orwell mit grausamer Logik zu Ende gedacht, was die Gesellschaften in Ost und West gerade ins Werk setzen.
Eine siebzig Jahre alte Dystopie
Im Stuttgarter Schauspielhaus passt der Regisseur Armin Petras die siebzig Jahre alte Dystopie deshalb nun inhaltlich sanft den modernen Zeiten an: Wer sich im autoritären Kontrollstaat konform verhält, erhält Likes im Face-Heft. Formal aber unterzieht er den Stoff einem brachialen Update und macht aus ,,1984“ eine groteske Horror-Picture-Show mit phonstarker Unterstützung der Woods of Birnam, der vom famosen Schauspieler Christian Friedel angeführten Band. Big Brother is rocking you – die druckvollen Songs retten die kraftmeierische Abschiedsinszenierung von Petras, dessen Intendanz ausläuft, wenigstens halbwegs. Dafür hat der Abend einige Likes verdient.