Die laute Musik aus den Zelten mischt sich beim Stuttgarter Sommerfest mit dem offiziellen Bühnenprogramm zum Akustikbrei.  

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Musik liegt in der Luft, doch beim Sommerfest ist es eher ein Klangbrei aus Funk, Salsa und Bässen. Schon das offizielle Musikprogramm, das auf fünf Bühnen läuft, ist üppig: für jeden Geschmack etwas und gut verteilt zwischen Musikpavillon, Schlosstreppe, Theatersee sowie vor der Oper und beim Schauspielhaus. Dazwischen spielt die Privatmusik in den Gastronomiezelten auf der Wiese im Oberen Schlossgarten und ohrenbetäubend ein Trommlerduo an einem Stand zwischen Oper und Schauspiel.

 

Genau hier aber suchen die leiseren Töne des Musikprogramms ihr Publikum. "Ihr dohanna, kennert ihr amol a bissle laiser trommla", meckerte deshalb Alex Köberlein ins Mikrofon. Der Name Grachmusikoff, unter dem er in Kleinstbesetzung mit seinem Bruder Georg und Hansi Fink am Freitagabend Oberschwaben in den Schlossgarten brachte, täuschte. Krach war das keineswegs, eher Musikkabarett. Böse, bitter und zwischendurch auch lustig. Mit Mundart, Kehrwochenwitzen und mit Kittelschürzen-Schenkelklopfern haben die Profimusiker nichts am Hut, eher mit der Bissigkeit eines Kabarettisten Sigi Zimmerschied.

Schwarzer Humor nach britischem Vorbild

Die Köberleins bringen Geschichte und Geschichten aus ihrer oberschwäbischen Heimat unter die Leute, eine Hassliebe ist das: "Dort, wo der Stuttgarter, wenn er an den Bodensee fährt, anfängt über die Landschaft zu staunen, da kommen wir her." Und daher kommt auch der "Oberschwaben-Blues "My Cauntry" - schwarzer Humor nach britischem Vorbild.

Aber nicht nur die Grachmuskikoffs hatten Mühe, sich Gehör zu verschaffen. "Ich muss schon häufig von den Lippen ablesen. Aber ich finde es trotzdem schön, dass hier so viel Musik ist", sagt Kathrin Landsgesell und schmunzelt. Sie steht an der Kasse eines Crêpes-Standes. Im Rücken trällern die Publikumslieblinge von "Wirtschaftswunder" ihre 60er-Jahre-Schlagerrevue, bei der die Generation 40 plus lautstark mitsingt und dazu die Arme in der Luft schwingt. Von gegenüber trifft die junge Kassiererin der Sound aus den Gastronomiezelten jenseits des Eckensees, der weit übers Wasser bis zur Landesbibliothek getragen wird.

"Der Samstag war ein Rekordtag"

"Das ist schon ziemlich sportlich hier, die müssen ja alle gegeneinander anspielen und ansingen", findet Sommerfestbesucher Ralf Broker. Maria Pischka als erklärter Stammgast genießt gerade die große Auswahl. "Jetzt unterhalte ich mich gerade mit Freunden, und wenn ich richtig Musik hören will, dann stelle ich mich eben genau vor die betreffende Bühne." Hans-Dieter Redecke ist Pensionär und hätte "lieber weniger Gewummere". Er lauscht vor der Oper dem Stuttgarter Operettenensemble mit der Sopranistin Gudrun Kohlruss und dem Tenor Ruben Mora. Deren Schlager aus der Welt der Operette kommen generationenübergreifend gut an: Zwei junge Frauen im Dirndl überqueren Walzer tanzend den Platz vor der Treppe, Kinder sitzen vor den Musikern hören andächtig zu und eine betagtere Dame hat sich ein Campingstühlchen mitgebracht.

"Schade, dass die Bühnen so eng aufeinander stehen", findet Doris Neumann. "Mein Mann und ich hören gerne schöne Musik, auch gerne unterschiedliche. Aber die Operetten werden hier übertönt." Schon wieder waren es die Trommler der angrenzenden Cocktailbar. "So etwas wollen wir nicht. Was in den Zelten läuft, muss im Stil und in der Lautstärke passen, unser Programm darf nicht gestört werden", sagt Marcus Christen vom Veranstalter InStuttgart. Trotz des Streiks im öffentlichen Personennahverkehr und des Starkregens am Freitag ist das Sommerfest mit mehr als 400.000 Besuchern ein Erfolg geworden. "Am Donnerstag gingen den Wirten wegen des Andrangs sogar die Speisen und die Getränke aus", berichtet Christen. "Und der Samstag war ein echter Rekordtag."