Eine Harfenspielerin im Lastenaufzug, Balletttänzer in der Lobby und zwei Schauspieler in der Garderobe: Das Staatstheater Stuttgart hat nach der Corona-Pause einen ganz besonderen Parcours durch das Haus ausgetüftelt.

Stuttgart - Fast ist das Aufatmen zu spüren, das in diesen Tagen durch das Stuttgarter Staatstheater zieht. Monatelang musste das Dreispartenhaus seine Türen für Kulturfreunde geschlossen halten, nun öffnet es sich nach der Corona-Zwangspause wieder. Zaghaft zwar, um die nach wie vor strengen Auflagen zu beachten. Aber dafür mit einem eindrucksvollen, enorm aufwendigen und gemeinsamen Kraftakt von Theater, Oper und Ballett. „Das ist ein Befreiungsschlag für uns, der zeigt, dass man auch aus einer Not eine Tugend machen kann“, sagt Schauspielintendant Burkhard Kosminski vor dem Premierenabend am Freitag.

 

Unter dem Titel „Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind“ will das Staatstheater an sieben Abenden kleine Besuchergruppen auf einem Parcours durch das Gebäude leiten. Ein Rundgang, der auch den Mangel der vergangenen Monate verdeutlichen soll: Es wird endlich wieder getanzt, gespielt und zitiert, musiziert und gesungen - in einem Lastenaufzug ebenso wie im Orchestergraben, in der Hofeinfahrt und in der Lobby, in den Windfängen der Eingangstüren und in der Wandelhalle der Oper, in der Garderobe und auf der Bühne.

Unter Leitung von Kosminski, Ballettintendant Tamas Detrich und Generalmusikdirektor Cornelius Meister wollen die Tänzer, Sänger, Schauspieler und Orchestermusiker die Schlupfwinkel des gesamten Hauses ausnutzen und das Gebäude in ein poetisches Labyrinth verwandeln. Ein Erlebnis für Augen und Ohren - wenngleich nur für wenige. An den wenigen Abenden sollen jeweils 16 kleinere Gruppen durch das Haus geführt werden.

Die mehr als zweimonatige Corona-Pause begleitet den Parcoursgänger auf seiner 75-minütigen und geführten Schlenderei in Bildern: das Laub, das in den Wandelhallen der Opernränge verstreut liegt, die umgestürzten Stühle und die mit Laken abgedeckten Möbel, ein gelangweilter Kartenabreißer und eine gespielte Szene aus Samuel Becketts berühmtestem Theaterstück „Warten auf Godot“. „Hier ist es wie in Pompeji“, zitiert eine Schauspielerin auf einer der zwölf Parcours-Stationen aus Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“. „Alles noch vorhanden, bloß die Zeit ist weg.“

Die Lücke im Kulturleben wird geschlossen

Seit dem 1. Juni ist „Kultur in kleinen Formaten“ in Baden-Württemberg wieder möglich. „Dass es jetzt wieder losgeht, freut mich riesig“, sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) zum Neustart nach der Zwangspause. „Da war eine Lücke in unserem Leben ohne gemeinsames Kulturleben.“

Auch die Oper Stuttgart nutzt die kleine Freiheit und lädt zu zwei ungewöhnlichen Inszenierungen ins Autokino. „Wenn das Publikum nicht zu uns ins Opernhaus kommen kann, dann kommen wir zum Publikum“, sagt Intendant Viktor Schoner. Gezeigt wird Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ (Premiere 8. Juni) auf der mobilen Bühne eines Truckanhängers und Mozarts „Zauberflöte“ (Premiere 27. Juni) in einer Mischung aus Singspiel, Live-Hörspiel und Kino - und vor bis zu 1000 Autos.

Parcours und Wasen-Oper sind nicht die einzigen Auftritte des Staatstheaters vor der Sommerpause. Geplant seien unter anderem ein Stück im Hof der Staatstheater, ein Live-Hörspiel und ein Audio-Walk durch das leere Gebäude, sagte eine Sprecherin.

Beim Badischen Staatstheater in Karlsruhe ist die Pause bereits angebrochen, der Spielbetrieb ist eingestellt worden. Auch Mannheims Nationaltheater lässt seine Türen zu, beteiligt sich aber neben dem digitalen Angebot noch an einer Aufführung des „Urfaust““ in einem „Live-Hörspiel-Konzert“, das nach Worms am Freitag auch in Mannheim gezeigt wird. Das Theater Freiburg plant dagegen noch einen Spielbetrieb mit kleineren Formaten, Details sollen am Freitag veröffentlicht werden.