Im Tauziehen um die Rabatte am Staatstheater Stuttgart hat sich die Theaterleitung auf ganzer Linie gegen die Kulturgemeinschaft durchgesetzt. Der Verwaltungsrat stimmte am Montag mit großer Mehrheit dafür, die Rabatte für die Besucherorganisation in den nächsten Jahren weiter deutlich zu senken.

Stuttgart - Im Tauziehen um die Rabatte am Staatstheater Stuttgart hat sich die Theaterleitung auf ganzer Linie gegen die Stuttgarter Kulturgemeinschaft durchgesetzt. Der Verwaltungsrat mit Vertretern von Stadt und Land stimmte am Montag mit großer Mehrheit dafür, die Rabatte für die Besucherorganisation in den nächsten Jahren weiter deutlich zu senken. Er folgte damit dem Modell des geschäftsführenden Intendanten Marc-Oliver Hendriks, das eine Absenkung in mehreren Stufen vorsieht. Von einst 64 Prozent soll der derzeit noch 42,5 Prozent betragende Nachlass auf 32,5 Prozent in der Spielzeit 2014/15 zurückgehen. In der Summe reduziert sich der Rabatt pro Spielzeit damit von derzeit 1,5 Millionen Euro auf eine Million Euro.

 

Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) als Vorsitzender des Gremiums lobte Hendriks für den Anstoß zur Neuregelung der Rabatte. Diese müssten sich in das Rabattsystem der Staatstheater selbst sowie der Theater in anderen Städten einfügen. Bis zur ersten Reduzierung waren sie ungewöhnlich hoch. Für die Kulturgemeinschaft bedeute der Beschluss eine „Herausforderung“, sagte Schuster. Den Theaterträgern sei aber sehr daran gelegen, dass die Kulturgemeinschaft ihre Aufgabe weiter wahrnehmen könne. Hendriks zeigte sich „sehr glücklich“ über den Beschluss, der dem Vernehmen nach mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung zustande gekommen ist.

Jakobeit: „Kulturgemeinschaft wird es nicht mehr geben“

Der Geschäftsführer der Kulturgemeinschaft, Peter Jakobeit, hatte sich im Verwaltungsrat für einen Mindestrabatt von 50 Prozent eingesetzt; er wollte also auch frühere Kürzungen rückgängig machen. Den Beschluss zur weiteren Senkung der Rabatte nannte Jakobeit gegenüber der StZ „ganz schlecht für uns und die Kultur in Stuttgart“. Damit sei ein „Worst-Case-Szenario“ mit weitreichenden Folgen eingetreten. Die Kulturgemeinschaft in der heutigen Form werde es in Zukunft nicht mehr geben. „Wir müssen das ganze Gefüge umbauen“, sagte Jakobeit; für die Staatstheater könne man nicht mehr die gleichen Leistungen erbringen wie bisher. Persönliche Konsequenzen aus dem Beschluss, etwa einen Rückzug, schloss Jakobeit aus.

Der Kunststaatssekretär Jürgen Walter (Grüne) sagte, der Beschluss beinhalte auch einen jährlichen Bericht über die Auswirkungen auf die Kulturgemeinschaft. „Wir wollen erfahren, ob das Modell funktioniert oder ob die Zahl der Kartenverkäufe zurückgeht.“ Nach Angaben der Intendanz werden schon seit vielen Jahren immer weniger Karten über die etwa 33 000 Mitglieder zählende Kulturgemeinschaft abgesetzt. Neben den langfristigen Kartenverkäufen mit Rabatt wolle man künftig auch kurzfristig Karten über die Kulturgemeinschaft vermarkten, mit einem zusätzlichen Nachlass von weiteren zehn Prozent. Über die Einzelheiten will man noch verhandeln.

Staatsanwaltschaft legt „Beobachtungsvorgang“ an

Mit seiner Darstellung der finanziellen Verhältnisse bei der Kulturgemeinschaft konnte Jakobeit das Gremium offenbar nicht überzeugen. Auch nach der Sitzung vermochte Schuster vor Journalisten nicht zu sagen, wie die erhebliche Differenz zwischen dem vom Theater eingeräumten und dem an die Kunden weitergegebenen Rabatt verwendet werde; dies müsse man den Geschäftsführer selber fragen. Anhand der von ihm vorgelegten Zahlen sei dies „schwierig“ zu beurteilen, man könne sie „glauben oder nicht glauben“. Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Relevanz der Vorgänge sehe er „Stand heute nicht“, sagte Schuster; man würde ihnen gegebenenfalls nachgehen.

Aus Teilnehmerkreisen verlautete, der Verdacht der Quersubventionierung sei durch Peter Jakobeits Darstellung nicht ausgeräumt worden. Die Aussagekraft der von ihm präsentierten Zahlen sei sehr dürftig. Der Geschäftsführer der Kulturgemeinschaft sagte dagegen, die Vorwürfe seien „implodiert“; dies ergebe sich aus den Äußerungen des Gremiums-Vorsitzenden Schuster. Allerdings bleibe immer etwas hängen. Marc-Oliver Hendriks hatte in einer früheren Sitzung des Gremiums vor der Gefahr der „Haushaltsuntreue“ gewarnt und von einer „massiven Quersubventionierung“ gesprochen. Nachdem die StZ am Freitag darüber berichtet hatte, legte die Staatsanwaltschaft Stuttgart dazu einen „Beobachtungsvorgang“ an.

Schauspielhauseröffnung Mitte Juni

Neben den umstrittenen Rabatten für die Kulturgemeinschaft war die Sanierung des Schauspielhauses das zweite Thema der Verwaltungsrats-Sitzung. Wie zuvor schon der geschäftsführende Theaterintendant rechnet nun auch das Kontrollgremium damit, dass das Schauspiel erst Mitte Juni in sein angestammtes Domizil zurückkehren wird. Dann könnte wenigstens die letzte Premiere der Intendanz von Hasko Weber wieder am Eckensee rauskommen: „Großes Fressen“ von Volker Lösch. Gegenüber den zuletzt gültigen Planungen bedeutet das eine Verzögerung von vier Wochen. „Die Arbeiten schreiten voran“, sagte Marc-Oliver Hendriks, „aber sie schreiten langsamer voran, als wir uns das erhofft hatten.“ Da deshalb die Monate März und April für die Erprobung der neuen Bühnenmaschinerie reserviert werden müssten, könne erst im Mai sukzessive mit dem Umzug des Schauspiels und den Proben unter Realbedingungen begonnen werden – deshalb die Eröffnung Mitte Juni.

Die grundlegende Debatte über die Sanierung des Opernhauses wurde indes ins nächste Jahr verschoben. Wie OB Schuster erklärte, soll dann eine Diskussion über notwendige Baumaßnahmen auf der Basis einer umfassenden gutachterlichen Bewertung stattfinden.