Wo es Hochburgen gibt, werden Hochburgen dokumentiert. Stuttgart gilt seit Jahrzehnten als Skateboard-Hochburg. Deswegen hat die Stadt nicht nur einige herausragende Skateboarder hervorgebracht, sondern auch talentierte Menschen, die diese Kunst mit Kameras festhalten. In den nächsten Wochen stellen wir einige Stuttgarter Skateboard-Filmer vor.

Stuttgart -Torsten Frank ist vierzig Jahre alt und wahrscheinlich einer der angesehensten Skateboard-Filmer überhaupt auf diesem Globus. Für das sogenannte Full Length Video „Away Days“ für adidas, das vor einigen Wochen internationale Premiere feierte, hat er insgesamt zweieinhalb Jahre lang bei 25 Skatetouren auf der ganzen Welt gefilmt. „Die erste Premiere war in LA und Snoop Dogg hat uns auf die Bühne gerufen. Solche Momente sind natürlich unvergesslich.“

 

Aus seinem Instagram-Account schreit es geradezu heraus: Skateboardfilmer muss ein Traumjob sein. Immer unterwegs in sämtlichen Metropolen der Welt. Immer mit vermeintlich lässigen Leuten abhängen. Immer kreativ arbeiten. Torsten ist dankbar für seine Lebenssituation, die er sich freilich selbst erarbeitet hat. „Ich liebe meinen Job nach wie vor. Jedoch ist es auch ein harter Job und wenn man nicht gerne auf Reisen geht, ist es definitiv der Falsche.“ Zu „harter Job“ kommen wir gleich noch, zuvor eine wunderschöne Prise innere Zufriedenheit a là Torsten Frank, von der sich manch einer eine Scheibe Ahornholz - daraus werden Skateboards hergestellt - abschneiden kann: „Wenn man nach dem Skaten zusammensitzt und einer ist aus Australien, Brasilien, USA, England, Frankreich, da wird einem schon bewusst, wie gut es einem geht und in was für einer Zeit wir leben.“

Wie alle anderen Skateboard-Filmer und -Fotografen war und ist Torsten schon immer selbst Skateboarder und liebt den Sport. Die Dokumentation sei der zweite Schritt für ihn gewesen. Mit 18 Jahren hat er sich dann die erste Kamera gekauft und „vom ersten Tag an ohne eine Pause Skateboardvideos produziert.“ Torsten hat sich reingehängt, immer drauf gehalten, selbst wenn der Fahrer erst nach mehreren Stunden den Trick schließlich gestanden und die Uhr schon 3 Uhr morgens angezeigt hat. „Das hat sich ausgezahlt. Heute bin ich in der glücklichen Situation, mit den besten Skateboardern der Welt zu filmen.“ Und da er in den vergangenen 15 Jahren immer viel in Stuttgart gedreht hat, trug er seinen Teil zur besagten Hochburg bei, denn durch seine Arbeit sei „das eine oder andere ins Rollen gekommen.“




Torsten filmt oft in stark belebten Metropolen. Nicht, weil er den Nervenkitzel sucht. In städtischer Umgebung zu filmen samt Autos, Passanten etc. sei für ihn einfach interessanter als „auf dem nächsten Dorf-Skatepark“. Dazu muss man wissen: Ein Skateboard-Filmer fährt mit seinem Equipment selbst auf einem Skateboard parallel zum „Darsteller“. Ist das nicht saugefährlich? Ihm sei in all den Jahren nie was passiert, meint er. Und wie fit muss man sein für den Job? „Skateboard-Filming ist im Grunde genommen Sport.“ Beim Dreh skatet Torsten pro Tag im Schnitt etwa zehn Kilometer. Und das Filmequipment wiegt 15 Kilo. Der 40-jährige dürfte wahrscheinlich fitter sein als so manche blutjunge Fitness-Instagramer, für die wiederum der folgende Satz der blanke Ästhetik-Albtraum vor dem Fitnessstudio-Selfie-Spiegel sein dürfte: „Mein linker Oberschenkelmuskel ist aufgrund der Körperhaltung, die ich beim Filmen habe, doppelt so groß wie der rechte.“

Torsten ist schon lange im Business und hat zu seinen „Filmfiguren“, internationalen Profi-Skatern, ein gutes Verhältnis - immerhin sprechen beide Seiten dieselbe Sprache und „wir dürfen letztendlich genau das machen, was wir lieben, also täglich skaten gehen“. Trotzdem kann ein Drehtag sehr nervenaufreibend sein. Ist man gegen Mittag am ersten Drehspot angekommen, schlägt Torsten einem Fahrer vor, welchen Trick man filmen könnte. „Und nun gibt es mehrere Optionen: der Trick funktioniert schnell. Der Trick funktioniert fast, aber wir geben nicht auf. Ein Auto parkt genau da, wo wir gerade filmen. Es fängt an zu regnen. Ein Security verjagt uns. Die Laune kippt, da sieben andere Teamfahrer auch gerne was filmen würden, sie aber warten müssen. Das Board bricht.“

Und so geht das den ganzen Tag, den Torsten genau dann als erfolgreich bezeichnet, wenn drei gute Tricks an drei Spots im Kasten sind. Was also in Skateboard-Videos ganz lässig aus den linken und rechten Fußgelenken raus getrickst aussieht, ist ein langwieriger Entstehungsprozess. Bis da so etwas wie ein (kurzer) Film entsteht - ein einzelner Skateboard-Trick, zum Beispiel an einer Treppe, dauert zwischen zwei bis zehn Sekunden - brechen einige Bretter und ist man von einigen Securitys verjagt worden.

Langweilig wird es Torsten also aus vielerlei Gründen nicht. Zumal sich Skateboarding und Skateboardfilming die letzten Jahrzehnte sportlich (immer wieder neue Styles und neue Trickkombinationen) wie technisch immer weiterentwickelt haben. „Als Filmer kann ich das sogar mitsteuern. Was ich in einem Skateboard-Film zeige, wird die aktuelle und nächste Generation beeinflussen“, meint er. „Aus technischer Sicht produzieren wir hochwertige, kreative und innovative Filme. Kameraeinstellungen, Kamerafahrten und der Aufwand, gute Bilder zu produzieren, sind High Level.“

Und noch so eine richtige Mama-Papa-Frage: Wie lange willst du das eigentlich noch machen? „Keine Ahnung. Bei uns sind jetzt zwei neue Teamfahrer mit 42 Jahren im Team. Da denke ich, da kann ich noch eine Weile mit der Kamera die Jungs verfolgen. You are only as old as you feel. I feel young.“ Wer einen Job hat, mit wenigen Vorgaben und kreativer Freiheit, sollte diesen so lange wie möglich ausüben. Die internationale Skateboard-Szene wird Torstens Einsatz danken.

Mehr von und mit Torsten Frank gibt's auf seinem Instagram-Account.