Die Aufregung um die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nach Bekanntgabe des vorzeitigen Ruhestands von Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler zeugt von einer Vertrauenskrise der Behörde in der Bevölkerung. Mit der Neubesetzung zweier Stellen muss Vertrauen zurückgewonnen werden, meint StZ-Redakteur Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wann hätte es das schon einmal gegeben? Da geht ein altgedienter Oberstaatsanwalt aus familiären Gründen vorzeitig in den Ruhestand – und die Öffentlichkeit reagiert zutiefst gespalten. Seine Kritiker stimmen eine Art Triumphgeheul an: Endlich ist er weg, dieser Bernhard Häußler, der das Recht in ihren Augen höchst einseitig zu Gunsten des Staates und der Staatsmacht auslegte. Seine Fürsprecher sehen ihn hingegen als Opfer einer Hetzjagd, vertrieben von Leuten, denen es nicht gepasst habe, wie unbeirrt er die Gesetze anwendete.

 

Ausgerechnet die Justiz, die doch ausgleichend wirken soll, polarisiert dermaßen – da muss etwas gründlich schiefgegangen sein. Tatsächlich sind die heftigen Reaktionen auf den Abgang des Chefs der politischen Abteilung nur ein Symptom für den Vertrauensverlust, den die Stuttgarter Staatsanwaltschaft und eingeschränkt auch die Gerichte in Teilen der Bevölkerung erlitten haben. Dieser hat viel zu tun mit den beiden Hauptthemen, die Häußler zuletzt bearbeitete: dem Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten und dem EnBW-Deal von Stefan Mappus. Beide Vorgänge haben das Rechtsempfinden vieler Bürger zutiefst verletzt – und ihre juristische Aufarbeitung nicht minder.

Der Ministerpräsident blieb völlig unbehelligt

Kann es sein, dass ein Ministerpräsident im Alleingang mit Steuermilliarden zockt, ohne dass dies zumindest untersucht wird? Kurz vor der Landtagswahl 2011 bejahten die Ermittler dies noch. Erst ein Bericht des Rechnungshofes, der zu guten Teilen auf öffentlichen Informationen beruhte, setzte sie nach anderthalb Jahren in Marsch. Unbefriedigend verlief lange auch die Aufarbeitung des „schwarzen Donnerstags“: so schnell und entschlossen gegen Demonstranten vorgegangen wurde, so zäh gestalteten sich die Ermittlungen gegen Polizeibeamte. Völlig unbehelligt blieb der Ministerpräsident, in dessen Regierungszentrale der fatale Einsatz geplant worden war.

Natürlich meinten manche Projektgegner, sie könnten für ihren Widerstand eine Art höheres Recht in Anspruch nehmen. Das kann und darf es nicht geben. Angesichts des singulären Polizeieinsatzes musste die Justiz indes jeden Anschein von Einseitigkeit vermeiden. Dass der selbe Oberstaatsanwalt Häußler die Ermittlungen leitete, der die Polizeispitze bis in die Nacht begleitete und nichts Bedenkliches erblickte, hätte sich eigentlich verboten – übrigens auch aus Gründen der Fürsorge. Doch weder Justizminister Goll (FDP) noch sein Nachfolger Stickelberger (SPD) waren klug genug, die Verfahren einem fraglos Unbefangenen zu übertragen.

Das Recht ist keine exakte Wissenschaft

Gerade die Grünen sind im Fall Häußler in den Geruch geraten, sie wollten politischen Einfluss auf die Justiz ausüben. Doch einen direkten Durchgriff kann niemand wollen, unabhängig vom Parteibuch. Zu Recht heißt es daher: Wehret den Anfängen. Ganz so politikfern, wie nun gefordert wird, ging es in der Justiz allerdings auch früher nicht zu: Die Besetzung von Schlüsselpositionen wurde jahrelang von einem CDU-Spitzenbeamten im Ministerium gesteuert; für die meisten bewarb sich nur der vorher ausgeguckte Aspirant. Und die Bekundung von CDU-Größen, der Staatsgerichtshof hätte den EnBW-Deal im Falle ihres Weiterregierens milder beurteilt, lässt ebenfalls tief blicken. Das Recht ist eben nicht die exakte Wissenschaft, als die es die Juristen gerne darstellen, sondern bietet Auslegungs- und Ermessensspielräume, die man so oder so nutzen kann.

Nun, da der Posten Häußlers und auch der des Stuttgarter Generalstaatsanwalts neu besetzt werden, kann die Justiz verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Wenn sich die Staatsanwaltschaft noch überzeugender um Objektivität bemüht, wenn auch die Kontrolle durch die übergeordneten Behörden noch sensibler erfolgt, dann bleibt die Aufregung um einen einzelnen Ermittler hoffentlich ein Einzelfall.