Die Vision einer Seilbahn in Stuttgart gefällt sogar Umweltschützern. Bevor man die Realisierung auf den Fildern angehen könnte, müssen aber noch viele Probleme geklärt werden.
Stuttgart - Die Staus auf Stuttgarts Straßen einfach in der Luft umfahren, bei Möhringen und durch Vaihingen eine Seilbahn bauen – ist das realistisch? Um das zu klären, rät die Stadtverwaltung dem Gemeinderat jetzt zu einer Machbarkeitsstudie, die nach Schätzungen etwa 150 000 bis 200 000 Euro kosten dürfte. Das haben Umwelt- und Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und seine Mitarbeiter angekündigt. Ob man die Idee aber für durchsetzbar und die Akzeptanz bei den Bürgern für ausreichend hält, um so viel Geld allein in die Studie zu investieren, sollen die Stadträte selbst beurteilen. Das Geld müsste im Dezember 2017 im städtischen Doppelhaushalt 2018/2019 bereitgestellt werden.
In vielen Städten der Welt setzt man längst auf Seil- oder Gondelbahnen, vor allem in südamerikanischen Städten mit Bergkulisse wie Rio de Janeiro, La Paz, Medellín oder Valpariso. Aber auch in flacheren Gegenden Europas: In London überquert eine Seilbahn die Themse. In Koblenz schweben Seilbahnfahrgäste am Deutschen Eck vorbei durch die Luft. In Stuttgart ist die Seilbahnlösung bisher nur Vision – die allerdings wird zunehmend diskutiert.
Von der Autobahn mit der Gondel ins Gewerbegebiet
In erster Linie geht es um eine Verbindung zwischen dem Bahnhof Vaihingen und einem möglichen Parkhaus an der Autobahn-Anschlussstelle Möhringen. Wer vom Süden kommt, könnte somit schon an der A 8 in eine Gondel zum Gewerbegebiet umsteigen und über die Nord-Süd-Straße hinweg schweben, auf der zu Stoßzeiten oft Stau oder zähflüssiger Verkehr herrscht. Eine andere Variante sieht vor, ein Parkhaus beim Freibad Möhringen mit Seilbahnstation zu bauen, doch dann müssten die Autofahrer schon vergleichsweise weit auf Stuttgarter Markung fahren. Klar ist, wo die Gondeln am anderen Ende der Trasse halten sollen: am Vaihinger Bahnhof.
Manche, wie die Grünen-Stadträte, träumen schon davon, dass die Gondeln vom Bahnhof bis zum ehemaligen IBM-Campus beim Autobahnkreuz verkehren. Dort möchte Investor Mathias Düsterdick auf der Brache bis zu 2000 Wohnungen bauen und überdies Gewerbeflächen entwickeln. Um die 6000 Menschen könnten künftig dort leben und arbeiten, wo zurzeit Baudenkmale dahinsiechen und sich Gestrüpp ausbreitet.
Wartezeiten müssten klein gehalten werden
Aber auch östlich des Synergieparks haben Mitarbeiter der Firma SSB Consult die Vision weitergesponnen: Man könne unter Umständen die Seilbahn „in Richtung Flughafen“ erweitern, um ein Parkhaus an der A 8 in Leinfelden mit künftigen Gewerbeflächen in Echterdingen zu verbinden.
Bei dem städtischen Verkehrsplaner Arne Seyboth klingt starke Skepsis durch, wenn er auf die Seilbahn als ein Element des angestrebten Verkehrskonzepts für den Synergiepark Möhringen/Vaihingen und für Vaihingen zu sprechen kommt. Das liegt nicht daran, dass man der Gondellösung den verkehrlichen Nutzen absprechen müsste. Im Gegenteil: Die Seilbahn könnte auf der rund 2,7 Kilometer langen Strecke zwischen A 8 und Bahnhof pro Stunde mehr als 3000 Fahrgäste in jeder Richtung transportieren. Ebenso zwischen Bahnhof und Eiermann-Campus, wo die Trasse vermutlich fast gleich lang wäre. Die Aufsiedlung auf dem früheren IBM-Areal könnte rund 2000 Fahrten pro Stunde in jeder Richtung auslösen, glauben die Planer der Stadt. Die Gondelbahn hätte also wahrscheinlich Überkapazität. Ob es sich rentieren würde, die Zahl der Gondeln zu verringern, ist fraglich. Damit die Verbindung akzeptiert würde, müsste Wartezeiten klein gehalten werden. Die Klärung wirtschaftlicher Fragen, sagt Seyboth, müsse ein Aspekt der Studie sein – neben technischen und rechtlichen Aspekten. Ohne Zuschüsse wie bei Stadtbahnprojekten wäre das Projekt nicht finanzierbar.
Die Seilbahn-Idee mag faszinierend sein, nicht nur für den Investor Mathias Düsterdick, der sie sich sehnlichst wünscht und einen Vermarktungsvorteil wittert. „Ob man die Seilbahn empfehlen kann, erfordert aber noch viel Klärung und Diskussion“, sagt Seyboth. Die Genehmigungsprozedur könnte nachher auch aufwendig werden. Der Bau selbst wäre das vielleicht weniger. Eine Seilbahn im städtischen Bereich könne man in etwa zwölf bis 18 Monaten bauen, wenn vor Ort die Grundlagen geschaffen seien, sagt Ekkehard Assmann, Sprecher des österreichischen Seilbahnherstellers Doppelmayr. Eine Streckenlänge bis zu fünf Kilometer mit maximal drei Zwischenstationen sei noch „im grünen Bereich“.
Umweltschützer sehen Vorteile an „steilen Stellen“
Die Umweltschützer sind wegen der Seilbahnen hin- und hergerissen. Gerhard Pfeifer vom Regionalverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält sie als öffentliche Verkehrsmittel für interessant und prüfenswert an „steilen Stellen“. Gerade in Vaihingen seien berechtigte Bedenken von privaten Grundstückseigentümern zu erwarten. Die ökologische Seite stelle sich nicht so problematisch dar wie bei Windkraftanlagen, die oft in der Natur und nicht im Stadtbereich geplant werden. Vor fünf Jahren habe der BUND mit dem Fahrgastverband Pro Bahn selbst schon Seilbahntrassen vorgeschlagen.