Die Autorin Sibylle Berg stellt mit illustrer Unterstützung ihren neuen Roman im Stuttgarter Staatstheater vor.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Sibylle Berg hat ihre Fans, keine Frage. Locker füllt die zierliche Autorin mal eben die große Spielstätte Nord des Stuttgarter Staatsschauspiels, als sie dort am Montagabend ihren neuen Roman „Vielen Dank für das Leben“ (erschienen bei Hanser) vorstellt, und dankbar folgen große Teile des Publikums einem von Sebastian Schwab aufwendig inszenierten Programm, in dem sie gemeinsam mit den Schauspielern Katja Riemann und Matthias Brandt einen Längsschnitt durch ihr 400 Seiten starkes Opus darbietet.

 

Wer über das Buch „Vielen Dank für das Leben“ allerdings nicht oder nur wenig informiert war, wird Mühe gehabt haben, den roten Faden zu finden. Irgendwie geht es um einen in der DDR geborenen Zwitter namens Toto, der allseits unbeliebt und ungeliebt zunächst durch den Sozialismus und dann durch den Kapitalismus schliddert, um dann in noch stattzufindender Zukunft eher elend an Krebs zu sterben. Wie das aber nun so miteinander zusammenhängt, was das alles mit einem Menschen namens Kasimir, einem Musikhochschulprofessor, einem Kreis unangenehm aussehender Schwuler, philippinischen Pflegekräften und einer frustrierten Bahnfahrerin zusammenhängt, das erfährt der Nicht-Berg-Umfassend-Kundige nicht. Denn erklärt wird hier nichts. Berg ist Kult, basta.

Dumm und hässlich zu allen Zeiten

Die von den beiden Schauspielern hochprofessionell und von der Autorin zerbrechlich-zirpend vorgetragenen Textteile erklingen hier völlig getrennt von irgendeiner Rahmenhandlung. Sie stehen monolithisch für sich, erzählen mal etwas von den siebziger, mal von den neunziger, mal von den gegenwärtigen Jahren. Aber selbst die Spielzeit ist egal, denn, so die Botschaft der Autorin, formuliert im letztlich unangreifbaren Tonfall der literarisch ambitionierten Endlosglosse, dumm und hässlich war und ist es und wird es sein zu allen Zeiten und in jedwedem System. Das trifft ganz zweifellos ein bestimmtes Lebensgefühl, insbesondere von Zeitgenossen, die sich selbst der derart beschriebenen, doch allgemein so grassierenden Dummheit und Hässlichkeit glücklich entzogen wähnen.

Ein böses Pamphlet

Das Ganze wurde sodann in seiner Aussage keineswegs erhellt, sondern gedoppelt und verdreifacht von ambitionierten Filmen der Videokünstlerin Heta Multanen und von Popsongs der Sängerin Mary Ocher, zum Schluss gar begleitet von einem elegisch aufspielenden Streichquartett, dessen bildhübsche Musikerinnen so jung waren, dass sie, man ahnt es, für derlei Engagements sicher preiswert zu buchen sind. Ein Abend der großen Geste. Bestenfalls ein böses Pamphlet gegen die Schlechtigkeit aller Zeiten. Wie beruhigend.