Stuttgart gilt als Skateboard-Hochburg und hat neben vielen guten Fahrern auch einige bekannte Skateboard-Filmer hervorgebracht. Unter anderem Felix Loechel, der nicht nur Skater vor der Linse hat sondern kürzlich auch Teilnehmer von Olympia. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Stuttgart - Felix Loechel ist universell im Filmbereich tätig. Aktuell hat er für Olympia Dokumentationen über verschiedene Sportler gedreht. Seine Wurzeln liegen aber bei Brettsport-Aufnahmen. „In meiner Freizeit war ich fast immer mit der Kamera und meinem Brett in Stuttgart unterwegs“, erzählt Felix seinen Werdegang im Stadtkind-Interview. Der Ravensburger, der natürlich selbst Skater ist, kam 2011 in die Landeshauptstadt und hat sich nach einem Praktikum in einer Werbeagentur im Post-Production/Schnitt selbständig gemacht.

Wie wird man das, Skateboard-Filmer?
Man muss es nur wollen und sollte selber Skateboard fahren. Mit Freunden skaten und filmen gehen. Die Kameratechnik ist heutzutage leicht zugänglich. Ein Smartphone kann heute schon ausreichen. Youtube-Tutorials vermitteln anschaulich die Basics.

Wie gefährlich ist der Job? Du fährst quasi in die Kamera schauend nebenher und hast weniger auf die Straße bzw. den Spot im Visier.
Mein Filmerboard, mit dem ich hinterherfahre, hat größere Rollen und ist breiter als ein normales Skateboard. Man entwickelt als Skater auch ein gewisses Körpergefühl. Eine Kamera ging bisher noch nicht kaputt: Auf eine freie Bahn achten wir immer, da die Anstrengung sich ja für den Skater und mich lohnen soll. Passanten sind verschont geblieben. Wachsam bleiben.

Was fasziniert dich am Skateboarding?
Skater sind extreme Charaktere. Es geht nicht nur um Tricks machen oder abhängen. Auf jeden Skater kommt mindestens noch ein Kreativer, der entweder etwas mit Design, Kunst oder Film macht. Spike Jonze, Regisseur u.a. von „Being John Malkovich“ oder „Her“ sowie von zahlreichen herausragenden Musikvideos, hat seine Wurzeln ebenfalls im Skateboarding und produziert bis heute noch die Girl Skateboards-Filme. Es ist eine Lebenseinstellung und Ausdrucksform. Egal, ob man auf dem Brett unterwegs ist oder nicht. Skater können aber auch manchmal anstrengend sein, wenn es um die eigene Wahrnehmung oder Akzeptanz anderer geht. Da bleibt Skaten wie jede andere Subkultur nicht verschont, auch wenn dir Skater immer etwas Gegenteiliges sagen werden.

 

Du hast es den Typus Skater gerade angesprochen. Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit Skatern vorstellen?
Man braucht schon ein gewisses Ego, um harte Tricks zu machen. Ich kenne Skater, die nehmen das Ganze sehr ernst und kennen sich mit ihrem Körper besser aus als jeder Physiotherapeut. Es gibt aber auch die verpeilten Fahrer, bei denen ich mich manchmal frage, wo sie in zehn Jahren landen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass in Deutschland kaum die Infrastruktur vorhanden ist, um als professioneller Skater zu leben. Mit "davon leben" meine ich vor allem, dass man in seiner Karrierezeit genug Geld zusammen hat, um auch danach davon leben zu können. Die professionelle Szene lebt immer noch in Los Angeles, daran führt auch im Jahr 2016 kein Weg vorbei.

Wie läuft so ein Drehtag ab?
Ich würde es nicht als „Drehtag" bezeichnen. Jeder, der weiß, wie ein echter Drehtag aussieht, bezeichnet Skateboardfilmen eher als "Freizeitstress". Man trifft sich meistens am Spot, wo der Skater schon seinen Trick im Kopf hat. Der Skater macht sich warm, man überlegt sich eine Perspektive und filmt. Ich bin allein für einen Trick dreimal zu seinem Spot gegangen und habe dort den ganzen Tag gefilmt. Der hat dann zum Glück geklappt.

Kommen von dir, der auch skatet, die Ideen, wie und was geschossen wird, forderst du die Fahrer, riskieren sie dafür auch mal mehr als sonst etwas für einen gutes Video?
Die Idee für einen Trick muss vom Skater kommen. Ich kann zwar mittlerweile manche Jungs gut einschätzen und Tipps geben, da ich mich selber auskenne mit dem Skaten. Schlussendlich muss die Entscheidung zu hundert Prozent vom Skater kommen. Wer Ansagen macht, sollte auch abspringen können.


Wie haben sich Skateboard-Videos in den letzten Jahren verändert?
Russell Houghten hat erst kürzlich einen Film für New Balance mit einem iPhone gedreht. Die Geschwindigkeit ist enorm geworden. Instagram hat das nochmals auf die Spitze getrieben. Tricks, die man früher lange aufbewahrt hat für einen besonderen Film, landen direkt auf der Foto-App. Die Kids vermarkten sich selber. Heute kannst du von deinem Dorf-Skateplatz eine Fanbase aufbauen.

Stuttgart wird oft als Skateboard-Hochburg bezeichnet. Ist das wirklich so und war die Stadt für deine Karriere wichtig?
Stuttgart ist nach wie vor in Europa eine sehr angesehene Skateboardstadt. Wegen der Kessellage wird es auch als das deutsches San Francisco bezeichnet. Einige Adidas-Fahrer wie auch der Arrow&Beast-Skateshop haben hier ihren Sitz und sorgen dafür, dass die Szene weiter wächst. Mit Telum, MotorCity und Own Skateboards hat die Stadt drei lokale Skateboard-Marken. Kürzlich wurde die Skatehalle Stuttpark in Bad Cannstatt eröffnet. Für mich persönlich war die Stadt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Position überaus bedeutsam. Meine Selbständigkeit, also meine berufliche Freiheit, wäre mir wahrscheinlich in einer anderen Stadt nicht so gut geglückt wie in Stuttgart. Aufgrund der familiären Größe kann man sich hier sehr gut vernetzen.

Welche Ideen und Projekte würdest du gerne umsetzen?
Ich habe dieses Jahr noch keinen Skateboardclip gedreht. Nach dem Dokumentarfilm für Olympia, der zuletzt meine volle Zeit beansprucht hat, möchte ich nächstes Jahr in Bosnien einen weiteren Dokumentarfilm drehen zu einem anderen Thema. Heißt: Erstmal das Drehbuch schreiben und Fördergelder beantragen. Skateboarding hat sich in meiner aktuellen Lebenssituation auserzählt. Skater bleibt man immer, aber erzählen möchte ich vorerst andere Geschichten.


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