OB Fritz Kuhn und Finanzbürermeister Michael Föll wollten von 2018 an insgesamt rund 26 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Ihre Vorschläge kamen nicht durch.

Stuttgart - Der Stuttgarter Gemeinderat hat sich am Mittwoch vor der parlamentarischen Sommerpause Luft für die im September beginnenden Beratungen zum Doppelhaushalt 2018/2019 verschafft. Eine von OB Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) vorgeschlagene Rücklage für die Sanierung der Staatsoper in Höhe von 40 Millionen Euro kürzten die Fraktionen wie angekündigt auf zehn Millionen Euro, betonten aber die Notwendigkeit der Sanierung. Erstmals seit Jahren nickte das 60 Köpfe zählende Gremium den Jahresabschlussmit den Vorschlägen der Verwaltungsspitze nicht komplett ab.

 

Kuhn und Föll hatten vom Gemeinderat gefordert, zusammen mit dem Jahresabschluss 2016, der einen Überschuss von 231 Millionen Euro ausweist, eine Sparliste zu verabschieden. Mit verschiedenen Maßnahmen, zum Beispiel weniger Wechselbepflanzung im Höhenpark Killesberg und dem Entfall des letzten öffentlichen Warmbadetages in Feuerbach, Plieningen und Bad Cannstatt sowie diversen Gebührenerhöhungen, sollten pro Jahr rund 26 Millionen Euro mehr im Haushalt verfügbar sein. Man wolle „sparen, um zu investieren“, hatten die beiden Bürgermeister vor der Presse gesagt.

Vorhaltungen an die Bürgermeister

Der Appell für eine erneute Sparrunde samt Preiserhöhungen kam bei den Fraktionen nicht gut an. Statt sie zu beschließen, nahmen die Räte sie nur zur Kenntnis. Über Einzelpunkte solle bei den Haushaltsplanberatungen gesprochen werden.

Kuhn und Föll mussten sich heftige Vorhaltungen vor allem zur Personalausstattung der Stadtverwaltung anhören. Die Verwaltungsspitze vernachlässige ihre Kernaufgaben, in den Bürgerbüros sei beispielsweise in diesem Jahr bei 64 Schließungen außer Plan in Bezirk Mitte, 43 in Zuffenhausen, 34 in Vaihingen und 30 in Bad Cannstatt „dringender Handlungsbedarf vorhanden“, sagt SPD-Fraktionschef Martin Körner. Die Stadt habe nicht, wie in den Beratungen zum Haushalt stets prophezeit, neue Kredite aufnehmen müssen, sondern dreistellige Millionenüberschüsse eingefahren. Für 2016 war eine Kreditaufnahme von 138 Millionen Euro berechnet worden. Tatsächlich aufgenommen wurde, weil es zinslos ist, ein Darlehen von der KfW-Bank für den Bau von Flüchtlingsheimen in Höhe von 34,6 Millionen Euro. Am Ende blieben 231 Millionen Euro übrig.

600 Millionen Euro Ausgabereste

Die Verwaltung habe den von Kuhn propagierten vernünftigen Mittelweg beim Haushalt verlassen, so Körner. Man schiebe 600 Millionen Euro an Ausgaberesten vor sich her, das Geld könne nicht verbaut werden, weil Personal fehle.

Grundsätzliche Kritik kam auch von Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus): Die Verwaltung mache mit den Jahresabschlüssen Politik außerhalb der Haushaltplanberatungen. „Die Überschüsse sind seit 2006 Methode“, so der Fraktionschef, „sie führen zur strukturellen Entmachtung des Rates“. Das Steueraufkommen werde „systematisch falsch angesetzt“. Dem widersprach Föll deutlich. Der Überschuss 2016 komme in diesem Bereich vor allem durch Nachzahlungen nach Prüfungen. Das sei nicht kalkulierbar.

Fraktionen: Personal fehlt

Auch Freie Wähler, FDP und AfD monierten, die Stadt erfülle „elementare Aufgaben nicht mehr“ (Rose von Stein, FW), habe Nachholbedarf zum Beispiel beim Bus- und Bahnangebot (Matthias Oechsner, FDP) und wolle bei der Rentenberatung und damit an der falschen Stelle streichen (Lothar Maier, AfD).

Er teile das Bild von der „Verelendungstheorie“ der Fraktionen nicht, sagte Kuhn, und bemühte konjunkturelle Risiken und die Weltlage mit der Türkei und den USA als Argumente für ein „gewisses Maß an Vorsicht“. Er werde beim Haushalt „nicht an die Kante gehen“, um anschließend Personal entlassen zu müssen. Das, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, werde auch bei einem Konjunktureinbruch nicht nötig sein, schließlich gingen jährlich viele Beschäftigte in den Ruhestand. „Die Stadt ist de facto schuldenfrei“, so Kotz. Und weiter: „Bei einem Konjunktureinbruch könnte ich daher sogar mit 150 Millionen Euro neuen Schulden auch noch leben.“

Geld für SSB

Als neue Rücklagen aus dem Überschuss beschloss die große Mehrheit schließlich zum Beispiel einen Investitionszuschuss an die Stuttgarter Straßenbahnen AG in Höhe von 72,5 Millionen Euro und eine Finanzspritze für das stadteigene Klinikum in Höhe von rund 39 Millionen Euro.