Der Ironman auf Hawaii gilt als härtester Triathlon der Welt. Der Stuttgarter Frank Schreiner wird dort am Samstag an den Start gehen. Vor dem Wettkampf erzählt er, wie er trainiert, was ihm beim Laufen durch den Kopf geht und welches Ziel er sich für den Ironman gesteckt hat.

Stuttgart - Am Samstag wird Frank Schreiner bereits um 4.30 Uhr auf den Beinen sein. Krampfhaft wird er versuchen, etwas zu frühstücken. Ob mit oder ohne Hunger spielt keine Rolle, die Energie wird der 55-Jährige später in jedem Fall noch brauchen. Denn wenige Stunden danach wird er beim bekanntesten Triathlon-Wettkampf der Welt antreten: Dem Ironman auf Hawaii.

 

Der Stuttgarter ist einer von über 2000, die an der Ironman Weltmeisterschaft teilnehmen. Seit 1978 wird der Wettkampf auf der Inselgruppe Hawaii ausgetragen. Er tritt in der Amateur-Gruppe an, mit dabei sind aber auch professionelle Triathletinnen und Triathleten. Ironman-Distanz, das heißt: 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen. Insgesamt kommt das in etwa der Strecke zwischen Stuttgart und München gleich.

Zwölf Stunden Training pro Woche

Um einen Ironman zu meistern, muss man hart trainieren. „Im Grunde musst du dein ganzes Leben darauf ausrichten“, sagt Schreiner. Auch an jenem Dienstagmorgen, zehn Tage vor dem Wettkampf, war er schon 90 Minuten Fahrradfahren. Nach der Arbeit wird er noch 15 Kilometer laufen gehen. Kurz vor dem Ironman trainiert der 55-jährige rund zwölf Stunden pro Woche. Laufen, Schwimmen, Radfahren, Krafttraining – das ganze Jahr, beinahe jeden Tag. Die volle Distanz mit allen drei Disziplinen läuft man am Wettkampftag allerdings zum ersten Mal.

In Kailua-Kona auf Hawaii gehen am Samstag nur die Besten an den Start. Schreiner ist bereits zum zweiten Mal dabei, 2016 lief er schon einmal bei der Weltmeisterschaft mit. Nach elf Stunden, drei Minuten und 52 Sekunden war er damals im Ziel. Um überhaupt teilnehmen zu können, musste er sich bei einem der vorangehenden Ironman-Rennen, die auf der ganzen Welt stattfinden, mit einer Spitzenposition qualifizieren. 2017 und 2018 hat es für den Stuttgarter nicht gereicht. Im August, beim Ironman in Kopenhagen, kam er als Zweitbester seiner Altersklasse ins Ziel und sicherte sich so einen Platz.

Schreiner lief bereits 16 Ironmans

Hätte man Schreiner vor 15 Jahren von seiner Qualifizierung erzählt, hätte er seinen Ohren wohl nicht getraut. Vollends eingespannt in seine Firma und mit 95 Kilo auf den Rippen war damals an Sport nicht zu denken. Als dann immer mehr Leute aus seinem Umfeld anfingen, Marathons zu laufen, begann er nachzudenken und ließ sich schließlich mitreißen. „Ein klassischer Midlifecrisis-Sportler“, scherzt er heute. „Am Anfang konnte ich keine Stadionrunde am Stück laufen. Das hat mich geärgert, aber auch motiviert“, erinnert sich Schreiner zurück. Innerhalb von einem halben Jahr war er fit genug für den Stuttgarter Halbmarathon. Zum 40. Geburtstag bekam Schreiner einen Startplatz beim New-York-Marathon geschenkt. „Das hat mich geflasht“, sagt er. Und so begann sein Streben nach immer anspruchsvolleren Wettbewerben, 16 Ironmans waren bisher darunter.

