Stuttgarter Stefan Kaufmann CDU-Mann berät künftig Stahlkonzern
Eben war er noch als Wasserstoffbeauftragter für die Regierung tätig, nun berät Stefan Kaufmann (CDU) zur gleichen Thematik Thyssen-Krupp – ein Wechsel, der auf Kritik stößt.
Eben war er noch als Wasserstoffbeauftragter für die Regierung tätig, nun berät Stefan Kaufmann (CDU) zur gleichen Thematik Thyssen-Krupp – ein Wechsel, der auf Kritik stößt.
Die Personalie war Thyssen-Krupp so wichtig, dass sich die Vorstandsvorsitzende persönlich dazu äußerte. Per Pressemitteilung begrüßte Martina Merz den Neuzugang aus Stuttgart, mit dem man sich „zusätzliche Kompetenzen an Bord“ hole. „Wir sind überzeugt, dass seine ausgeprägte Erfahrung und Expertise uns voranbringen wird.“
Die Rede war vom Ex-Bundestagsabgeordneten und Ex-Wasserstoffbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Kaufmann (52). Er soll dem Essener Stahlkonzern künftig „bei allen segmentübergreifenden Wasserstoffaktivitäten und -projekten beratend zur Seite stehen und das Unternehmen bei Wasserstoffaktivitäten national und international vertreten“. Für die weltweite Vernetzung und die Beschleunigung der grünen Transformation sei er eine „ideale Ergänzung“ für das Unternehmen. Kaufmann selbst bekundete, er freue sich auf die neue Aufgabe und danke für das Vertrauen. Thyssen-Krupp verfüge mit seinen einzigartigen technologischen Kompetenzen über beste Voraussetzungen, um zum „Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“ beizutragen. „Und hierbei möchte ich in meiner neuen Rolle maßgeblich beitragen.“
Erst zehn Tage zuvor war der promovierte Jurist als Wasserstoffbeauftragter der Bundesregierung ausgeschieden. Anders als für die meisten Spitzenvertreter war für ihn nicht Schluss mit dem Wechsel von Angela Merkels schwarz-roter Koalition zur Ampel von Olaf Scholz. Die neue Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte ihn gebeten, sein 2020 geschaffenes Amt zunächst fortzuführen. Sie freue sich sehr, dass er ihrem Wunsch gefolgt sei, erklärte sie noch im Januar. Der CDU-Mann wertete die Verlängerung als „Anspruch und Motivation zugleich“, den grünen Wasserstoff voranzubringen. Für die Dekarbonisierung von Kernbranchen wie Chemie- und Stahlindustrie sei dieser entscheidend, erläuterte das Ressort.
Nun also wechselt Kaufmann praktisch nahtlos zu einem solchen Konzern. Aus der Regierung direkt in die Wirtschaft, noch dazu im gleichen Tätigkeitsgebiet – das wird in Bund und Ländern zunehmend kritisch gesehen. Allzu schnell entsteht der Eindruck, dass Kontakte und (Insider-)Kenntnisse umgehend versilbert werden. Für Unternehmen sind bestens vernetzte Ex-Politiker mit ihren exklusiven Zugängen viel wert, entsprechend großzügig werden die Seitenwechsler oft honoriert.
Doch das Vertrauen in die Demokratie leidet, wenn das alte Amt und der neue Job allzu eng verknüpft erscheinen. Seit 2015 gibt es auf Bundesebene deswegen Regeln für Karenzzeiten. Nicht sofort, sondern erst mit zeitlichem Abstand sollen einstige Regierungsmitglieder zu Unternehmen oder Verbänden aus ihrem früheren Themenkreis wechseln dürfen; in dieser „Abkühlphase“ verlieren Kontakte und Insiderkenntnisse an Wert. Entsprechende Umstiegspläne müssen gemeldet werden, ein Gremium beim Kanzleramt prüft jeden Einzelfall. Je nach den Umständen kann es eine Sperrfrist verhängen, maximal anderthalb Jahre.
Die Regeln gelten allerdings nur für Minister oder Parlamentarische Staatssekretäre. Deren beamtete Kollegen werden davon nicht erfasst, unterliegen aber dem Beamtengesetz. Auch danach sind womöglich anrüchige Wechsel dem Dienstherrn zu melden, der sie untersagen kann. Doch das Reglement erfasst längst nicht alle Konstellationen, die es in der komplexen Wirklichkeit gibt – wie die Fälle von Kaufmann und dem frisch als Chef der Kölner Rheinenergie installierten Ex-Staatssekretär Andreas Feicht (siehe Artikel unten) zeigen.
Stefan Kaufmann war weder Minister oder Staatssekretär noch beamtet. Doch für die Organisation Lobbycontrol liegt der „Interessenkonflikt“ offen auf der Hand: Genau in der Branche, für die er vorher zuständig war, bekomme er einen Lobbyjob. Thyssen-Krupp nenne das zwar nicht so, sagt die Expertin Annette Sawatzki. Es sei aber klar, dass der Stuttgarter den Konzern „kaum im Bereich Forschung und Entwicklung“ berate und vertrete, sondern auf politischer Ebene. Ihr Fazit: Kaufmann hätte den Wechsel daher unbedingt anzeigen müssen, und das Forschungsministerium hätte ihn untersagen müssen. Womöglich seien beide ihren „Pflichten zu Anzeige und Prüfung nicht nachgekommen“.
Bei Thyssen-Krupp sieht man das anders. Da Kaufmann Ende Juli als Wasserstoffbeauftragter der Regierung aufgehört habe, sei „eine Überschneidung mit seiner beratenden Tätigkeit . . . ausgeschlossen“. Für eine „Cooling-off-Phase“ gebe es keinen Anlass, weil diese ausschließlich für „offizielle Mandatsträger“ gelte. Der CDU-Mann sei jedoch nur „im Rahmen einer Beauftragung“ für das Forschungsministerium tätig gewesen, vergütet lediglich mit einer Aufwandsentschädigung. In seiner Amtszeit habe Kaufmann auch nichts mit Förderprogrammen zu tun, für die sich auch Thyssen-Krupp beworben habe. Zudem werde er nicht fest angestellt, sondern komme als externer Berater – zu welchem Salär, wird nicht verraten.
Im Ressort von Stark-Watzinger wurde man von dem Wechsel offenbar überrascht. Die „Übernahme neuer Aufgaben bei Thyssen-Krupp“ sei dem Ministerium „im Vorfeld nicht bekannt“ gewesen, sagt eine Sprecherin. Kaufmann habe sie auch nicht melden müssen, da er weder Mitglied der Bundesregierung noch Parlamentarischer Staatssekretär gewesen sei. Eine Anzeigepflicht halte man für „nicht zwingend notwendig“, fügt die Sprecherin hinzu – mit aparter Begründung: Auch nach Ablauf seines Vertrags unterliege Kaufmann der „Geheimhaltungspflicht“. Dienst- und Geschäftsgeheimnisse, die er im Amt erfahren habe, müsse er für sich behalten.