Lesen Sie hier: Vollgas für die Ironman-WM auf Hawaii – Der Hightech-Triathlet

Nun also wieder Hawaii. Seit Montag ist der Stuttgarter bereits auf Big Island, der größten Hawaiianischen Insel. Im Oktober herrschen dort durchschnittlich 25 Grad mit einer Luftfeuchtigkeit von etwa 80 Prozent. Daran muss sich der Körper erst einmal gewöhnen. Auch die Zeitverschiebung von zwölf Stunden ist eine Herausforderung. Kurz vor dem Wettkampf hat Schreiner allerdings nur noch eine Sorge: Jetzt bloß nicht krank werden oder sich verletzen. „Wenn du dir morgen den Fuß verknackst, ist es vorbei“, sagt der 55-Jährige. Bei einem Ironman auf der mexikanischen Insel Cozumel hatte er schon einmal Pech. Bei einer Trainingsfahrt prellte er sich die Rippen und musste vom Rand aus zuschauen.

Auch mentale Stärke ist gefragt

Gerade in Hawaii ist das nicht nur schade um das Startticket, das rund 890 Euro kostet. Für die meisten Amateure, die mitmachen, spielt der emotionale Wert die größte Rolle. Der älteste Teilnehmer dieses Jahres stammt aus Japan und ist 86. Man sah schon Starter, die stark übergewichtig waren. Es gibt Läufer, die mit der Qualifikation einen verstorbenen Verwandten ehren. Sie alle haben dasselbe Ziel vor Augen: am Ende die Ziellinie zu überschreiten – egal ob in zehn oder 16 Stunden.

Zeit, die Gedanken beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen schweifen zu lassen, hat man beim Rennen laut Schreiner aber nicht. Dann ist Konzentration gefragt. Laufe ich das richtige Tempo? Muss ich etwas essen oder trinken? Wie fühlen sich meine Beine an? Schreiner beschreibt den Zustand als ein ständiges Wechselbad der Gefühle: „Es gibt Momente, da denkt man, man hat einen riesen Tag, kurz später ist einem plötzlich alles zu schwer, man spürt den Gegenwind und wie sehr die Beine brennen.“ Deshalb sei auch mentale Stärke gefragt. Es geht nicht darum, andere so schnell wie möglich abzuhängen, sondern die Balance zu finden zwischen möglichst hoher Leistung bei möglichst geringem Energieverlust.

Windschattenfahrer und andere schwarze Schafe

Wie bei jeder Sportart gibt es beim Ironman aber auch schwarze Schafe. Obwohl es offizielle Anti-Doping-Regeln gibt, wurden bereits Athleten positiv getestet. Ein weiteres Problem ist das sogenannte Windschattenfahren, bei dem man extrem viel Kraft sparen kann. Auch gab es schon Berichte von Teilnehmern, die Strecke abgekürzt haben. „Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, weil am Ende vom Tag der einzige Richter für meine Leistung doch ich selbst bin“, sagt Schreiner dazu.

Sein Ziel für Samstag ist es, seine Zeit von 2016 zu schlagen und unter den „Daylight-Finishern“ zu sein, also vor Einbruch der Dunkelheit ins Ziel zu kommen. Seine Frau und seine zwei Kinder werden dort auf ihn warten. Nach dem Wettkampf wollen die vier noch Urlaub auf Hawaii machen, Honolulu, Waikiki-Beach und Pearl Harbour besichtigen.

Nach dem Wettkampf kommt ein tiefes Loch

Die Ablenkung wird Schreiner nach dem Wettkampf gut gebrauchen können. „Wenn die Endorphine verschwinden, kommt erst mal ein tiefes Loch“, beschreibt er den Zustand. Auch der Körper ist erschöpft von der extremen Anstrengung. Nach dem Ironman wird empfohlen, vier Wochen komplett auf Trainingseinheiten zu verzichten – kalter Entzug. Dass das schwierig wird, weiß Schreiner aber schon jetzt: „Ich schaffe es eh nicht länger als zwei oder drei Wochen, die Füße still zu halten.“